Dienstag, 25. September 2012

Heute schon an der Welt gezweifelt

Haben Sie heute auch mal wieder an der Welt gezweifelt oder kleiner: an Europa und vielleicht noch kleiner: an Deutschland, Ihrem Bundesland, Ihrer Stadt, Ihrem Dorf, Ihrem Bekanntenkreis, Ihrer Firma, Ihrer Familie?

Dann sind sie in meinen Augen völlig normal, dem Leben auf gesunde Weise zugewandt und hier völlig richtig.

Nichts ist doch so wie es scheint, nicht wahr, und wo mehr Schein als Sein da ist der Zweifel doch wohl reine Selbstverteidigung.

Und was Gestern noch galt, Hoffnung schenkte, Lebensfreude, Seinsgewißheit, schmeckt plötzlich fade, zeigt Risse, Fäulnis und jede Menge Widersprüche.

Nehmen Sie auch sich selber nicht davon aus und bezweifeln alte Entscheidungen, Haltungen und Taten?

Dann sind Sie auf jeden Fall hier jetzt richtig. Denn hier wird Ihnen nur Zweifelhaftes, Unfertiges, Morgen vielleicht schon Überholtes, Verworfenes (auf den gleichen Seiten, nämlich hier) geboten.

Ich könnte jetzt schreiben: ich liebe den Zweifel. Aber dafür bin ich Teil der falschen Generation. Ich wurde erst von einem Glauben zum anderen und so zum Zweifel getrieben und geprügelt durch Erfahrungen, Erlebnisse, abgelenkt ständig von neuen Gewissheiten, Hoffnungen und davon verstrahlten Freunden, Vorbildern und schmackhaften Texten, die mich zuvor gut ausgemacht haben bei ihren Marktanalysen.

Glauben Sie mir: im Zweifel bin ich stets immer eher gläubig. Nur dass ich heute gläubig zweifel an meinem jeweiligen Glauben bei der kleinsten Erschütterung durch Hinweise, von irgendwoher angewehten Warnungen, hineingeflatterten Ungereimtheiten.

Zurück zu Ihrem Zweifel und meinem Zweifel-Willkommensgruß eines vom Glauben halbwegs unbeschädigt davongekommenen Zweiflers. Ich kredenze Ihnen hier jede Menge Fast- und Fingerfood von all dem, was ich bisweilen glaube und dann doch wieder arg bezweifel.

Wenn ich hier Glauben schreibe meine ich aber nicht vor allem die durch Religionen definierten Glaubensvorstellungen. Ich meine insgesamt den Glauben in richtig und falsch, gut und böse, daran, dass wir glauben schlussfolgern , Kausalitäten erkennen, das Sichtbare, für uns sichtbare als Welt nehmen zu können.

Da die Welt ohne uns zu existieren in der Lage zu sein scheint, war unser Weg zu ihr hin die meiste Zeit vom Glauben an sie und ihren Möglichkeiten geprägt, mehr und mehr gestützt durch Katastrophen, Unfällen, überraschenden und vor allem ungeplanten Erfolgen, danach aufgenommenen Beobachtungen, Wiederholungen, wachsendem Mut zu Schlussfolgerungen und deren mal mehr und mal minder erfolgreichen Umsetzungen.

War ja meistens arg unsicher dieses Leben und eigentlich war meist wichtigeres zu tun, als irgendetwas zu erkennen oder zu behaupten. Laufen sie mal vor einem Bären davon und versuchen gleichzeitig ihr Verhältnis zur Welt zu klären und substantielles dabei für andere hervor zu zaubern. Geht uns ja heute meist auch nicht anders. Gut, die Bären haben kein Fell mehr und fletschen nicht immer so auffällig die Zähne. Bisweilen haben sie heute besseren Mundgeruch, wenn auch künstlich herbeigepflegt. Trotz aller Zweifel und gut bezahlter Täuschungsmaler glaube ich: Bären bleiben Bären und Wölfe Wölfe. Hat ja schon Rotkäppchen erleben müssen.
 
Als bis her uns selbst einzig bekanntes Wesen, dass sich selbst und seine Umgebung wahrnehmen kann, war es nahe liegend auf irgendjemandem außerhalb unserer Spezies zu hoffen, der uns unsere Wahrnehmungen bestätigt und auf für immer gültige Weise zusammenrafft und erläutert.

Besonders Mutige hofften nicht auf so etwas, akzeptierten die Einsamkeit der Spezies Mensch auf der Erde und später im All und vertraute den eigenen Fähigkeiten, dies glaubend aber auch nicht immer humaner oder weniger blind.

Die in Schriften überlieferte Geschichte der Menschheit ist voll von Zweiflern, denen es zuerst gelang mittels ihrer Zweifel eine neue Religion und dann die Unterdrückung jeden Zweifels daran durch zu setzen.

Womit ich andererseits nichts gegen Religionen schreiben will. Die sind da und allein dies denke ich und ihr den größten Teil der Menschheit und ihrer uns bekannten Geschichte umfassenden Anteil rechtfertigt ihre Existenz. Im Gegenteil, gerade bei ihnen sind viele, die die Kunst des Zweifelns ausgezeichnet beherrschen und eine tiefe Notwendigkeit dafür zu spüren meinen.

Vorsicht: nicht jeder selbsternannte Großzweifler hat wirklich vor uns und unserer Erkenntnis auf die Sprünge zu helfen. Manche errichten nur neue Kathedralen mit ihnen selbst als oberste Kardinäle und verfolgen jeden Zweifel an ihren Zweifeleien messerscharf und sie tief verletzend. Der Typus des Zynikers ist weit unter ihnen verbreitet. Eine Art Gift beseelt sie, dass ihre Zweifel schnell unbekömmlich und untauglich macht, selbst da, wo sie mehr als angebracht sind.

Aber nun Schluss mit meinen Betrachtungen, die Ihnen hoffentlich mehr als zweifelhaft erscheinen und zur besonderen Vorsicht rate ich auch bei nachfolgendem Nachtisch:

Aus Wikipedia:

Zweifel (mittelhochdeutsch zwîvel, althochdeutsch zwîval aus germanisch twîfla, „doppelt, gespalten, zweifach, zwiefältig“) ist ein Zustand der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Annahmen, da entgegengesetzte oder unzureichende Gründe zu keinem sicheren Urteil oder einer Entscheidung führen können.[1] Er wird auch alsUnsicherheit in Bezug auf VertrauenHandelnEntscheidungenGlauben oder Behauptungen bzw. Vermutungen interpretiert. Skepsis (griech. sképsis = Betrachtung; Bedenken, zu: sképtesthai = schauen, spähen; betrachten) bezeichnet dagegen Bedenken durch kritisches Zweifeln.[2]
Rudolf Eislers Wörterbuch der philosophischen Begriffe definierte 1904:
„Zweifel (dubium, dubitatio) ist der (gefühlsmäßig charakterisierte) Zustand der Unentschiedenheit, des Schwankens zwischen mehreren Denkmotiven, deren keines das volle Übergewicht hat, so daß das Denken nicht durch objective Gründe bestimmt werden kann. Während der Skepticismus (s. d.) den absoluten Zweifel an derErkenntnisfähigkeit des Menschen zum Princip macht, besteht der methodische Zweifel (doute méthodique) in der provisorischen Bezweiflung von allem, was noch nicht methodisch-kritisch festgestellt, gesichert erscheint.“

Das Wort Zweifel (althochdeutsch zwivalgotisch Zweifls) stammt von der Kompositionsform twi ‘zwei’, und dem Suffix -falt, das etymologisch mit dem heutigen Wort Faltegleichzusetzen ist. Dies führte zur Wortbedeutung „zwiespältig“.[4] Skepsis insbesondere für Bedenken, mißtrauische Vorsicht’ ist eine Übernahme aus griechisch sképsis (σκέψις) ‘Betrachtung, Überlegung, Untersuchung’, zu griechisch sképtesthai (σκέπτεσθαι) ‘umherschauen, sich umsehen, spähen, betrachten, erwägen, prüfen’, die erstmals vereinzelt in der 2. Hälfte des 17. Jahrhundert nachgewiesen wurde und seit dem 19. Jahrhundert geläufig ist. Das Adjektiv skeptisch für ‘zweifelnd, bedenklich, mißtrauisch, kühl abwägend’ wurde im 18. Jahrhundert von griechisch skeptikós (σκεπτικός) ‘nachdenkend, überprüfend’ entlehnt. Ein Skeptiker für jemanden, ‘wer zweifelt, immer mißtrauische Vorbehalte hat sowie für einen Anhänger oder Vertreter des Skeptizismus’ wurde seit dem 17. Jahrhundert für einen Vertreter agnostizistischer, philosophischer Richtungen verwendet; und wurde zunächst seit dem 16. Jahrhundert in der latinisierten Form Scepticus in deutschen Texten verwendet. Anfang des 18. Jahrhundert wurde es zu Skeptiker eingedeutscht.

In der voraufklärerischen Werteordnung galt Zweifel sowohl als Sünde (Desperatio) wie auch als Übel, das schnell beseitigt werden sollte und als Dauerzustand zur Verzweiflungführe. Seit der Aufklärung erhielt der Zweifel eine Aufwertung und gilt seither als Voraussetzung allen ErkenntnisfortschrittsErkenntnistheoretiker weisen darauf hin, dass dieBedingung der Möglichkeit von Zweifel der Glaube an (eine) Wahrheit ist. Insbesondere Descartes erhob den Zweifel als philosophische Methode, die er in seinem Werk Discours de la méthode postulierte.
Nach Peirce ist „die Erregung des Zweifels das einzig unmittelbare Motiv für den Kampf um die Überzeugung“.[6] Damit ist gemeint, dass die Überzeugung eine Handlung hervorruft, die unsere Wünsche befriedigt. Wenn eine andere Überzeugung auftritt, die eben nicht die Wünsche befriedigt, dann tritt der Zweifel in Aktion, der die unerwünschte Überzeugung ablehnt, sprich bezweifelt. Darum bezeichnet Peirce auch, dass der Zweifel ein „Unbehagen und eine Unzufriedenheit“ ausdrückt, wovon man sich befreien will, um zur „Ruhe und Zufriedenheit“ (Überzeugung) zu gelangen.
Im wissenschaftlichen, philosophischen und praktischen Denken der Gegenwart spielt der Zweifel eine wichtige Rolle, weil er allein das Denken in Bewegung hält. Ohne Zweifeln sei keine Erkenntnis möglich.


Sprichwörter:

An sichern Dingen ist der Zweifel gut.

Bei Hoffnung ist immer Zweifel

Glaube leidet keinen Zweifel 

Meinen ist Zweifel.

Bei alten Münzen zweifelt niemand 

Wer zweifelt muß wagen.

Meine Glaubenssätze des Zweifels

"Nicht jeder Zweifel
führt weg
vom Glauben
egal wie er heißt
oder ist

die meisten führen
erst richtig
zu ihm hin."


"Im Zweifel liegt
der Kern der Wahrheit
jeden Glaubens"

und

"Ohne Glauben
an was oder wen
auch immer
ist jeder Zweifel
heimatlos"

"Wer zweifelt
hat seinen Glauben
an was auch immer
noch nicht ganz
aufgegeben"


Gut Zweifel! Und nehmen Sie ihren Glauben hierhin mit. Er braucht es wie meiner.

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