Sonntag, 21. April 2013

Ein Tag König




An diesem Morgen bin ich früh aufgewacht. Die Sonne schien fast aggressiv mit ihren ersten kalten Strahlen in das Schlafzimmer. Um meine Frau nicht zu wecken durch verzweifeltes Hin- und Hergewälze, entschloss ich mich, die Gelegenheit zu nutzen und ein wenig Frühsonne am See zu genießen.
Als ich vor die Tür trat, zog der Wind kalt um die Häuser und wirbelte erste Blätter auf, glitschige Frühboten des drohenden Herbstes. Am See wirkten die Wellen unruhig, als peitsche sie eine unsichtbare oder magische Kraft, oder beides zusammen.
Ich suchte gerade Schutz unter der Hütte an dem kleinen Badestrand, als eine klägliche Stimme um Hilfe rief. Es kam vom Strand, da war ich mir sicher. Aber niemand war dort zu sehen. Ich ging also vorsichtig bis zum Wasser, könnte ja sein dass eine schwimmverrückte Person dort die Kälte unterschätzt hatte und nun am Ertrinken war. Aber da kam die Stimme hinter mir, direkt in meinem Rücken.
„So helfen Sie mir doch! Und treten Sie nicht auch noch auf mich drauf.“
Stimmt, ich war auf irgendetwas Glitschigem getreten, hatte mir aber nichts dabei gedacht.  War mir das peinlich, sollte ich einen armen Menschen übersehen und getreten haben? Wie sollte das möglich sein?
Langsam und vorsichtig drehte ich mich um, in der Hoffnung es handele sich vielleicht nur um einen Streich von den aufgeweckten Dorfjungens.
Aber …, da war nichts! Rein gar nichts, kein Kind, keine Frau, kein Mann! Zwischen der Hütte und mir war nichts bis auf ein kleines klumpiges etwas, wahrscheinlich ein toter Fisch.
„Bist Du blind auf den Augen, Mann, so hilf mir doch!“
Die Stimme, kein Zweifel, kam direkt aus dem Boden vor mir. Von da, wo der Klumpen lag und der zappelte plötzlich.
Aha, ein genialer Streich, also doch. Ich liebe Kinder, vermisse unsere drei, die nun alle außer Haus sind und in drei verschiedenen Städten studieren. Meine Frau und ich hofften insgeheim darauf, bald Großeltern zu werden und so noch einmal das Glück mit Kindern erleben und genießen zu dürfen.
Das kleine Etwas zappelte stärker.
„Bitte, ich sterbe, Du musst mich in das Wasser tragen, ich hier, vor Dir, ins Wasser, bitte schnell!“
Ich sah mich schnell um, konnte aber kein geeignetes Versteck entdecken für die „Versteckte Kamera“ und ging vorsichtig auf den zappelnden Brocken zu. Ein Fisch. Tatsächlich, mit einem großen Maul in dem unzählige, kleine fiese Zähne saßen. Und der sprach:
„Nun glotz doch nicht so. Hast doch wohl schon mal ein verzaubertes Tier gesehen.“
Nein, nein das hatte ich nicht, wollte ich auch nicht und außerdem sackten mir die Beine weg und ich saß plötzlich neben dem Fisch auf dem Strand.
„Nun pass doch auf, beinahe hättest Du mich platt gedrückt“
„Entschuldigung!“ Was tat ich da? Ich sprach mit einem Fisch. Unglaublich. Und der antwortete:
„Könnten der gnädige Herr vielleicht mit einem armen Fisch Erbarmen haben und …“
Mir wurde es zu bunt. Ich sprang auf, griff nach dem glitschigen Klumpen, hoffte, mich würde dabei keiner sehen und lief zum Wasser und warf ihn mit aller Kraft hinein. Froh ihn los zu sein, bückte ich mich, um meine Hände im Wasser von seinem Schleim zu säubern.
Der Fisch hatte noch nicht genug. Er sprach schon wieder
„Es sei Dir gedankt! Wenn Du auch ein wenig schwer von Begriff bist, wenn Du überhaupt versteht was ich damit meine, scheinst Du doch ein guter Kerl zu sein.“
Für einen kleinen Ekelfisch ganz schön großspurig, dachte ich. Was mochte der überhaupt für eine Sorte, oder sagte man Art, darstellen. Essfisch bestimmt nicht, so wie der aussah.
Als hätte er meine Gedanken erraten, rief er: „Ich bin ein Butt und Du kannst vielleicht an das Märchen vom Fischer und sein Frau erinner, nein nicht?“
Ich schüttelte den Kopf. Bei meinen Eltern gab es Biene Maya zum Abendbrot im Fernsehen und TKKG im Kassettenrecorder zum Einschlafen. Aber bestimmt keine Märchen. Das war doch was für Mädchen. Was der sich so dachte. Bestimmt hatte der auch noch nichts Handys und dergleichen mitbekommen.
„Na gut, ich will es kurz machen. Du hast einen Wunsch frei. Überlege ihn Dir gut. Zwar kannst Du ihn umtauschen am nächsten Tag, aber nur zweimal! Also überlege gut!“
Jetzt kam der mir auch noch so! Wünsch Dir was! Hat gut reden. Was denn, so auf die Schnelle? Ohne meine Frau, verrat ich eigentlich gar nichts.
Stichwort Frau, das war es! Wie oft hatten wir schon, zwar mehr aus Spaß als ernsthaft an eine solche Möglichkeit zu glauben, uns gewünscht, die lebenslange Rente von dieser Lotterie zu gewinnen, allerdings zu geizig, jedenfalls in Bezug auf Glücksspiele, jemals ein Los zu kaufen.
Diesen Wunsch nannte ich dem Fisch und fragte vorsichtig: „Ist das machbar, Herr Butt?“
„Machbar, immer, aber bist Du sicher, das Deine Frau damit zufrieden ist. Ich hatte da mal einen Fall mit diesem Fischer … !“
„Auf jeden Fall!“
„Dann sei es so der Fall! Heute noch geht die erste Rentenüberweisung auf deinem Konto ein und ein Bote bringt den Brief gerade jetzt zu Deiner Frau, Herr Mensch.!“
„Oh, Entschuldigung, habe mich ja gar nicht vorgestellt …“. Er unterbrach mit „Ist schon gut, will ich gar nicht wissen.“ Ich glaubte auch noch zu hören, wie er „Dummer Kerl“ murmelte und sah wie er im grauen Wasser langsam verschwand.
So ein Morgen hat man selten. Ich wartete noch etwas, als dann aber weder Jungen aus dem Dorf noch Leute von „Versteckter Kamera“ auftauchten machte ich mich zurück auf den Weg zu Frau und Bett.
Vor der Haustüre erwartete mich bereits meine Frau, ganz aufgeregt, einen geöffneten Brief in der Hand, im Morgenrock und Bettpuschen, die Haare etwas verwildert vom Schlafen. So traute sie sich eigentlich nie vor die Leute. Im Gegenteil.
Kaum war ich ihr nahe genug gekommen, rannte sie auf mich zu, schluchzte, flüsterte, küsste mich, fing von vorne an, bis ich schließlich, weil ich kein Wort verstand und es mir, sogar mir, langsam peinlich wurde hier vor allen Leuten auf der Straße, verstand sie seitlich in den Arm zu nehmen, dabei sie so zu drehen, dass wir erst mal heil ins Haus zurück kamen. Dort bugsierte ich sie in den Sessel und nahm den Brief und öffnete ihn. Der Butt hatte Wort gehalten. Jetzt war ich wirklich baff und zum zweiten Mal an diesem noch so jungen Tag wurden mir die Knie schwach.
Um es kurz zu machen, nach einer halben Stunde hatte ich es ihr so weit erklärt, wie es abgelaufen war mit dem Butt und ich nicht und nie ein Los erstanden hätte, das nun zu diesem Wunschtreffer geführt haben könnte.
Meine Frau weinte viel an diesem Tag, aber vor Freude und nur, weil sie mich bisher für gar nicht spökenkiekerig erlebt hatte und auch der kleinste Hauch von Esoterik wie Gift von mir behandelt wurde, glaubte sie mir zum Schluss um dann, typisch Frau irgendwie, mich darauf hin zu weisen, dass ich mich gar nicht bedankt hätte und dies schleunigst nach zu holen habe.
„Morgen, Liebste, Morgen! Für heute habe ich genug von sprechenden Fischen. Und Du glaubst nicht, wie hässlich der ausgesehen hat.“
„Ein Butt, Schatz, sieht so aus! Schmeckt aber lecker.“
„Das sollte ich ihm dann wohl besser nicht sagen!“
Nach unruhiger Nacht wachte ich wieder zu früh auf und konnte nicht wieder in den gewünschten Schlaf finden. Missmutig stand ich auf und beschloss die Dankerei dann gleich hinter mich zu bringen. Außerdem war der vielleicht ja nur um diese Uhrzeit an zu treffen und ich hatte deswegen noch nie einen sprechenden Fisch erlebt.
Am Strand war alles ruhig und kein Fisch zuckte am Strand irgendwo herum. Darum rief ich, so laut ich konnte:
„Herr Butt! Herr Butt! Ich komme von meiner Frau und muss Ihnen noch etwas sagen! Herr Butt, hören Sie mich?!“
„Dummer Kerl, was schreist Du denn so laut?“
Ich hatte sein Auftauchen nicht bemerkt, so schnell war es geschehen und darum saß ich vor Schreck schon wieder auf dem Strand.
„Was ist? Was will Deine Frau? Ein Königreich, Papst werden? Na sag an!“
„Nein, bloß nicht. Bedanken will und soll ich mich, auch im Namen meiner Frau!“
Dabei stand ich behutsam auf und klopfte mir den Sand von der Hose.
„Bedanken, sonst nichts?“
Seine Stimme war plötzlich fürchterlich laut und das Wasser begann mächtig zu rauschen. Es stieg und meine Schuhe wurden nass. Schnell lief ich hoch zur Wiese. Da kam wieder seine Stimme:
„Oder will sie ein Bankhaus? Ein nie versiegendes Konto? Sag an! Mach schnell!!!!“
„Nein! Das ist Klasse mit der Rente!“
Während ich das sagte stiegen die Wellen, die nun immer höher wurden, hoch bis zur Wiese und ich lief schnell zu den Bäumen des schmalen Waldstreifens der nach dem Bau unserer Siedlung noch verblieben war.
„Will sie Guru sein, in Indien mit Tempelanlage und allem drum und dran, Buddha oder, nein, Christus, will sie gar Christus selber sein?“
„Herr Butt hören Sie auf, stoppen Sie den See! Das alles will sie nicht, wollen wir nicht. Wir sind glücklich, wie sie meinen Wunsch erfüllt haben.“
Das Wasser ließ nicht locker, verfolgte mich zu den Bäumen, überschwemmte auch dort den Grund, drang in die Vorgärten, stieg über die Terrassen. In meiner Not rannte ich zu der alten Kapelle, die schon seit Jahrhunderten auf der höchsten Erhebung hier stand. Aber das Wasser war schneller und sprang mit seinen wellen in den Kapellenraum. Zu meinem Glück verfügte sie über einen soliden Turm und dort stieg ich hinauf bis zu den Glocken und sah hinaus. Der See hatte bereits die Häuser unserer Straße erreicht und stieg und wuchs unaufhörlich weiter.
„Herr Butt! Herr Butt! Bitte stoppen Sie den See! Nehmen Sie unseren Wunsch zurück, machen Sie alles ungeschehen, aber stoppen Sie den See!“
„Waaaas! Meeehr wünscht Du dummer Kerl Dir nicht und auch Deine Frau ist zufrieden! Hols der Teufel, dann hast Du mich erlöst! Ausgerechnet son Dämelak!“
Höflich war der Fisch ja nun wirklich nicht.
Tatsächlich begann der See sich in seinen Bereich zurück zu ziehen. Der Fisch aber rief:
„Dafür, dass ihr so ehrlich und genügsam seid, sollt Ihr belohnt werden. Fürstlich belohnt! Ihr seid ab sofort König von Deutschland!“
„Herr Butt, bitte aufhören mit dem Scheiß! Das wollte der Rio Reiser nur in seinem Lied „König von Deutschland“ sein“, aber keine Sau will diesen Mist wirklich! Das ist vorbei! Wir sind längst eine Demokratie!!!“
Der Butt antwortete nicht, nicht wirklich, schenkte mir nur noch ein dröhnendes, sogar die alte Kapelle erzitterndes Lachen und verschwand, ließ sich nicht mehr sehen trotz allem meinem Rufen und Flehen. Nach einer Stunde gab ich auf und ging traurig runter zu der Siedlung. Längst hatte ich da schon entdeckt, dass mein Haus verschwunden war und mir schwante fürchterliches.
Bei unserer Straße angekommen, hielt plötzlich eine Limousine neben mir.
„Eure Durchlaucht, wenn Sie bitte schnell einsteigen würden, Sie werden sehnsüchtig im Schloss erwartet.“
So etwas in der Art hatte ich befürchtet, hatte der Butt doch auch beim ersten Mal Wort gehalten. Die Fahrt dauerte lange, schließlich landeten wir gen Abend in Potsdam. Dort erwartete mich wie nicht anders zu erwartwen meine frau, diesmal aber fürchterlich wütend und aufgeregt.
„Was hast Du bloß dem armen Fisch erzählt, dass wir Könige sein wollen, im Palast leben! Bist Du verrückt?!“
Dieses mal dauerte es dreimal so lange, bis sie mir glaubte und wir ruhig über unsere Situation reden und nachdenken konnten.
Sie fragte,:“weißt Du, wie teuer dieses Schloss im Unterhalt ist? Wir haben nur Mahnungen und Rechnungen im Büro und wir sollen Gelder illegal in der Schweiz und in Scheinfirmen auf Inseln in der Karibik haben! Behaupten die in Strafanzeigen und schon Morgen sollst Du vor Gericht erscheinen!“
Ich hatte es wirklich und leider richtig geahnt. Der Butt musste zu lange in seinem See vor sich hin gelebt und ein paar Veränderungen in der Welt nicht mitbekommen haben.
„Liebster, was machen wir nur? Gehe doch bitte zum Butt, er möge uns von allen seinen Wunscherfüllungen erlösen!“
„Das habe ich ja versucht.“
„Und was sagte er?“
„Er lachte und das ziemlich unangenehm.“
„Vielleicht hast Du einen bösen Butt vom Fluch erlöst!“
„Ach so, und Du meinst deswegen dieser Scheiß hier, in den er uns gebracht hat, mit voller Absicht meinst Du?“
„Ja, könnte doch sein.“
„Und, was würde das bedeuten, ich meine für uns und diesen Schlamassel?“
„Dass wir ihn reinlegen müssen, zurück in seinen Fluch bringen!“
Plötzlich und wie nie zuvor in unserer Ehe wurde sie mehr als energisch und knallhart. „Dieses mal gehe ich und werde ihn als Betrüger darstellen, der alle Deine Worte einfach umgedreht hat um von seinem Fluch frei zu kommen.“
„Wie willst Du  das anstellen?“
„Warte ab. Auf jeden Fall musst Du mitkommen und im Wäldchen alles anhören.“
„Und auf Dich aufpassen, Du Wahnsinnige,“ dachte ich.
Im Schloss herrschte große Aufregung, Polizei war gekommen und wollte uns sprechen. Darauf konnten wir gut verzichten, ließen uns vom Diener in den Geheimausgang leiten und machten, dass wir aus Potsdam wegkamen. Zu unserem Glück hatte meine Frau ihre Tasche bei sich gehabt, als der Wunsch des Fisches sich erfüllte und so hatten wir genug Geld, um mit dem Zug zu dem See fahren zu können. Es war auch unser letztes Geld und der Erwerb von etwas Essbaren war uns nicht mehr möglich. Wir trauten uns auch nicht zu unseren Nachbarn, da der Butt wahrscheinlich die Macht besaß alle Gehirne so zu manipulieren, dass wir für die nicht mehr ihre Nachbarn sondern nur noch das bankrotte Königspaar waren.
Wir schliefen die Nacht unter den Bäumen, immer in der Angst Nachbarn könnten uns entdecken. Eigentlich konnte man das auch nicht wirklich als Schlaf bezeichnen, was wir da durch machten. Als endlich die Zeit gekommen war, in der ich zuvor den Butt gesprochen hatte, marschierte meine Frau hastig los, ohne mir zu sagen, was sie eigentlich tun wollte. Ich nahm sie nur noch kurz schnell in den Arm und dann war sie schon auf dem Weg zum Wasser. Ich versteckte mich, so gut es ging, hinter Baumwurzeln und wartete was, da unten geschehen möge. Ich befürchtete, der Butt könnte mein Herz hören, so laut schlug es in meiner Brust gegen den mit Fichtennadeln übersäten Boden.
„Hey, Herr Butt, Schleimer und Betrüger! Komm heraus! „
Nichts geschah, was mich einerseits beruhigte, andererseits unsere Sache auch nicht gerade vorwärts trieb.
Sie rief nicht noch einmal, setzte sich stattdessen und sang in einer mir völlig unbekannten Melodie:
„Der Butt, der betrügt und lügt, ein Fisch, der lügt und betrügt, ein Butt, hat nicht erfüllt den Fluch, geschummelt hat er und schwimmt daher, als wenn nichts wär! Der Butt, der betrügt … !“
Sie wiederholte diesen Singsang mindestens eine Stunde, ruhig, ohne sich groß zu bewegen, sang und sang.
Dann aber kam eine böse Überraschung auf sie zu. Von einer Sekunde zur anderen brach der See auf und eine Riesenwelle schlug auf meine Frau ein. Die hatte es gerade rechtzeitig gemerkt und war schnell zu mir in den Wald gerast. So knallte der riesige Wasserschlauch nur auf den Sand.
„wer wagt es, mich Betrüger zu schelten? Wer wagt es mich Lügner zu nennen?“
Die Stimme von dem Butt in Erregung war wirklich grandios. Sie ließ alles in der Umgebung erzittern und, ja, stank irgendwie nach faulem Atem, obwohl ich nicht wirklich etwas riechen konnte.
Meine frau stand trotzdem auf und rief:
„Du feiger Hund, mein Mann war zu Dir gekommen, weil ich Gott sein wollte und Du hast ihn nicht angehört!
„Liebe Frau, er sagte mir ihr wolltet weder König noch Papst sein und wäret mit dem was ich Euch erfüllt habe zufrieden.“
„Böser, gieriger, hinterhältiger Butt, er sagte das, weil ich etwas viel besseres ihm vorgeschlagen hatte: ich will Gott sein und er will das auch!“
„Und wenn es den nicht geben sollte, liebe Frau von einem ausgemachten Dummkopf? Was dann?“
„Dann hättet Ihr ihm das sagen müssen!“
Was dann geschah reichte aus, dass wir mit vorherigem Wissen davon niemals uns zu dem See mit unserer Absicht getraut hätten. Es grummelte nicht nur, es toste um uns herum, der See verlor all sein Wasser und in dr Nähe des Strandes saghen wir den Butt zucken und zappeln. Über rauschten die Bäume nicht mehr, sie knallten ihre Zweige aneinander und es krachte, knirschte allenthalben. Eine Windbö hob uns hoch und fegte uns hinaus dorthin wo der Butt lag.
Über uns türmten sich schwarze Wolken und sanken nieder, soweit, dass wir das Gefühl hatten, sie mit unseren ausgetreckten Armen berühren zu können.
Die Stimme daraus konnte uns schon nicht mehr überraschen, wer mit Fischen spricht bekommt auch aus Wolken was zu hören. Soweit waren wir.
Immerhin war ich dieses Mal nicht allein mit so einem Wahnsinn. Meine Frau, schien mir jedenfalls so, war von allem Geschehen um uns herum wenig beeindruckt.
„Was! Du mieser, kleiner Butt hast mich beschissen! Du hast es gewagt, Du Drecksack, diese armen dummen Menschen dafür ein zu spannen! Reichte Dir mein Fluch nicht, möchtest Du mit aller Gewalt als Regenwurm Dein elendes Leben auf Dauer zu bringen bis in alle Ewigkeit?!“
Wir warteten gespannt auf seine Antwort, denn davon, das war uns klar, würde unser Rest vom Leben abhängen. Und an dem hingen wir, egal wie viel Zeit uns noch beschert sein mochte.
Es kam keine Antwort. Zuerst nicht. Es kam auch keine weitere Frage aus den Wolken. Wir lagen vor Kälte zitternd am Strand neben dem Fisch, der kein Lebenszeichen von sich gab und überlegten, ob das alles hier einfach nur beschissen für uns ausgehen könnte. „König von Deutschland“, da wäre es fast besser gewesen, der Butt hätte uns in Harz-IV-Empfänger verwandelt.
Dann hoben sich die Wolken von uns weg und begaben sich dahin, wo sie gewöhnlich über uns hinweg zogen.
Ein leiser Wind schüttelte sanft an unserer Kleidung, als wolle er uns zu irgendwas auffordern. Wir standen auf und der Wind drückte sich fest in unsere Rücken. Das führte dazu, dass wir Schritt für Schritt zum Waldrändchen gingen. Oben angekommen, ließ er unsere Rücken los. Wir drehten uns zum See um und sahen, wie das Wasser zurückkehrte. Es kam ruhig und sanft geflossen, füllte den See aus und hielt an am Strand. Keine größeren wellen mehr, nur der See, wie wir ihn gewohnt waren. Wir drehten uns enttäuscht und resigniert um zur Siedlung, wo auf einmal wieder unser Häuschen stand. Da sprangen wir hoch und hin und her, tanzten, und so bewegten wir uns zu unserem Heim.
Im Haus suchten wir sofort unsere Kontobelege. Und da stand es immer noch: die Rente, 5.000 Euro!
Wir wussten uns vor Glück kaum zu fassen. Die Tage danach vergingen wie im Flug. Ab und zu bin ich früh morgens noch mal zum See gegangen, nach dem Butt zu sehen. Aber er rührte und meldete sich nie wieder. Vielleicht war aus ihm  nun wirklich ein Regenwurm geworden bis wann auch immer. Ob er als Regenwurm Wünsche erfüllen kann, weiß ich natürlich auch nicht.
Aber was wirklich merkwürdig blieb, waren die Nachrichten. In denen wurde tatsächlich noch lange nach dem „König von Deutschland“ gefahndet und seiner Königin. Wegen Steuerbetrug und undbezahlter Rechnungen.
Und die Bilder sahen uns weiter ähnlich. Irgendwie, so habe ich das Gefühl, ist die Zauberwelt auch nicht mehr das, was sie einmal war.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Hallo Jörn,

Ein 》FABELhaftes Los《 und sehr lesensWERT.

Danke für's Teilen auf Google+.