Montag, 15. April 2013

"Der Kopf", einen Tag nach dem Attentat in Boston, eine notwendige persönliche Stellungnahme



Hiermit möchte ich mich ausdrücklich bei all denen entschuldigen, die diesen Text hier unten, gestern im Laufe des Tages (nicht am Abend, Gott sei Dank) von mir verfasst, gelesen haben. Ich weiß selber nicht, wie es dazu gekommen ist, dass ich tagsüber ausgerechnet an so einem Tag einen Mann mir ausdenke, der gezielt Zivilisten in den USA mit Anschlägen tötet wie geschehen gestern Abend in Boston beim berühmten Marathon. 

Wenn es auch andere Objekte sind (Kaufhäuser, Verwaltungsgebäude, Mekka), so macht mich die Ähnlichkeit des Ablaufs doch betroffen. 

Ich wollte weder warnen noch voraus ahnen, nur einen Typus darstellen, überzeichnet und karikiert im Stile einer "black-story", mit Augenzwinkern bei den Gruselelementen. Dieser Spaß daran ist mir seit gestern Abend vergangen.

Es hätte leicht auch die Freundin meines Schwagers treffen können, die seit Jahren auch die großen Marathons läuft. Und wieder die alten Fragen, wer so etwas macht, warum, und die große Hilflosigkeit, genau das was wohl auch bezweckt werden soll mit solchen Anschlägen. Diese sind, weder in Geschichten wie in diesem Fall meiner, noch in der Realität zu entschuldigen, verharmlosen oder zu "verstehen" im Sinne von "verständlich"!

Eigentlich dachte ich gestern Morgen nur an meinen leider verstorbenen Freund Werner Koch, Gefangener der Nazis in Sachsenhausen, Widerständler in den Reihen der "Bekennende Kirche". 

Der hatte gegen Ende seiner Tage in unseren letzten Gesprächen und seinen öffentlichen Auftritten immer wieder vor dem "Irrationalismus" in der Welt gewarnt, der sehr viel schwerer zu überwinden oder zu bekämpfen sei als die Nazis, denen er entkommen war.

Diesen Grundgedanken habe ich in einer weiteren Variante darzustellen versucht. 

Heute möchte ich diese Geschichte am liebsten löschen, lasse sie nach einiger Überlegung aber bewusst stehen, als Zeuge für mögliche schreckliche Parallelitäten im Leben, die geschehen können.

Mein Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen. Möge es möglichst wenige ihr weiteres Leben verderben.
 
Und Dank an Sie hier im Internet, die sich bereitfinden, diese Erklärung von mir zu lesen.


Sie hatte schon viel erlebt in diesem Beruf, sich gegen viele Irrwege klug abgesetzt und war so eine der erfolgreichsten in ihrem Gewerbe geworden, zumindest in dieser Stadt und die nannte sich, wenn auch ein wenig prahlerisch, immerhin Weltstadt. 

Ingrid Vermeeren, für diesen Namen hatte sie sich bereits mit 17 Jahren frisch aus der Provinz hierhergekommen, für alle Zeit entschieden. Ihr gefiel er und sie sich besser mit diesem als mit ihrem, nach Gülle und Bauernkate müffelnden alten.

Aber das Angebot, dass ihr Büro ihr diesmal vorlegte, war so neu, so ungewöhnlich, dass sie im ersten Moment sprachlos war. Sigrid, die Sekretärin schaute sie versonnen an und meinte nur:

“Ich weiß, klingt wahnsinnig, aber die Überweisung ist schon auf dem Konto.“
„Eine Millionen Euro, dafür, dass ich einen Mann im Krankenhaus beglücke? Der muss wirklich krank sein.“

Trotz des hohen Betrages verspürte sie eigentlich keine Lust dorthin zu gehen. Sie machte sauberen Sex, Begleitservice auf hohem Niveau, hatte schließlich Kunstgeschichte studiert und Philosophie, beides brotlose Kunst aber in ihrem Job durchaus verwertbar. Sie war überall vorzeigbar, fiel nie berufsmäßig auf, konnte im Gespräch mit jedem mithalten und wusste ihre Überlegenheit gut zu tarnen, besaß den Charme, den sich manches Hollywoodsternchen gewünscht hätte und die Ausstrahlung einer Magret Thatcher, wenn es darauf ankam.
Und nun sollte sie wegen einer Million, das auch noch als Anzahlung von vier weiteren, die nachkommen sollten, im Krankenhaus einen Mann beglücken. Irgendetwas schien ihr daran ober faul.

„Was soll Dir im Krankenhaus passieren, bei all den Ärzten und Krankenschwestern.“
„Der liegt doch privat.“
„Ja und?“
„Der wird dafür sorgen, dass wir alleine sind oder meinst Du der ist Exhibitionist und zahlt deswegen so viel?!“

Sigrid sah nur das viele Geld, von dem sie auch einen Happen abbekommen würde, wenn auch nur kleinen und rechnete sich bereits aus, dass das Geld für den dringend benötigten neuen Flitzer reichen würde und der Urlaub wäre auch noch vorfinanziert.

Ingrid Vermeeren verdiente gut, sogar bestens aber auch sie könnte sich mit den Millionen noch ein paar offene Wünsche leichter finanzieren. „Gut, ich gehe. Was solls. Ist viel Geld.“

Im Krankenhaus wurde sie zu einer Villa über eine vollverglaste Brücke geführt, gelangte mit der Krankenschwester, die stumm neben ihr lief und etwas verunsichert wirkte, in einen Umkleideraum. Ihr wurde dort ein weißer Kittel ausgehändigt, den sie über ihre Garderobe streifen sollte. Ingrid Vermeeren musste lächeln, schließlich erwartete sie ein Mann zu einer Tätigkeit, bei der ein Kittel mehr im Wege sein würde.

Sie ließ den obersten Knopf auf, damit ihr Auftraggeber wenigstens den Ansatz der Brüste sehen konnte und folgte den Anweisungen der Schwester, die sich damit weiterhin sichtlich verlegen, von ihr verabschiedete und sie alleine den Gang weiter gehen ließ. Ingrid dachte, dass es sicherlich auch für das Krankenhaus eine äußerst delikate Geschichte war, die sicherlich nicht häufig vorkam.

Das Zimmer war einfach zu finden. Wahrscheinlich der ehemalige Salon, dachte sie beim Öffnen der einen Flügeltür. Sie kam zu ihrer Verwunderung zwar in einen großen hellen Saal, der nach außen hin mit einer großen Glastür vor einem Balkon abschloss, ansonsten aber wie ein normales Krankenzimmer wirkte, das heißt mehr wie eine Intensivstation.

Der Mann schien sie nicht zu erwarten. Er lag zu ihrer Rechten im Krankenbett, den Rücken aufgerichtet, die Hände über der Decke gefaltet, die Augen geschlossen. Sein Gesicht wirkte entspannt, war erwartungsgemäß etwas blass und spitz, schien schön und mit Würde ausgestattet durch das Leben gekommen zu sein. Gefiel ihr. Ein Erfolgsmensch, dachte sie, einer, der mit sich im Reinen war. Neugierig  und ganz im Gegensatz zu ihren sonstigen Einsätzen etwas aufgeregt trat sie näher.

„Setzen Sie sich doch! Da muss ein Sessel sein!“ Die Stimme kam plötzlich, kaum dass sich seine Lippen bewegten, aber sanft und gewohnt zu bestimmen, „delegieren“ dachte sie, „neudeutsch“.

Der Sessel, ein in die Jahre gekommenes Exemplar aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, stand vor der Balkontür. Sie hob ihn hoch und wunderte sich, wie leicht er war.
Sie stellte ihn vor das Bett, so dass sie mit dem Rücken zur Tür zu sitzen kam. 

Als sie ihre Hand zu dem Mann vorstreckte, sah sie wie die Sonne kleine Blitzlichter auf ihre Armhärchen warf und dass sie demnächst dringend wieder ins Sonnenstudio musste. Eigentlich mochte sie es nicht, denn sie hasste Untätigkeit. Aber für ihr Geschäft tat sie halt, was sein musste.

„Ingrid Vermeeren“, stellte sie sich vor, obwohl ihr klar war, dass er ihren Namen kannte, schließlich hatte er ausdrücklich sie bestellt und nicht eine aus ihrem Katalog, denn sie hatte zur Absicherung drei junge Frauen, ebenfalls Akademikerinnen wie sie, im Angebot.

„Trude Buschulte!“ sagte seine Stimme ruhig.

Woher wusste der Kerl ihren richtigen Namen? Also ging es ihm um Macht! Solche Männer und Spielchen ödeten sie an. Er verlor erheblich an Sympathiewerten bei ihr.
„Nein, das war einmal. Sie haben mich geordert, Ingrid Vermeeren.“ Sie sagte es kühl und kurz, sah ihm dabei direkt dorthin, wo seine Augen noch immer geschlossen waren, als wolle er sie nicht sehen. „Außerdem bin ich gewohnt, dass man mich ansieht, so schlecht sehe ich nämlich nicht aus“, fügte sie hinzu, um ihn aus der Reserve zu locken.

Der Mann schlug tatsächlich die Augen auf, klare, blaue Augen mit nur wenig Trübung in der Farbe, für sein Alter ungewöhnlich fand sie.
„Auch wenn Sie dafür auf 5 Millionen verzichten müssten Trude?“
„Ja!“ Das kam kurz und scharf und im gleichen Moment stand sie auf nicht ohne den Blick von seinen Augen zu lassen. Es ödete sie wirklich an, so ein albernes Spielchen.
„Sie gehen also? Einfach so? Nur wegen ihrem schönen Namen? Was haben Sie gegen ihn?“
„Nichts und alles. Vor allem aber: Das geht Sie nichts an!“
Sie drehte sich tatsächlich um und war bereit zu gehen.
„Halt, verehrte Frau Vermeeren. Nun seien Sie doch nicht gleich beleidigt.“
Sie drehte sich zu ihm, sah ihn an.
„Ich bin nicht beleidigt. Ich habe nur meine Prinzipien und auf Machtspielchen stehe ich nicht. „
„Ist gut, tut mir leid. Können Sie mir verzeihen und wir fangen noch einmal von vorne an?“
Sie zögerte, ließ jetzt selber ihre Macht spüren, setzte sich aber dann doch wieder.

„Danke, Ingrid, darf ich doch? Sie Ingrid nennen?“
„Ja, warum nicht. Und wie darf ich Sie nennen?“
„Rudolf!“
„Schön Rudolf, und was machen wir jetzt? Ich wüsste gern den Grund ihres Auftrags. Ich bin hier und bin ehrlich gespannt. Normalerweise komme ich zu Empfängen, Messen oder Geschäftsessen dazu.“
„Ich weiß, Ingrid. Ich weiß. Sind sie nicht neugierig auf meinen Nachnamen?“
„Der Auftrag kam von Heinz & Co KG, ich nehme daher an, sie sind der Eigentümer und damit der Heinz?!“
„Eigentümer ja, aber kein Heinz, nein, ein Vermeeren.“ Und dabei lachte er leise, leicht glucksend in alter Männer Manier.

Sie sah ihn an, ob er sie jetzt wieder verarschen wollte.
„Nein, das stimmt, Ingrid. Ich bin Rudolf Vermeeren, Erbe eines großen Vermögens, das mir gelang erheblich zu vermehren. Wie es der Name halt sagt, nehme an, deswegen hat der Ihnen auch so gefallen. Sie vermehren auch gerne, nicht wahr?!“
Ein Spaßvogel befand sie, einer der immerhin noch etwas Humor besaß. Über diese Bedeutung des Namens hatte sie tatsächlich noch nie nachgedacht, war ihr auch nicht aufgefallen. Aber ganz so Unrecht hatte er nicht, im Nachhinein betrachtet.

„Liebe Ingrid, ich möchte mich einfach erstmal mit Ihnen unterhalten, wie Ihre anderen Auftraggeber auch. Sie müssen das Ambiente hier entschuldigen und um diese Tageszeit Alkohol nehmen Sie wahrscheinlich ja auch nicht!“
Sie nickte, wieder ruhig und routiniert eingestellt auf seine Wünsche.
„Häppchen kommen in einer Stunde, habe mir erlaubt ein paar Schweinereien zu ordern, etwas ausgefallene Tapas, die mögen Sie doch bestimmt, mit Meeresfrüchten und allerlei verspielten Schnickschnack, die haben hier für mich eine ausgezeichnete cross-over-Küche!“
Sie öffnete einen weiteren Knopf. Es war warm in dem Saal, die Sonne schien jetzt stärker herein.

„Wollen Sie die Vorhänge zu ziehen, Ingrid, ist ihnen zu warm?“
Sie schüttelte den Kopf. Aus irgendeinem Grund war ihr nicht wohl bei dem Gedanken die Sonne aus zu sperren.

„Dann will ich Ihnen jetzt erzählen, was noch kein Mensch von mir erfahren hat und auch nie erfahren wird. Nein,“ er lächelte, „auch von Ihnen nicht. Da bin ich mir bei Ihnen sicher.“
Es wirkte nicht einmal arrogant wie er das so sagte. War sich einfach sicher und das mochte sie an Männern, selbstverständliche unaufgesetzte Sicherheit.
„Sie erinnern sich an die Kaufhausbrände letztes Jahr in den USA?“
Wer nicht, dachte sie. Plötzlich brannten am helllichten Tag fast gleichzeitig über dreißig Kaufhäuser und bis heute wusste man nicht, wie es genau gemacht worden war, hatte auch keine Beweise hinsichtlich Täter, geschweige denn die Täter gefunden. Trotzdem waren militante Moslems verdächtigt und beschuldigt worden, auch wenn es bis heute kein Bekennerschreiben gegeben hat. Also sagte sie brav: „Ja.“
„Das, liebe Ingrid, war ich. Ich Rudolf Vermeeren, der den Namen so gerne trägt wie Sie. Geschockt?“
„Was meinen Sie mit - das wären Sie - ?“
Ingrid wurde wieder etwas unruhig und auch der Zorn begann sich wieder ganz klein zu melden.
„Ich habe diese Kaufhäuser in Rauch aufgehen lassen. Und wissen sie warum? Damit die endlich konsequenter gegen diese verdammten Terroristen vorgehen.“
Dazu fiel ihr nur ein „Aha!“ ein.
„Sehen Sie Ingrid, ich bin Hobby-Chemiker, Geld dafür habe ich genug und irgendein Hobby sollte auch ein erfolgreicher Geschäftsmann haben, oder was meinen Sie? Golfen ist doch mehr Business heutzutage als Erholung.“
Sie nickte, wie er es wohl zu erwarten schien. Draußen sah sie einen Vogel vorbei fliegen, eine Elster, dachte sie. Eine diebische Elster.
„Aber es kam nur zu Getöse, da habe ich die nächste Aktion durchgeführt. Sie erinnern sich bestimmt, ihre größte Bank, ihr größtes Versicherungsunternehmen und die Zentralen von drei Mineralölkonzernen abgefackelt.“
Auch an diese Ereignisse konnte sie sich wie jeder im Lande gut erinnern. Auch danach lief das gleiche Muster ab: Keine Spuren, keine Täter aber die Terroristen angeklagt. Sie saß jetzt bewegungslos, hatte keine Lust etwas zu sagen oder eine Regung zu zeigen. Zwar war sie es gewohnt, dass die Männer meist allerlei Blödsinn von sich gaben, selbst die erfolgreichsten konnten es nicht lassen, zu prahlen. Aber dieser Vermeeren hatte auf jeden Fall einen ganz eigenen Vogel. Vielleicht war der gar nicht körperlich …, Scheiße, war der vielleicht hier in der Psychiatrie? Aber würde man sie dann mit ihm alleine lassen?
„Wollen sie nicht wissen, wie ich, als einziger Mann, all das gleichzeitig an mehreren Orten zustande gebracht haben will? Nun gut, Sie sind ein wenig irritiert, nehme ich an. Ich will es Ihnen erzählen:
Mir ist es gelungen eine Substanz her zu stellen, die bei Kontakt mit Wasser fürchterlich explodiert. Ich brauche nur wenig von dem Pulver, habe es in ein Fach in den rechten Schuh gefüllt, dass sich durch einen Druck des großen Zehs öffnen lässt und so bin ich dort gewesen, fiel ja nicht auf, wegen meiner Geschäftsreisen, habe das Pulver schön verteilt. Dann musste ich nur noch das Problem mit dem Wasser lösen. Alle diese Gebäude haben automatische Berieselungsanlagen, die bei Feuer sofort aktiv werden. Also brauchte ich ein Feuerchen, das sie auslöst, wenn ich nicht mehr da bin. Das war, gebe ich zu, anfangs ein Problem. Da fiel mir die brennbare Luft meines ehemaligen Kollegen im Geldverdienen aus Paris ein. Der hatte im 19. Jahrhundert mit Luft experimentiert, war ebenso gut ausgestattet wie ich und fand heraus, wie man diese Luft herstellt. Jetzt brauchte ich nur Behälter, die um eine bestimmte Uhrzeit sich öffneten, durch ein Papier in Brand gerieten und schon mußte es klappen. Ja, es klappte wirklich. Nur gegen die Saudis, diese von uns allen fett gemästeten Wüstenscheichs mit ihrem abgedrehten Salafistenwahn trauten sich nicht mal die USA endlich vor zu gehen. Da habe ich meinen größten Coup gestartet.“
Sie wusste, was kommen würde. Das fürchterliche Massaker in Mekka wo Tausende in den Flammen umkamen und der gleichzeitige Horrorbrand im Palast der Scheichs.
Dieser Mensch vor ihr behauptete mit seiner sanften, klaren Stimme alle diese Menschen auf dem Gewissen zu haben. Es war nicht so, dass sie besonders sozial oder mitfühlend eingestellt wäre, dafür hatte sie zu lange in seinen Kreisen verkehrt und sich abgesehen. Aber das hier, war dann doch zu viel. Jetzt kam nicht Wut, jetzt kam Ekel in ihr hoch und eine große, tiefe, schwarze Verzweiflung und ehe sie sich über alles auch nur einen Gedanken mehr gemacht hatte, war sie aufgestanden, an sein Fußende vom Bett getreten, hatte es mit einem Ruck von der Wand geschoben, auf die Balkontür zu. Der Kerl war einfach zu glaubwürdig in seiner ganzen Art und alles klang zu logisch. Entschlossen knallte sie das Bett gegen die Tür. Da ließ eine Stimme in ihrem Rücken sie entsetzt herumfahren. Er sprach!
Sein Kopf hing an der gleichen Stelle wie zuvor, war nicht mitgefahren, lächelte, sah sie an, sprach, sprach! Sie konnte es nicht fassen und glaubte ihren Sinnen nicht mehr trauen zu können.

„Verwundert Ingrid? Erschrocken? Oh, das wollte ich nicht. Ich dachte, Sie brechen hier bei mir am Bett zusammen oder beschimpfen mich einfach. Respekt, keine Minute gezögert, ihre Ihnen so wertvolle Erde von dem Monster zu befreien. Chapeau!“
Sie keuchte, spürte eine Ohnmacht nahen, der gewaltig aufflammende Zorn in ihr wirbelten alle Gedanken durcheinander. Wo zur Hölle war sie hier gelandet?

Als sie wieder zu sich kam, spürte sie Schmerzen am Hals und im Kopf. Irgendetwas drückte ihr auf die Haare und im Nacken mussten irgendwelche Schläuche stecken. Von ihrem Körper spürte sie nichts. Mühsam versuchte sie ihre Augen zu öffnen und den Kopf zu drehen. Aber es ging nicht. Da hörte sie wieder diese Stimme eines Alptraums.

„Ingrid, so schnell geht das nicht. Sie müssen es erst noch lernen.“
„Was?“
„Na, ihren Kopf ohne Hals und diesen Plunder unter dem Kinn zu bewegen.“
„Was wollen Sie damit sagen, Sie Arschloch! … Hilfe, Hilfe, Nein! Ich will hier raus!!!“
„Ingrid, das geht doch nicht. Sie müssten dann sterben. Nur hier können Sie als „Kopf-only“, ja so habe ich das Ergebnis genannt, lustig nicht wahr und so zeitgemäß, im Marketing war ich immer besonders gut, also nur hier können sie leben. Der Rest der Menschheit weiß nichts von der Methode und wird es auch nicht erfahren. Viel zu teuer für die Masse der armen Schlucker und die reichen Mitgesellen will ich hier auch nicht auf Dauer um mich haben.“

Während er sprach, spürte sie zu ihrer Verwunderung, dass ihr Schreien mehr ein Reflex ihres Gehirns gewesen war, aber nicht von den altbekannten Gefühlen der Angst oder der Wut begleitet. Sie fühlte, ja was, eigentlich gar nichts. Dafür erlebte sie die Gedanken als Gefühle, Stolz, Liebe an der Klarheit und sowas. Sie würde sich neu sortierten müssen. Immerhin war sie am Leben, nicht verbrannt wie seine Opfer.

„Jetzt Ingrid, muss ich noch zu meinem letzten großen Schritt kommen. Der Schritt der zuerst mich und nun auch Dich, für mich ein totaler Gewinn, das wirst Du noch selbst merken, geführt hat.
Diese Reiserei war doch arg umständlich und laut meinem Arzt würde ich demnächst sterben wegen so einer blöden Leber, die uns beiden nun keinen Kummer bereiten kann. Einfach eliminiert! Ist das nicht klasse.“


Ihr Kopf wollte doch tatsächlich dazu nicken, nur gut dass sie es noch nicht konnte. So ein Arsch. Sie Überlegte, ob solche medizinischen Zauberer ihr nicht auch ihren Körper wieder zurück zu ihrem geliebten Körper bringen könnten. Mit Annähen und so. Müsste doch einfacher sein, viel einfacher, als einen Kopf ohne Körper leben zu lassen.

„Und so setzte ich alle meine Recourcen ein, um das hier zu Stande zu bringen. Unser Herz ersetzt eine Maschine, ein spezieller Ableser leitet unsere Gedanken um zu Reaktionen des Kopfes und so können wir viel länger leben. Wie lange weiss ich nicht, da normalerweise ja der Herztod unser Leben beendet und das unsere ist reperaturfähig, modernisierbar, also eher ewig. Ob Du es glaubst oder nicht, ich darf doch jetzt Du sagen, wo wir in einer einzigartigen Schicksalsgemeinschaft im wahrsten Sinne des Wortes fest hängen, Du wirst Dich gewöhnen, glaube mir, jedenfalls war die Ewigkeit dabei gar nicht mein Ziel.
Ich war fasziniert von den neuen Erkenntnissen über unser Gehirn. Und habe sie optimieren lassen, den Begriff kennst Du sicherlich, und zwar ganz einfach: ich suchte den Weg nur durch meinen Kopf in andere Systeme ein zu dringen und sie durch mein Denken zu verändern, vor allem, denn das ist noch immer das einfachste, sie zu zerstören. Positive Signale zu senden über derart festgefahrene komplexe Systeme erscheint mir fast aussichtslos. Aber vielleicht schaffen wir das ja zusammen. Wäre doch was, oder nicht?“
Sie schwieg, versuchte weiter ihr Gehirn sich nutzbar zu machen. Viel mehr hatte sie ja auch nicht und Ohren und Mund ihm jetzt zur Verfügung zu stellen, war nun wirklich zu viel von ihm verlangt. Was bildete dieser abgefahrene Kopf sich überhaupt ein, sie ebenfalls in einen Kopf zu verwandeln als seine Partnerin. War sie das überhaupt noch, eine Partnerin ohne weiblichen Körper. Kann ein Kopf für sich allein weiblich oder männlich sein? Wurde der nicht sächlich? Und hatte er nicht was von Essen gesagt, dieser makabre Wirtzkopf? Und was sollten sie nun mit tapas, cross- over oder cross-nicht anfangen?
„Verstehe Dich, zu Beginn war für mich die Umstellung zuerst auch nervenraubend, ja Nerven haben wir noch! Aber dafür habe ich mein erstes Experiment mit Erfolg abgeschlossen! Wir können es uns gemeinsam ansehen. Ich kann inzwischen viel, zum Beispiel mit meinen Gedanken den Bildschirm an der Wand aktivieren.“
Sagte es kaum, da flimmerte der große Bildschirm schon los. Sie sah einen Nachrichtensprecher und hinter ihm die Deutsche Bank.
„Hörst Du es, sie können keine Börsendeals mehr machen. Das war ich! Das war ich! Nur mit meinem blöden Kopf hier!“
Ingrid fiel Sigrid ein. Sie hatte wahrscheinlich inzwischen das Signal von ihrem Pieper empfangen, das automatisch los geht, wenn sie nicht in bestimmten Abständen seinen Sensorknopf berührt.
„Ich befürchte meine Sekretärin wird gleich hier auftauchen,“ sagte ihre Stimme so gut wie emotionslos. Auch daran musste sie sich gewöhnen. Sie wollte nicht wie eine ... Maschine sprechen. Vielleicht konnte sie das trainieren, sprach er doch auch anders. Andererseits, einen Kopf zu überwältigen konnte doch kein Kunststück sein und dann mit Presse drohen und alles rückgängig machen lassen. Merkwürdig, nur ihr Verstand ratterte das wie auf einer Schreibmaschine, nicht aber, ja was, das „Gefühl“ des Gehirns?
„Sie werden es in den nächsten Tagen nicht in den Griff bekommen, dank meines Gehirns. Ist das nicht phantastisch?“
Ihr blödes Gehirn sagte doch glatt „Ja!“ und bekam sogar ein Nicken mit ihrem Kopf hin.
„Ach ja, ihre Sekretärin. Ich hatte sie unter Kontrolle, dachte ich. Schnappt sich ihren Anteil und verzieht sich. Aber die blöde Tante ist doch tatsächlich auf dem Weg hierher.“
„Was haben sie mit ihr vor?“ Ihre Stimme klang nicht nur sachlich, sie spürte, dass ihr empfinden für ihre Sekretärin ihrem Gehirn bereits abhandenkam.
„Schon passiert. Ich denke, sie wurde Opfer eines tödlichen Unfalls an einer Kreuzung, an der plötzlich die Ampeln verrücktspielten.“
Sie schrie „Nein!“, spürte zugleich, dass es nur noch Reflex war, nicht echt.
„Ach so, Du dachtest, Sie würde hier rein stürmen, mir den Mund stopfen, das Personal mit der Presse und ihrem live geschalteten Handy erpressen Dir wieder Deinen für mich so nutzlosen Körper an zu nähen?“
Ihr Gehirn ließ sie schon wieder nicken,. Es gelang noch besser als beim ersten Mal.

„Ich kann Dich trösten Ingrid! Ich lasse mir alle zwei oder drei Tage einen neuen Körper bringen, länger halten die noch nicht, leider. Sind wir aber dran. Auch Frauenkörper, ja, habe zum Beispiel in meinem Bett gerade Deinen Körper liegen. Einfach schön, scharf, eine Wucht. Mein Gehirn hat seine eigene Erotik, verstehst Du. Du wirst sie auch noch entdecken. Wir sind soweit, dass wir sie mit Elektronen ausstatten können und die gehorchen meinem Gehirn. Wenn deine Sigrid hier herein gekommen wäre, hätte ich diese Burschen geholt.“
Sie schaffte es sogar den Kopf in seine Richtung zu drehen. Ihr Gehirn reagierte als wenn sie eine „eins“ geschrieben hätte. 

Da sah sie durch die Tür Körper ohne Köpfe treten, nackte Männerkörper und ihr Geist gab sich vorübergehend wieder auf.
Beide hatten erigierte Penisse. Sie traten vor ihr Bett und schwenkten ihre Geschlechtsorgane vor ihrem Kopf, der von dem Luftzug leicht ins pendeln kam.

Der Mann neben ihr lachte, lachte so laut, dass zwei Schwestern in das Zimmer gestürzt kamen, um nach zu sehen was los war.

„Nichts ist los“, beruhigte Rudolf Vermeer sie, „nur der alltägliche Wahnsinn!“ Sie hörten ihn noch lachen, als sie längst wieder in ihrem Bildschirmraum bei der Oberärztin saßen. Die drehte an einigen Knöpfen.

Zu den anderen gewandt sagte sie feixend: „Mal sehen wie Frau Vermeer reagiert, wenn sie mitbekommt, dass ich durch den Kopf von Rudolf Vermeer mit ihr kommuniziere. Strafe muss für die Verbrechen dieses Rudolfs schließlich sein. Dieser Bankblödsinn war jedenfalls sein letzter Streich. Uns gehört nun sein Kopf, sein Geld und mit der ansonsten überflüssigen Edelnutte Vermeer  werden wir in der Forschung noch gewaltigere weitere Fortschritte machen!“
Die Schwestern sahen sie verängstigt an. Ihnen war der ganze Ablauf noch immer nicht geheuer. Was, wenn ihre Chefin auch nicht mehr alle Schrauben locker hatte, wie dieser Rudolf Vermeeren?

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