Hiermit möchte ich mich ausdrücklich bei all denen entschuldigen, die diesen Text hier unten, gestern im Laufe des Tages (nicht am Abend, Gott sei Dank) von mir verfasst, gelesen haben. Ich weiß selber nicht, wie es dazu gekommen ist, dass ich tagsüber ausgerechnet an so einem Tag einen Mann mir ausdenke, der gezielt Zivilisten in den USA mit Anschlägen tötet wie geschehen gestern Abend in Boston beim berühmten Marathon.
Wenn es auch andere Objekte sind (Kaufhäuser, Verwaltungsgebäude, Mekka), so macht mich die Ähnlichkeit des Ablaufs doch betroffen.
Ich wollte weder warnen noch voraus ahnen, nur einen Typus darstellen, überzeichnet und karikiert im Stile einer "black-story", mit Augenzwinkern bei den Gruselelementen. Dieser Spaß daran ist mir seit gestern Abend vergangen.
Es hätte leicht auch die Freundin meines Schwagers treffen können, die seit Jahren auch die großen Marathons läuft. Und wieder die alten Fragen, wer so etwas macht, warum, und die große Hilflosigkeit, genau das was wohl auch bezweckt werden soll mit solchen Anschlägen. Diese sind, weder in Geschichten wie in diesem Fall meiner, noch in der Realität zu entschuldigen, verharmlosen oder zu "verstehen" im Sinne von "verständlich"!
Eigentlich dachte ich gestern Morgen nur an meinen leider verstorbenen Freund Werner Koch, Gefangener der Nazis in Sachsenhausen, Widerständler in den Reihen der "Bekennende Kirche".
Der hatte gegen Ende seiner Tage in unseren letzten Gesprächen und seinen öffentlichen Auftritten immer wieder vor dem "Irrationalismus" in der Welt gewarnt, der sehr viel schwerer zu überwinden oder zu bekämpfen sei als die Nazis, denen er entkommen war.
Diesen Grundgedanken habe ich in einer weiteren Variante darzustellen versucht.
Heute möchte ich diese Geschichte am liebsten löschen, lasse sie nach einiger Überlegung aber bewusst stehen, als Zeuge für mögliche schreckliche Parallelitäten im Leben, die geschehen können.
Mein Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen. Möge es möglichst wenige ihr weiteres Leben verderben.
Und Dank an Sie hier im Internet, die sich bereitfinden, diese Erklärung von mir zu lesen.
Sie
hatte schon viel erlebt in diesem Beruf, sich gegen viele Irrwege klug
abgesetzt und war so eine der erfolgreichsten in ihrem Gewerbe geworden,
zumindest in dieser Stadt und die nannte sich, wenn auch ein wenig prahlerisch,
immerhin Weltstadt.
Ingrid Vermeeren, für diesen Namen hatte sie sich bereits
mit 17 Jahren frisch aus der Provinz hierhergekommen, für alle Zeit
entschieden. Ihr gefiel er und sie sich besser mit diesem als mit ihrem, nach
Gülle und Bauernkate müffelnden alten.
Aber
das Angebot, dass ihr Büro ihr diesmal vorlegte, war so neu, so ungewöhnlich,
dass sie im ersten Moment sprachlos war. Sigrid, die Sekretärin schaute sie
versonnen an und meinte nur:
“Ich
weiß, klingt wahnsinnig, aber die Überweisung ist schon auf dem Konto.“
„Eine
Millionen Euro, dafür, dass ich einen Mann im Krankenhaus beglücke? Der muss
wirklich krank sein.“
Trotz
des hohen Betrages verspürte sie eigentlich keine Lust dorthin zu gehen. Sie
machte sauberen Sex, Begleitservice auf hohem Niveau, hatte schließlich
Kunstgeschichte studiert und Philosophie, beides brotlose Kunst aber in ihrem
Job durchaus verwertbar. Sie war überall vorzeigbar, fiel nie berufsmäßig auf,
konnte im Gespräch mit jedem mithalten und wusste ihre Überlegenheit gut zu
tarnen, besaß den Charme, den sich manches Hollywoodsternchen gewünscht hätte
und die Ausstrahlung einer Magret Thatcher, wenn es darauf ankam.
Und
nun sollte sie wegen einer Million, das auch noch als Anzahlung von vier
weiteren, die nachkommen sollten, im Krankenhaus einen Mann beglücken.
Irgendetwas schien ihr daran ober faul.
„Was
soll Dir im Krankenhaus passieren, bei all den Ärzten und Krankenschwestern.“
„Der
liegt doch privat.“
„Ja
und?“
„Der
wird dafür sorgen, dass wir alleine sind oder meinst Du der ist Exhibitionist
und zahlt deswegen so viel?!“
Sigrid
sah nur das viele Geld, von dem sie auch einen Happen abbekommen würde, wenn
auch nur kleinen und rechnete sich bereits aus, dass das Geld für den dringend
benötigten neuen Flitzer reichen würde und der Urlaub wäre auch noch
vorfinanziert.
Ingrid
Vermeeren verdiente gut, sogar bestens aber auch sie könnte sich mit den Millionen noch ein paar offene Wünsche leichter finanzieren. „Gut, ich gehe. Was
solls. Ist viel Geld.“
Im
Krankenhaus wurde sie zu einer Villa über eine vollverglaste Brücke geführt,
gelangte mit der Krankenschwester, die stumm neben ihr lief und etwas
verunsichert wirkte, in einen Umkleideraum. Ihr wurde dort ein weißer Kittel
ausgehändigt, den sie über ihre Garderobe streifen sollte. Ingrid Vermeeren musste
lächeln, schließlich erwartete sie ein Mann zu einer Tätigkeit, bei der ein
Kittel mehr im Wege sein würde.
Sie
ließ den obersten Knopf auf, damit ihr Auftraggeber wenigstens den Ansatz der
Brüste sehen konnte und folgte den Anweisungen der Schwester, die sich damit
weiterhin sichtlich verlegen, von ihr verabschiedete und sie alleine den Gang
weiter gehen ließ. Ingrid dachte, dass es sicherlich auch für das Krankenhaus
eine äußerst delikate Geschichte war, die sicherlich nicht häufig vorkam.
Das
Zimmer war einfach zu finden. Wahrscheinlich der ehemalige Salon, dachte sie
beim Öffnen der einen Flügeltür. Sie kam zu ihrer Verwunderung zwar in einen
großen hellen Saal, der nach außen hin mit einer großen Glastür vor einem
Balkon abschloss, ansonsten aber wie ein normales Krankenzimmer wirkte, das
heißt mehr wie eine Intensivstation.
Der
Mann schien sie nicht zu erwarten. Er lag zu ihrer Rechten im Krankenbett, den
Rücken aufgerichtet, die Hände über der Decke gefaltet, die Augen geschlossen. Sein
Gesicht wirkte entspannt, war erwartungsgemäß etwas blass und spitz, schien
schön und mit Würde ausgestattet durch das Leben gekommen zu sein. Gefiel ihr.
Ein Erfolgsmensch, dachte sie, einer, der mit sich im Reinen war.
Neugierig und ganz im Gegensatz zu ihren
sonstigen Einsätzen etwas aufgeregt trat sie näher.
„Setzen
Sie sich doch! Da muss ein Sessel sein!“ Die Stimme kam plötzlich, kaum dass
sich seine Lippen bewegten, aber sanft und gewohnt zu bestimmen, „delegieren“
dachte sie, „neudeutsch“.
Der
Sessel, ein in die Jahre gekommenes Exemplar aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts,
stand vor der Balkontür. Sie hob ihn hoch und wunderte sich, wie leicht er war.
Sie
stellte ihn vor das Bett, so dass sie mit dem Rücken zur Tür zu sitzen kam.
Als
sie ihre Hand zu dem Mann vorstreckte, sah sie wie die Sonne kleine
Blitzlichter auf ihre Armhärchen warf und dass sie demnächst dringend wieder ins Sonnenstudio
musste. Eigentlich mochte sie es nicht, denn sie hasste Untätigkeit. Aber für
ihr Geschäft tat sie halt, was sein musste.
„Ingrid
Vermeeren“, stellte sie sich vor, obwohl ihr klar war, dass er ihren Namen
kannte, schließlich hatte er ausdrücklich sie bestellt und nicht eine aus ihrem
Katalog, denn sie hatte zur Absicherung drei junge Frauen, ebenfalls
Akademikerinnen wie sie, im Angebot.
„Trude
Buschulte!“ sagte seine Stimme ruhig.
Woher
wusste der Kerl ihren richtigen Namen? Also ging es ihm um Macht! Solche Männer
und Spielchen ödeten sie an. Er verlor erheblich an Sympathiewerten bei ihr.
„Nein,
das war einmal. Sie haben mich geordert, Ingrid Vermeeren.“ Sie sagte es kühl
und kurz, sah ihm dabei direkt dorthin, wo seine Augen noch immer geschlossen
waren, als wolle er sie nicht sehen. „Außerdem bin ich gewohnt, dass man mich
ansieht, so schlecht sehe ich nämlich nicht aus“, fügte sie hinzu, um ihn aus
der Reserve zu locken.
Der
Mann schlug tatsächlich die Augen auf, klare, blaue Augen mit nur wenig Trübung
in der Farbe, für sein Alter ungewöhnlich fand sie.
„Auch
wenn Sie dafür auf 5 Millionen verzichten müssten Trude?“
„Ja!“
Das kam kurz und scharf und im gleichen Moment stand sie auf nicht ohne den
Blick von seinen Augen zu lassen. Es ödete sie wirklich an, so ein albernes
Spielchen.
„Sie
gehen also? Einfach so? Nur wegen ihrem schönen Namen? Was haben Sie gegen ihn?“
„Nichts
und alles. Vor allem aber: Das geht Sie nichts an!“
Sie
drehte sich tatsächlich um und war bereit zu gehen.
„Halt,
verehrte Frau Vermeeren. Nun seien Sie doch nicht gleich beleidigt.“
Sie
drehte sich zu ihm, sah ihn an.
„Ich
bin nicht beleidigt. Ich habe nur meine Prinzipien und auf Machtspielchen stehe
ich nicht. „
„Ist
gut, tut mir leid. Können Sie mir verzeihen und wir fangen noch einmal von
vorne an?“
Sie
zögerte, ließ jetzt selber ihre Macht spüren, setzte sich aber dann doch
wieder.
„Danke,
Ingrid, darf ich doch? Sie Ingrid nennen?“
„Ja,
warum nicht. Und wie darf ich Sie nennen?“
„Rudolf!“
„Schön
Rudolf, und was machen wir jetzt? Ich wüsste gern den Grund ihres Auftrags. Ich
bin hier und bin ehrlich gespannt. Normalerweise komme ich zu Empfängen, Messen
oder Geschäftsessen dazu.“
„Ich
weiß, Ingrid. Ich weiß. Sind sie nicht neugierig auf meinen Nachnamen?“
„Der
Auftrag kam von Heinz & Co KG, ich nehme daher an, sie sind der Eigentümer
und damit der Heinz?!“
„Eigentümer
ja, aber kein Heinz, nein, ein Vermeeren.“ Und dabei lachte er leise, leicht
glucksend in alter Männer Manier.
Sie
sah ihn an, ob er sie jetzt wieder verarschen wollte.
„Nein,
das stimmt, Ingrid. Ich bin Rudolf Vermeeren, Erbe eines großen Vermögens, das
mir gelang erheblich zu vermehren. Wie es der Name halt sagt, nehme an,
deswegen hat der Ihnen auch so gefallen. Sie vermehren auch gerne, nicht wahr?!“
Ein
Spaßvogel befand sie, einer der immerhin noch etwas Humor besaß. Über diese Bedeutung
des Namens hatte sie tatsächlich noch nie nachgedacht, war ihr auch nicht
aufgefallen. Aber ganz so Unrecht hatte er nicht, im Nachhinein betrachtet.
„Liebe
Ingrid, ich möchte mich einfach erstmal mit Ihnen unterhalten, wie Ihre anderen
Auftraggeber auch. Sie müssen das Ambiente hier entschuldigen und um diese
Tageszeit Alkohol nehmen Sie wahrscheinlich ja auch nicht!“
Sie
nickte, wieder ruhig und routiniert eingestellt auf seine Wünsche.
„Häppchen
kommen in einer Stunde, habe mir erlaubt ein paar Schweinereien zu ordern,
etwas ausgefallene Tapas, die mögen Sie doch bestimmt, mit Meeresfrüchten und
allerlei verspielten Schnickschnack, die haben hier für mich eine ausgezeichnete
cross-over-Küche!“
Sie
öffnete einen weiteren Knopf. Es war warm in dem Saal, die Sonne schien jetzt
stärker herein.
„Wollen
Sie die Vorhänge zu ziehen, Ingrid, ist ihnen zu warm?“
Sie
schüttelte den Kopf. Aus irgendeinem Grund war ihr nicht wohl bei dem Gedanken
die Sonne aus zu sperren.
„Dann
will ich Ihnen jetzt erzählen, was noch kein Mensch von mir erfahren hat und
auch nie erfahren wird. Nein,“ er lächelte, „auch von Ihnen nicht. Da bin ich
mir bei Ihnen sicher.“
Es
wirkte nicht einmal arrogant wie er das so sagte. War sich einfach sicher und
das mochte sie an Männern, selbstverständliche unaufgesetzte Sicherheit.
„Sie
erinnern sich an die Kaufhausbrände letztes Jahr in den USA?“
Wer
nicht, dachte sie. Plötzlich brannten am helllichten Tag fast gleichzeitig über
dreißig Kaufhäuser und bis heute wusste man nicht, wie es genau gemacht worden
war, hatte auch keine Beweise hinsichtlich Täter, geschweige denn die Täter
gefunden. Trotzdem waren militante Moslems verdächtigt und beschuldigt worden,
auch wenn es bis heute kein Bekennerschreiben gegeben hat. Also sagte sie brav:
„Ja.“
„Das,
liebe Ingrid, war ich. Ich Rudolf Vermeeren, der den Namen so gerne trägt wie
Sie. Geschockt?“
„Was
meinen Sie mit - das wären Sie - ?“
Ingrid
wurde wieder etwas unruhig und auch der Zorn begann sich wieder ganz klein zu
melden.
„Ich
habe diese Kaufhäuser in Rauch aufgehen lassen. Und wissen sie warum? Damit die
endlich konsequenter gegen diese verdammten Terroristen vorgehen.“
Dazu
fiel ihr nur ein „Aha!“ ein.
„Sehen
Sie Ingrid, ich bin Hobby-Chemiker, Geld dafür habe ich genug und irgendein
Hobby sollte auch ein erfolgreicher Geschäftsmann haben, oder was meinen Sie? Golfen
ist doch mehr Business heutzutage als Erholung.“
Sie
nickte, wie er es wohl zu erwarten schien. Draußen sah sie einen Vogel vorbei
fliegen, eine Elster, dachte sie. Eine diebische Elster.
„Aber
es kam nur zu Getöse, da habe ich die nächste Aktion durchgeführt. Sie erinnern
sich bestimmt, ihre größte Bank, ihr größtes Versicherungsunternehmen und die Zentralen von drei Mineralölkonzernen abgefackelt.“
Auch
an diese Ereignisse konnte sie sich wie jeder im Lande gut erinnern. Auch
danach lief das gleiche Muster ab: Keine Spuren, keine Täter aber die
Terroristen angeklagt. Sie saß jetzt bewegungslos, hatte keine Lust etwas zu
sagen oder eine Regung zu zeigen. Zwar war sie es gewohnt, dass die Männer
meist allerlei Blödsinn von sich gaben, selbst die erfolgreichsten konnten es
nicht lassen, zu prahlen. Aber dieser Vermeeren hatte auf jeden Fall einen ganz
eigenen Vogel. Vielleicht war der gar nicht körperlich …, Scheiße, war der
vielleicht hier in der Psychiatrie? Aber würde man sie dann mit ihm alleine
lassen?
„Wollen
sie nicht wissen, wie ich, als einziger Mann, all das gleichzeitig an mehreren
Orten zustande gebracht haben will? Nun gut, Sie sind ein wenig irritiert,
nehme ich an. Ich will es Ihnen erzählen:
Mir
ist es gelungen eine Substanz her zu stellen, die bei Kontakt mit Wasser
fürchterlich explodiert. Ich brauche nur wenig von dem Pulver, habe es in ein
Fach in den rechten Schuh gefüllt, dass sich durch einen Druck des großen Zehs öffnen
lässt und so bin ich dort gewesen, fiel ja nicht auf, wegen meiner Geschäftsreisen,
habe das Pulver schön verteilt. Dann musste ich nur noch das Problem mit dem Wasser
lösen. Alle diese Gebäude haben automatische Berieselungsanlagen, die bei Feuer
sofort aktiv werden. Also brauchte ich ein Feuerchen, das sie auslöst, wenn ich
nicht mehr da bin. Das war, gebe ich zu, anfangs ein Problem. Da fiel mir die
brennbare Luft meines ehemaligen Kollegen im Geldverdienen aus Paris ein. Der
hatte im 19. Jahrhundert mit Luft experimentiert, war ebenso gut ausgestattet
wie ich und fand heraus, wie man diese Luft herstellt. Jetzt brauchte ich nur
Behälter, die um eine bestimmte Uhrzeit sich öffneten, durch ein Papier in
Brand gerieten und schon mußte es klappen. Ja, es klappte wirklich. Nur gegen
die Saudis, diese von uns allen fett gemästeten Wüstenscheichs mit ihrem
abgedrehten Salafistenwahn trauten sich nicht mal die USA endlich vor zu gehen.
Da habe ich meinen größten Coup gestartet.“
Sie
wusste, was kommen würde. Das fürchterliche Massaker in Mekka wo Tausende in
den Flammen umkamen und der gleichzeitige Horrorbrand im Palast der Scheichs.
Dieser
Mensch vor ihr behauptete mit seiner sanften, klaren Stimme alle diese Menschen
auf dem Gewissen zu haben. Es war nicht so, dass sie besonders sozial oder
mitfühlend eingestellt wäre, dafür hatte sie zu lange in seinen Kreisen
verkehrt und sich abgesehen. Aber das hier, war dann doch zu viel. Jetzt kam
nicht Wut, jetzt kam Ekel in ihr hoch und eine große, tiefe, schwarze
Verzweiflung und ehe sie sich über alles auch nur einen Gedanken mehr gemacht
hatte, war sie aufgestanden, an sein Fußende vom Bett getreten, hatte es mit
einem Ruck von der Wand geschoben, auf die Balkontür zu. Der Kerl war einfach
zu glaubwürdig in seiner ganzen Art und alles klang zu logisch. Entschlossen
knallte sie das Bett gegen die Tür. Da ließ eine Stimme in ihrem Rücken sie
entsetzt herumfahren. Er sprach!
Sein
Kopf hing an der gleichen Stelle wie zuvor, war nicht mitgefahren, lächelte,
sah sie an, sprach, sprach! Sie konnte es nicht fassen und glaubte ihren Sinnen
nicht mehr trauen zu können.
„Verwundert
Ingrid? Erschrocken? Oh, das wollte ich nicht. Ich dachte, Sie brechen hier bei
mir am Bett zusammen oder beschimpfen mich einfach. Respekt, keine Minute
gezögert, ihre Ihnen so wertvolle Erde von dem Monster zu befreien. Chapeau!“
Sie
keuchte, spürte eine Ohnmacht nahen, der gewaltig aufflammende Zorn in ihr
wirbelten alle Gedanken durcheinander. Wo zur Hölle war sie hier gelandet?
Als
sie wieder zu sich kam, spürte sie Schmerzen am Hals und im Kopf. Irgendetwas
drückte ihr auf die Haare und im Nacken mussten irgendwelche Schläuche stecken.
Von ihrem Körper spürte sie nichts. Mühsam versuchte sie ihre Augen zu öffnen
und den Kopf zu drehen. Aber es ging nicht. Da hörte sie wieder diese Stimme
eines Alptraums.
„Ingrid,
so schnell geht das nicht. Sie müssen es erst noch lernen.“
„Was?“
„Na,
ihren Kopf ohne Hals und diesen Plunder unter dem Kinn zu bewegen.“
„Was
wollen Sie damit sagen, Sie Arschloch! … Hilfe, Hilfe, Nein! Ich will hier
raus!!!“
„Ingrid,
das geht doch nicht. Sie müssten dann sterben. Nur hier können Sie als „Kopf-only“,
ja so habe ich das Ergebnis genannt, lustig nicht wahr und so zeitgemäß, im
Marketing war ich immer besonders gut, also nur hier können sie leben. Der Rest
der Menschheit weiß nichts von der Methode und wird es auch nicht erfahren.
Viel zu teuer für die Masse der armen Schlucker und die reichen Mitgesellen
will ich hier auch nicht auf Dauer um mich haben.“
Während
er sprach, spürte sie zu ihrer Verwunderung, dass ihr Schreien mehr ein Reflex
ihres Gehirns gewesen war, aber nicht von den altbekannten Gefühlen der Angst
oder der Wut begleitet. Sie fühlte, ja was, eigentlich gar nichts. Dafür
erlebte sie die Gedanken als Gefühle, Stolz, Liebe an der Klarheit und sowas. Sie
würde sich neu sortierten müssen. Immerhin war sie am Leben, nicht verbrannt
wie seine Opfer.
„Jetzt
Ingrid, muss ich noch zu meinem letzten großen Schritt kommen. Der Schritt der
zuerst mich und nun auch Dich, für mich ein totaler Gewinn, das wirst Du noch
selbst merken, geführt hat.
Diese
Reiserei war doch arg umständlich und laut meinem Arzt würde ich demnächst
sterben wegen so einer blöden Leber, die uns beiden nun keinen Kummer bereiten
kann. Einfach eliminiert! Ist das nicht klasse.“
Ihr
Kopf wollte doch tatsächlich dazu nicken, nur gut dass sie es noch nicht
konnte. So ein Arsch. Sie Überlegte, ob solche medizinischen Zauberer ihr nicht
auch ihren Körper wieder zurück zu ihrem geliebten Körper bringen könnten. Mit Annähen
und so. Müsste doch einfacher sein, viel einfacher, als einen Kopf ohne Körper
leben zu lassen.
„Und
so setzte ich alle meine Recourcen ein, um das hier zu Stande zu bringen. Unser
Herz ersetzt eine Maschine, ein spezieller Ableser leitet unsere Gedanken um zu
Reaktionen des Kopfes und so können wir viel länger leben. Wie lange weiss ich
nicht, da normalerweise ja der Herztod unser Leben beendet und das unsere ist
reperaturfähig, modernisierbar, also eher ewig. Ob Du es glaubst oder nicht,
ich darf doch jetzt Du sagen, wo wir in einer einzigartigen
Schicksalsgemeinschaft im wahrsten Sinne des Wortes fest hängen, Du wirst Dich
gewöhnen, glaube mir, jedenfalls war die Ewigkeit dabei gar nicht mein Ziel.
Ich
war fasziniert von den neuen Erkenntnissen über unser Gehirn. Und habe sie
optimieren lassen, den Begriff kennst Du sicherlich, und zwar ganz einfach: ich
suchte den Weg nur durch meinen Kopf in andere Systeme ein zu dringen und sie
durch mein Denken zu verändern, vor allem, denn das ist noch immer das
einfachste, sie zu zerstören. Positive Signale zu senden über derart
festgefahrene komplexe Systeme erscheint mir fast aussichtslos. Aber vielleicht
schaffen wir das ja zusammen. Wäre doch was, oder nicht?“
Sie
schwieg, versuchte weiter ihr Gehirn sich nutzbar zu machen. Viel mehr hatte
sie ja auch nicht und Ohren und Mund ihm jetzt zur Verfügung zu stellen, war
nun wirklich zu viel von ihm verlangt. Was bildete dieser abgefahrene Kopf sich
überhaupt ein, sie ebenfalls in einen Kopf zu verwandeln als seine Partnerin. War
sie das überhaupt noch, eine Partnerin ohne weiblichen Körper. Kann ein Kopf
für sich allein weiblich oder männlich sein? Wurde der nicht sächlich? Und hatte er nicht was von Essen gesagt, dieser makabre Wirtzkopf? Und was sollten sie nun mit tapas, cross- over oder cross-nicht anfangen?
„Verstehe
Dich, zu Beginn war für mich die Umstellung zuerst auch nervenraubend, ja
Nerven haben wir noch! Aber dafür habe ich mein erstes Experiment mit Erfolg
abgeschlossen! Wir können es uns gemeinsam ansehen. Ich kann inzwischen viel,
zum Beispiel mit meinen Gedanken den Bildschirm an der Wand aktivieren.“
Sagte
es kaum, da flimmerte der große Bildschirm schon los. Sie sah einen
Nachrichtensprecher und hinter ihm die Deutsche Bank.
„Hörst
Du es, sie können keine Börsendeals mehr machen. Das war ich! Das war ich! Nur
mit meinem blöden Kopf hier!“
Ingrid
fiel Sigrid ein. Sie hatte wahrscheinlich inzwischen das Signal von ihrem Pieper empfangen, das automatisch los geht, wenn sie nicht in bestimmten
Abständen seinen Sensorknopf berührt.
„Ich
befürchte meine Sekretärin wird gleich hier auftauchen,“ sagte ihre Stimme so
gut wie emotionslos. Auch daran musste sie sich gewöhnen. Sie wollte nicht wie
eine ... Maschine sprechen. Vielleicht konnte sie das trainieren, sprach er doch
auch anders. Andererseits, einen Kopf zu überwältigen konnte doch kein
Kunststück sein und dann mit Presse drohen und alles rückgängig machen lassen.
Merkwürdig, nur ihr Verstand ratterte das wie auf einer Schreibmaschine, nicht
aber, ja was, das „Gefühl“ des Gehirns?
„Sie
werden es in den nächsten Tagen nicht in den Griff bekommen, dank meines
Gehirns. Ist das nicht phantastisch?“
Ihr
blödes Gehirn sagte doch glatt „Ja!“ und bekam sogar ein Nicken mit ihrem Kopf
hin.
„Ach
ja, ihre Sekretärin. Ich hatte sie unter Kontrolle, dachte ich. Schnappt sich
ihren Anteil und verzieht sich. Aber die blöde Tante ist doch tatsächlich auf dem Weg
hierher.“
„Was
haben sie mit ihr vor?“ Ihre Stimme klang nicht nur sachlich, sie spürte, dass
ihr empfinden für ihre Sekretärin ihrem Gehirn bereits abhandenkam.
„Schon
passiert. Ich denke, sie wurde Opfer eines tödlichen Unfalls an einer Kreuzung,
an der plötzlich die Ampeln verrücktspielten.“
Sie
schrie „Nein!“, spürte zugleich, dass es nur noch Reflex war, nicht echt.
„Ach
so, Du dachtest, Sie würde hier rein stürmen, mir den Mund stopfen, das
Personal mit der Presse und ihrem live geschalteten Handy erpressen Dir wieder
Deinen für mich so nutzlosen Körper an zu nähen?“
Ihr
Gehirn ließ sie schon wieder nicken,. Es gelang noch besser als beim ersten
Mal.
„Ich
kann Dich trösten Ingrid! Ich lasse mir alle zwei oder drei Tage einen neuen
Körper bringen, länger halten die noch nicht, leider. Sind wir aber dran. Auch
Frauenkörper, ja, habe zum Beispiel in meinem Bett gerade Deinen Körper liegen.
Einfach schön, scharf, eine Wucht. Mein Gehirn hat seine eigene Erotik,
verstehst Du. Du wirst sie auch noch entdecken. Wir sind soweit, dass wir sie
mit Elektronen ausstatten können und die gehorchen meinem Gehirn. Wenn deine
Sigrid hier herein gekommen wäre, hätte ich diese Burschen geholt.“
Sie
schaffte es sogar den Kopf in seine Richtung zu drehen. Ihr Gehirn reagierte
als wenn sie eine „eins“ geschrieben hätte.
Da sah sie durch die Tür Körper
ohne Köpfe treten, nackte Männerkörper und ihr Geist gab sich vorübergehend
wieder auf.
Beide
hatten erigierte Penisse. Sie traten vor ihr Bett und schwenkten ihre
Geschlechtsorgane vor ihrem Kopf, der von dem Luftzug leicht ins pendeln kam.
Der
Mann neben ihr lachte, lachte so laut, dass zwei Schwestern in das Zimmer
gestürzt kamen, um nach zu sehen was los war.
„Nichts
ist los“, beruhigte Rudolf Vermeer sie, „nur der alltägliche Wahnsinn!“ Sie
hörten ihn noch lachen, als sie längst wieder in ihrem Bildschirmraum bei der
Oberärztin saßen. Die drehte an einigen Knöpfen.
Zu
den anderen gewandt sagte sie feixend: „Mal sehen wie Frau Vermeer reagiert,
wenn sie mitbekommt, dass ich durch den Kopf von Rudolf Vermeer mit ihr
kommuniziere. Strafe muss für die Verbrechen dieses Rudolfs schließlich sein. Dieser
Bankblödsinn war jedenfalls sein letzter Streich. Uns gehört nun sein Kopf, sein
Geld und mit der ansonsten überflüssigen Edelnutte Vermeer werden wir in der Forschung noch gewaltigere weitere
Fortschritte machen!“
Die
Schwestern sahen sie verängstigt an. Ihnen war der ganze Ablauf noch immer
nicht geheuer. Was, wenn ihre Chefin auch nicht mehr alle Schrauben locker hatte, wie dieser Rudolf Vermeeren?
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