Mittwoch, 31. Juli 2013

Der Kandidat

Er ist mein nicht zu verdrängender, von mir aus gesehen, unfreiwilliger Favorit, mein Kandidat wie eine Pille vom Arzt verordnet. Ich kann nichts dafür. Er schon.
Meine Partei hat ihn dafür gewählt und in das Rennen geschickt. Und so rennt er nun, mal so, mal  anders, wird hier fotografiert, dort gefilmt, mal darf er einfach so redend erscheinen vor uns, mal soll er dem Reporter antworten, dann darf er mal die Hände schütteln, die Menschen anlachen, auf Podien mit Mikrophon auf seine Einsätze warten und was halt so getrieben wird in einem Wahlkampf in dem es um alles geht, wie es ja jedes Mal um alles geht, das Land, die Welt, die Wirtschaft, das Wetter.
Er tut mir leid, vor allem hätte ich ihn nicht ausgewählt. Das taten andere, Medienmenschen, wie auf Knopfdruck präsentierten sie ihn, der eigentlich schon weg vom Fenster war, jedenfalls von erstrebenswerten Ämtern, der rumreisen durfte und in Hotels übernachten auf Kosten anderer, Reden halten vor Gutbetuchten, die ihn nicht nur gut bezahlten sondern auch herzlich applaudierten zu seinen Worten und an den von ihm so erhofften, richtigen Stellen auch lachten.
Mächtige Männer und ein paar wenige mächtige Frauen, Banker, Industriekapitäne (mit und ohne Patent für die hohe See). Und er glaubte ihnen ihre Sympathie und Achtung für ihn, glaubte den Geldflüssen auf seinem Konto, fühlte sich als ehemaliger Minister des reichen, kleinen Landes ihnen fast ebenbürtig, aufgenommen im Kreis der klug und richtig Handelnden, der Erfolgreichen und Schönen. Glaubte er.
So ließen es die Medienmenschen die Menschen des Landes ebenso glauben und so stieg er auf einer Sympathiewelle plötzlich höher und höher, bis seine, also auch meine Partei, nicht mehr anders konnte, als ihn zu ihrem, meinem Kandidaten zu küren.
Er hat das Pech gehabt, dass irgendwann in grauer Vorzeit ihm mal Menschen zugehört haben und gelacht und dafür Stimmen gegeben haben. Seitdem redet er so, dass er immer auf Punkte kommt, egal bei welchem Thema. Lachen muss bei seinen Vorträgen sein. Er ist dabei nie wirklich witzig, eher hämisch, sarkastisch, versucht den Lacher dort zu setzen, wo sich alle in einem, seinem Boot fühlen, schlauer, gewitzter und mehr auf dem Punkt als die anderen Redner, Politiker, dekorierten oder selbst ernannten Schlauköpfe im Lande. Neben dem Gelächter überbrachten ihm die Köpfe der Zuhörer daher jedes Mal auch ein kräftiges Nicken der Köpfe ein. Und so zieht er nun durch die Lande und versucht zu punkten, zielt auf Gelächter und Kopfnicken und plötzlich, nun wo er der Kandidat ist, der laut Medienmenschen der einzige, beste und denkbare Kandidat sei für die große alte Partei, erntet er selber Häme und statt Kopfnicken Kopfschütteln, wird wie ein Runnig Gag durch die Medien gescheucht, karikiert, verlacht, nach unten getreten.
Vielleicht hatte er vergessen die schönen Geschichten und Märchen seiner Kinderzeit, oder sie sind ihm nie vorgelesen worden, er wirkt auch nicht wie einer, der Märchen mag. gibt sich anti märchenhaft, obwohl er dabei doch nur wie ein Märchenonkel alter Schule rüber kommt. Ja, die Märchen in denen die Mächtigen, die Könige sich Hofnarren hielten, ahnungslos wohl war er selber einer geworden, von Einladung zu Einladung mehr, war begeisterter Besserwisser geworden mit originellen Ausdrücken und Satzwendungen, hatte sich an den Höfen gesonnt und wäre besser dabei geblieben, als sich als Narr auf den Weg zu machen Kalif zu werden anstelle der Kalifin.
Bei alledem ist er nicht dumm und hat durchaus Substanz in seinem Denken und Handeln. Aber es nützt ihm nichts, da er es nicht dabei belässt, Sache und Inhalte wirken zu lassen. Er wirkt getrieben, zu sehr nach den Big Points schielend, als dass man ihm seine Kompetenz und Fähigkeit zum Kalifen noch abnehmen mag oder kann.
Vor allem da die Medienmenschen nur auf Ausrutscher, Gags und Zoten bei ihm warten und alles andere von ihm mit Missachtung und Schweigen strafen. Sie geben ihm keine Chance, da der Unterhaltungswert seiner Show-Einlagen angeblich die Leser mehr interessiert, andere meinen zu interessieren hat, als seine ernsthaften Bemühungen, seine Sicht auf unser Land, die Erde, die Wirtschaft und das Wetter, seine Pläne damit, seine Lösungen.
Und so zieht der Wahlkampf über das Land wie ein Gewitter mit Wetterleuchten in der Ferne, gelegentlichen Wolkenbrüchen, aber ohne Blitz und Donner wie es sich für ein richtiges Sommergewitter gehört und im Herbst soll gewählt werden, wenn die Blätter fallen und die Gewitter seltener sind.
Und die, die vorher schrieben, sprachen, kommentierten „nur der kann es!“, die werden schreiben, sprechen, kommentieren: „Der konnte es nicht, war der falsche Mann“. Und er wird wieder zu Hause sein, sich die Wunden lecken und auf die Einladungen warten. Vielleicht geht er noch selber als Gewitter in die Medien, beschimpft diese und seine Partei, klagt über Dolchstöße, Unfairness gegen und Hängenlassen des Kandidaten. Vielleicht werden sie es noch schreiben, in Filmchen zeigen, kommentieren, vielleicht mit ein wenig schlechtem Gewissen aber dann steht schon wieder Weihnachten vor der Tür und es warten andere Geschenke auf sie.
Nein, mein Kandidat ist mein Kandidat nicht, weil ich genau das vorher gesehen habe, mir gar nichts anderes vorstellen konnte, wenn ich ihm auch gewünscht hätte, und mir und meiner Partei, er möge es schaffen, sich anders zeigen, umkrempeln sich selber, bevor er es mit dem Land versucht, ja gehofft hatte ich. Blieb mir ja auch nichts anderes übrig.
Ich bin jetzt auch nicht enttäuscht von ihm. Er kann ja nicht wirklich was dafür. Er ist wie er ist, mein Kandidat und die Medienmenschen sind wie sie sind und die Mächtigen, die das Schauspiel mit bezahlen und arrangieren und vielleicht auch mal dirigieren sind auch wie sie sind und nichts ist überraschend oder sonderlich ausgefallen. Eben nur dumm gelaufen und der Zufall lacht sich kaputt über unsere Naivität an ihn zu glauben.

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