Mittwoch, 20. Juli 2011

Flaschenpfand oder der Wandel der Zeiten

In der Biegung
meiner Strasse
das rotdunkle Haus
zurückgesetzt,

aber ein Gang
der sich lohnte
5-mal die Woche
Pfandgeld, dazu ein Kaugummi

fürs Leergut vom Nachbarn
6 Flaschen retour
2 Tage ging er selbst,
am Tresen zu saufen

das macht der
hieß es in der Straße
seitdem die Frau
was "schmeckte", "verkam"

im Krieg den Uniformen
hinterherlief und so
fremde Worte
mit bösem Klang

für mich damals
und heute noch
frage ich mich
was für Uniformen

und wer verfällt
wem und wem
und was noch
und wer

erhält heute
das Flaschenpfand
* * *


Simenon, Chandler, Highsmith, Ambler, Hans-Jörg Martin, KY, Sjöwall/Walhöö einst in Buchhandlungen beim Stöbern entdeckt und verschlungen. Wie gute Freunde warteten sie auf mich in ihren Verlagen, die von weitem erkennbar wohl aufgereiht die Bretter der Regale besetzten, später Drehtürmen ihre Farbe und ihren Charakter gaben. Suhrkamps Farben war zu vertrauen. Aktuelle Weltliteratur, Nobelträchtig. Diogenes, die Großen der Kriminalliteratur. Rowohlt, die In-Bücher, die aktuellen Politischen. Die Rückkehr der deutschen Autoren zu ihren Lesern und deren Wirklichkeit. Nichts davon wartet heute auf mich. Keine alten Bekannten grüßen mich. Ich hetze von Autor zu Autor, von Schweden nach Dänemark, dann nach Norwegen und zurück in das Allgäu, nach Frankfurt und in die Eiffel.  Verlage verheißen nichts Gutes mehr. Keine Drehständer oder Regalreihen, die mich sicher geleiten. Da wird Diogenes zwischen Knauer und DTV gequetscht. Suhrkamp müffelt neben Goethes Balladen vor sich hin im Versteck. Rowohlt erkennt man kaum noch. Bei Ullstein hätte ich früher abgewinkt. Was ist da noch zu entdecken. Keine Brandungen mehr, diese schönen Kleinverlage mit ihrem Mut zu unbekannten Autoren, keine schönen Ozeane mehr, mit ihren tausendfach bekannten und besprochenen Titeln, keine Gebirge mehr wie Diogenes. Alles nur noch eine unförmige, charakterlose Farbmasse von Buchrücken und Umschlägen. Was hier steht, soll schnell wieder raus und ist schon bald nicht mehr auffindbar. So verlieren wir die Geschichte der Bücher, ihren Zusammenhang, wie ein Buch auf dem vorherigen aufbaut. Was hilft mir da der Kaffee und der Sitzplatz zum Stöbern, wo es doch wenig Stöberkram gibt.
Der Dialog der Bücher über die Jahrzehnte hinweg ist nicht mehr sichtbar, ihre Herkunft vernebelt. Ein Trost immerhin: trotzdem werden noch immer Bücher gekauft und gelesen. Nur seine Heimat hat der Bücherfreund verloren, denn die bestand aus den unzähligen, charakterstarken Buchläden überall im Land. Egal wo der Bücherfreund einkehrte: die Welt bliebt ihm vertraut und bot doch immer genügend Raum für Entdeckungen.
Das Internet ist kein Ersatz. Da kann man nichts in die Hand nehmen, in Ruhe blättern und ein Gefühl zum Werk aufbauen. Hier erfahre ich nur, welches arme Schwein auch auf diese Art Buchentdeckung angewiesen ist und wie er/sie den Fund bewertet hat. Raus hier, hin zu den letzten Lädchen und Antiquariaten. Guntram Vesper geht schon lange hauptsächlich zu letzteren. Er ist Schriftsteller und wird wissen warum.

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