Montag, 25. März 2013

Der Befreier




„Der Pulverdampf verzieht sich nicht. 2000. 1950. 1900. Immer Pulverdampf. Nur bei John Wayne verzieht er sich, um einem Filmende im Sonnenschein Platz zu machen. Interessiert dich das, mein Freund, mein Wohltäter, mein Finder? Was bist du eigentlich? Was willst Du wirklich von mir. Allen reicht es, meine Würste zu essen. Der eine braucht dazu Senf, der andere Ketchup. Nur Du willst mehr. Siehst Du in mir Dein Würstchen? Rot oder Kackbraun, welcher Belag schmeckt Dir?
Du hast Dich ein paar Mal mit mir gut unterhalten. Gut. Sei zufrieden. Du wunderst Dich, warum so einer wie ich in der Fußgängerzone Würstchen verkauft. Nur Würstchen. Keine Pommes, keine Pizza, nichts von diesem modischen Finger Food.
Wäre es Dir lieber, ich würde Panzer verkaufen und Handgranaten? Lache nicht mein Freund. Das hätte ich tun können. Und Sprengstoff und Gewehre.
Ich war ein Verkäufer der Wahrheiten und ein Verkäufer der Lügen. Klingt das gut in Deinen Ohren? Sehr prosaisch? Sehr lyrisch?
Ich war ein Poet, mein Freund. Ein Sänger der Liederlichkeiten. Glaubst Du das? Nimmst Du mir das ab?
Warum sollte man sich mit einer wandernden Würstchenbude nicht unterhalten, nicht scherzen können? Weil ich so ein Dach über dem Kopf trage, diesen Fliegenpilzkopf? Weil ich meine Bude auf den Schultern mit mir herumschleppe? Weil ich überall stehe und nirgends?
Zuerst gefiel Dir mein Arbeitsgerät. Mehr als die Wurst. Und Du hast mich gefragt, ob der Grill vor meinem Bauch mir nicht zu heiß würde. Na gut. Das weiß ich jetzt von Dir. Und daß Du wißbegierig bist, in meinem Leben herum gucken möchtest. Die ewige gleich blöde Frage verfolgt Dich, wie so einer dahin kommt, in meinem Fall unter den Fliegenpilz mit tragbarem Grill vorm dicken Bauch. Dieser Bauch kommt nicht von den Würstchen. Das sei Dir verraten. Der kommt vom Saufen, vom Schlemmen, vom Leben halt und ein klein bißchen vom Alter. Ja doch, vom Alter. John Lennon wäre jetzt auch so ein fetter Opa. Also gönne mir mein Alter. Das kriegt man wenigstens einfach so.
Einfach so. Das habe ich immer gesucht. Einfach so. Nichts ging einfach so. Überall war so ein Pferdefuß dran. Und jetzt eben ein Grill unter der Nase. Aber dafür immer die gleichen Bratwürste, die gleichen drei Fußgängerzonen, die gleichen Zeiten der Ablöse. Nur die Kollegen wechseln manchmal. Gelegentlich haben wir auch Frauen. Meist mutige Studentinnen.
Aber die Würstchen sind harmonisch, liegen friedlich nebeneinander, brutzeln freundlich, entsenden ihren heißen Atem. Lauter gute Freunde und totes Fleisch, hinüber, Abfall, Fraß. Ich kenne viele Friedhöfe. In den Würsten sehe ich manchmal die Gesichter, die Grimassen, nicht nur der Toten.
Auch die Lebenden finden sich ein auf meinem Grill. Manchmal muß ich grinsen. Manchmal weinen, tue ich aber nicht. Nicht viel jedenfalls. Die Leute denken dann, es käme vom Rauch. Ja, dafür ist mein Grill herrlich geeignet: ich kann bei der Arbeit heulen. Wo kann man das heute? Aber trotzdem: wer heult schon gerne vor soviel Leuten. Dann trauen sich die Leute nicht ran und meine Würstchen verbruzzeln. Wenn ich gut verkauft habe, kann ich dann soviel heulen, wie ich will. Das Geschäft geht vor.
Beim zweiten Mal schon wolltest Du meinen Namen wissen. Das fand ich nicht gut. Ehrlich aufdringlich. Mit der fünften Wurst habe ich ihn dir dann gegeben.
Was heißt Katkowski? Ich hatte es geahnt. Mein Name alleine würde Dir nicht reichen. Dir nicht. Wie die Würstchen wolltest Du ihn, mit Beigabe. Die Beigabe gab es bei der zehnten Wurst.
Es ist eine Stadt. In Polen. Vielleicht kamen meine Vorfahren daher, wollten nicht mehr dort in den Gruben schuften. Vielleicht. Weiß es nicht, hat mich auch nie interessiert. So wenig, wie meine Eltern und Großeltern es interessiert hat oder dass wir eigentlich Polen waren aus Polen, hatten uns zum Deutsch Sein entschlossen, das war es. Wir haben nie darüber gesprochen.
Nein, ich bin kein Pole. Kein direkter jedenfalls. Mein Großvater war das noch, zumindest gebürtig. Ja der kam da her. Hockte als kleiner Junge auf dem großen Treck in das Wirtschaftswunderland. Was das alles mit dem Pulverdampf zu tun hat? Mein Würstchendampf ist mir lieber. Das hat es damit zu tun.
Mein Großvater hatte Glück, entkam dem großen Pulverdampf, blieb Straßenbauer. Ihn hatte der Krieg lieb. Aber er nicht den Krieg und den Pulverdampf. Alle Katkowskis haben ihn verflucht. Wir mögen die Gänse, ihr Fleisch am Heiligabend. Die gibt es nicht im Krieg. Auch die Gänseriche gedeihen nur gut im Frieden. Da werden sie schön fett.
Du siehst: ich bin einen weiten Weg gegangen, vom dicken, fetten, ausgestopften Gänserich zum platzenden Würstchen aus Knochenmehl, Fleischresten und billigen Gewürzen.
Siehst Du mich nun morgen mit anderen Augen, wenn ich Dir den Ketchup auf dein Würstchen klecker? Ich sehe schon, Du wirst mich weiter fragen und von den Würstchen so dick werden wie einst unsere Weihnachtsgänse.“

Ein Brief! Erstaunliche Worte einer wandelnden Würstchenbude.
Im Frühling habe ich ihn das erstemal gesehen. Es waren diese schönen Sonnentage.
In den Redaktionen gab es keine neuen Ideen für mich. Ich war eigentlich arbeitslos. Wenn ich nicht schon immer arbeitslos gewesen wäre.
Meine Eltern hatten nach einem Autounfall etwas Geld hinterlassen, daß durch ein paar gute Transaktionen jetzt für die nächsten Jahre reichen wird.
Ich war noch auf dem Gymnasium, als das geschah, und in der Phase, in der jeder von mir wissen wollte, worauf ich denn nun hinsteuere. Ich wußte es nicht. Ich weiß es immer noch nicht.
Da kam das Geld gerade recht. Ich konnte studieren, ohne mir je Gedanken darüber machen zu müssen, ob ich hinterher auch Geld damit verdienen könnte. Seit fünf Jahren vertreibe ich mir die Zeit mit Artikeln, Reportagen, kleinen Geschichten. Katkowski kam mir gerade recht.
Meine Freundin hatte mich verlassen. Ich war ihr zu langweilig, zu ziellos. So hatte ich viel Zeit, keine störenden Pläne und konnte mich dem Typen ganz widmen. Nur seine Würste schlagen mir jedesmal auf den Magen. Das nehme ich als notwendige Qualen hin. Auch ich will mal leiden. So albern das klingt: so kann ich meiner Ex etwas näher sein, obwohl ich gar nicht scharf darauf bin, sie zurück zu bekommen.
Sie wollte ständig bei mir sein, mit dem Effekt, daß sie gar nicht mehr zu mir kommen will. Katkowski kann ich mir aussuchen. Habe ich Lust auf ihn, bummel ich durch die Innenstadt, bis ich ihn finde. Finde ich ihn nicht, hat er frei und ich gehe zu Slavo etwas Vernünftiges essen.
Ich bin mir sicher, dass Katkowski das hat, was mir durch den frühen Tod meiner Eltern fehlt: Geschichte, Vergangenheit und Wurzeln. Ich habe nur Geld und Gegenwart. Ich genieße beides. Bin wahrscheinlich sogar ein typischer Vertreter meiner Generation, Single, wirtschaftlich gut gestellt, familienunabhängig.
Bin aber trotzdem neugierig darauf, wie die Menschen fühlen aus der Zeit ohne Singles. Ich habe ja nicht einmal Geschwister oder eine Familie, keine Onkels, keine Tanten, keine Großeltern, keine Cousins. Manchmal weiß ich nicht, wie ich eigentlich auf diese Welt kommen konnte.
Meine Eltern haben mir nur erzählt, daß sie aus der DDR geflohen waren und dort unsere Familien geblieben wären, nicht viel und darum auch keine Trauer wert. Mutter hatte ihren Vater dort, der nur gesoffen, heimlich auf das Regime geschimpft hätte und öffentlich als großer Diener aufgetreten wäre. Mein Vater hat nie etwas erzählt. Keiner mehr da, hat er nur gesagt. Nach der Wende bin ich wohl los, habe auch die Redaktionen und Organisationen bemüht, aber nichts erfahren. Auch mein Großvater ist irgendwie verschwunden. Vielleicht gab es ihn gar nicht.
Katkowski hat Familie. Alles und viel davon. Da bin ich sicher. Oder er hatte sie. Und er will erzählen. Er kokettiert nur, wenn er sich alles stückchenweise aus der Nase ziehen läßt. Ich weiß, daß er erzählen wird. Er ist der geborene Erzähler, er, der früher über die Marktplätze gezogen wäre und erzählt hätte, daß es den Leuten schwindelig wird. Diese Jobs gibt es nicht mehr. Darum verkauft er Würstchen. Aber er sucht noch die Marktplätze, durchwandert unsere Stadt an den alten Gemäuern entlang. Er braucht Zuhörer. Ich werde sein Zuhörer sein, sein Marktplatz.
Als ich ihn sah, dachte ich nur: bekloppt. Wie kann ein Mensch heute so rumlaufen. Er war in ein Gestell gezwängt, das vorne aus einem Grill mit Ablage, hinten einer Kühltasche und an den Seiten aus Halterungen für Senf- und Ketchupbehältern bestand. Das ganze war durch weiße Stangen verbunden, die unten vier Beine mit kleinen Rädern hatten und durch zwei Tragegurte mit seinem fetten Schultern verbunden waren. Katkowski ist nicht sehr groß und so kann er das Gestell sowohl rollen als auch tragen. Ein Rätsel war mir, wie er mit seinen Massen in das Gestell hineinkommt. Vier Stangen tragen über ihm einen runden Schirm aus rotem Stoff mit weißen Punkten. Sieht aus wie ein Fliegenpilz. Einfach albern, einen Mann in so etwas zu stecken.
Ihn stört es nicht. Ich sehe es daran, wie er den Blickkontakt aufnimmt. Er sieht jedem in die Augen. Freundlich, ernst und bescheiden. Es wirkt ein wenig so, als würde er sich etwas klein machen, auf die Ebene seines Gastes herunterbeugen, dabei ist er, wie schon erwähnt, keineswegs groß, höchsten 1 Meter 75, eher 70.
Als Single liebe ich es, wenn mich die Leute angucken. Zu Hause guckt mir keiner in die Augen. Nicht einmal Tiere. Ich müßte ja für sie da sein, meine Zeit nach ihnen richten. Kein Bedarf.
Katkowski ist von sich aus da, meistens. Aber selbst sein Ausbleiben hat angenehme Seiten. Es zeigt mir, daß er frei ist, frei von mir. Ich muß ihn nicht ernähren. Wecke keine Erwartungen.
Dass kann sich natürlich ändern, wenn ich ihn erzählen lasse. Vielleicht braucht er dann den Zuhörer permanent oder ich muß Termine einhalten. Ich habe ihn deswegen gebeten, wenn wir uns nicht treffen, mir zu schreiben. Ich werde nicht zurückschreiben. Er will auch keine Post von mir. Hat mich noch nicht ein einmal zu meinem Leben befragt.
Er ist ideal und ich bin neugierig auf die weitere Entwicklung.

„Heute war der Verkauf schlecht. Zu heiß. Habe eher Schluß gemacht. Jetzt sitze ich am Computer. Das hättest Du nicht gedacht, wetten? Ja, ich bin ein moderner Mensch. Kenne mich mit Computern und Software aus. Dachtest Du, ich würde mit der Hand schreiben? Mit Bleistift?
Ich sehe Dich vor mir: Er verkauft Würstchen, läuft als Fliegenpilz rum und hat Ahnung von Computern. Wieso, warum, weshalb. Wer nicht fragt, ja der ist alt. Wo war das? Sesamstreet nicht wahr. Haben wir Euch hinterlassen. Gut zum Kinder Quälen. Der, Die Das, ist wirklich kein Spaß. Kennst Du Kinder, die durch die Sesamstraße schreiben gelernt haben? Ich sage Dir, die Kinder lernen, Buchstaben und Zahlen zu hassen. Sie warten nur auf Ernie und Bert und das Krümelmonster wie sie das ganze Alphabet wegschlabbern.
Warum schreibe ich Dir eigentlich? Du bist wie irgendwer, wie jeder heute, in allem. Nur mit dieser Neugierde. Und die werde ich befriedigen, dass es Dir schlechter wird, als von meinen Würsten. Meinst Du, ich sehe nicht, wie Du die Dinger runter würgst? Du wirst noch viel mehr würgen.
Ich möchte Dich satt machen, Deine Neugierde ersticken. Kennst Du den Film "Das große Fressen". Du bist noch zu jung. Wenn er mal kommen sollte im Fernsehen, sieh ihn dir an. Das habe ich mit dir vor, deren Schicksal wird das Deine. Du sollst Dich erlaben, dann würgen und kotzen und doch weiter fressen.
Irritiert? Angeekelt? Ist halb so schlimm. Glaub mir, Freund und ich kenne, wie Du schon weißt, viele Friedhöfe.

Weißt Du, was wir gemeinsam haben: kein Wochenende. Ich nicht, weil die Würstchen jeden Tag gefressen werden, Du nicht, weil Du keine Arbeitswoche hast. Dir geht es wie Pipi Langstrumpf, die in die Schule geht, um endlich einmal Ferien zu haben. Du aber hast keine Ferien, nur mich. Ich weiß das.
Ja, Fragen! Du liebst wie viele die Fragen. Ihr haltet Fragen für ein Zeichen von Intelligenz. Wer nicht fragt bleibt dumm. Aber ihr liebt die Fragen nicht. Ihr benutzt sie nur, um Eure bescheuerten Antworten zu bekommen. Die Fragen sind bei Euch die Sklaven der Antworten. Nie laßt ihr sie frei. Auch ich werde nicht drum rum kommen, Dir Antworten zu geben. Aber noch mehr Fragen wirst Du kriegen. Säckeweise. Ich liebe die freien Fragen. Eure sklavischen Fragen hasse ich. Sie vernichten die Freiheit des Erkennens. Sie parken mit ihren Antworten alles zu, wie Beton pflastern sie diese Welt zu. Darum braucht Ihr die Computer: sie müssen euren Antwortmüll schlucken. Woanders ist kein Platz mehr.

Ich bin nicht sauer. Ich tue nur so. Es macht mir im Gegenteil Spaß, Dir so zu schreiben, weil ich Dich vor mir sehe, gierig auf Geschichten, Erlebtes. Und du bekommst erst mal nur dies. Aber Du hast Zeit. Du wirst warten. Warte nur.“

Wow, der zweite Brief schon. Es geht los! Er ziert zwar sich weiter mit etwas über sich raus zu rücken. Es macht ihm sichtlich Spaß, mich damit zu quälen. Interessante Züge, die er da verrät. Aber das ist nur Show. Er hat noch Angst. Wahrscheinlich ist er zutiefst verwundet. Oder er schämt sich. Mal abwarten. Die letzten zwei Würste haben sogar geschmeckt.

Der norddeutsche Winter fegt durch die Fußgängerzonen. Würstchen verkauft jetzt der Weihnachtsmarkt vor Dom und Rathaus. Mein Freund, ich will ihn ab jetzt so nennen, ist umringt von mindestens 30 Gaffern. Er zaubert. Seine Hände entwirren Metalldrähte zu Rosen, Tulpen, Pfauen und Hunden. Sogar einen Pegasus holt er hervor. Alle für 5 Mark das Stück.

"Wo sind Deine Würstchen?"
"Verkauft jetzt der Weihnachtsmarkt."
"Um 8 Uhr bei Winkelmann?"
Er nickt nur. Also um 8.

Ich setze mich gleich zu Winkelmann. Die vier Stunden vergehen schnell. Interessante Leute, Spiegel, Stern und Focus durchgearbeitet. Er kommt mit der ganzen Kälte herein marschiert. Sein schwarzer Schlapphut hat Ohrenwärmer. Interessant, in dieser Stadt noch nicht gesehen. Schwarz ist heute mal wieder seine Lieblingsfarbe. Fällt aber nicht auf damit. Zurzeit ist das Mode. Bei ihm Stil. Beim Hinsetzen sehe ich seinen Bauch. Er müht sich. Und versteht meinen Blick.

"Vor ein paar Jahren war ich mager. Tendenz Untergewicht."
"Wo wohnst Du eigentlich?"
"In einem Haus."
"Das hatte ich angenommen."
"Nein, ich meine Haus. Ich bewohne ein ganzes Haus."
"Du allein?"
"Ja, ich allein. Weit weg von dieser Stadt, in einem kleinen Dorf neben einer kleinen Stadt."
„Und was machst Du dort so allein? Hast Du einen Garten?“
„Nein, einen Wald, rund um das Haus wächst ein Wald. Und was ich dort mache? Na was schon? Ich sammle Leichen.“
„Leichen?“
„Ja, wer keinen Bock mehr hat auf diese angeblich Beste von allen Welten, kann bei mir vorzeitig seine Ruhe finden. Ich verbrenne sie dann und verbuddel die Urnen unter den Bäumen.  Darauf stecke ich kleine Fähnchen mit ihrem Namen. „
„Aber die kommen doch freiwillig, ich meine, hilfst Du ihnen sich um zu bringen?“
„Nein, so würde ich es nicht ausdrücken.“
„Wie dann?“
„Ich bringe sie um. Es ist leicht als Würstchenverkäufer sie heraus zu finden. Und wenn ich ihr elendes Rumkrebsen nicht mehr ertragen kann, lade ich sie zu mir ein und erschieße sie. Es geht schnell, haben kaum Zeit sich zu wundern. „
„Du spinnst!“
„Warum, habe ich Dir nicht geschrieben, dass ich Dir Antworten geben werde, die Dir nicht schmecken werden?!“
„ Du bringst doch keine Menschen um! Du nimmst mich auf den Arm!“
„Wäre Dir das lieber?“
„Natürlich, nicht ganz. Du sollst mich nicht, also Du bringst mich jetzt etwas durcheinander.“
„Schön“
„Was machst Du wirklich, wahrscheinlich Bücher lesen!“
„Bücher? Benutze ich zum Verbrennen der Leichen. Die Leute werfen jetzt ja genug weg, wegen diesen Tabletts. „

„Tut mir leid, lieber junger Mann, dass unser Gespräch heute irgendwie ohne Ergebnis zu Ende gegangen ist.
Die folgende Frage hast Du vergessen mir zu stellen: Warum ich Dich nicht in das Haus eingeladen und dort erschossen habe. Ich will sie Dir trotzdem beantworten.  Du hast noch genügend Fragen und Neugierde in Dir. Wenn auch Deine Richtung nicht stimmt.
Begebe Dich mit Deinen Fragen und Deiner Neugierde  zu Dir selbst, in das ganze Leben hinein und sieh zu, dass Du etwas Sinnvolles treibst in diesem Leben, gehe unter Leute, aber frage sie nicht aus, beobachte sie einfach, genieße sie, rede und lache mit Ihnen. Das hilft Dir sicher raus aus Deinem einsamen Loch.
Wir Alten haben Euch Jungen hier nichts mehr zu erzählen. Wir wissen nicht mehr, was noch für Euch brauchbar sein könnte. Die Veränderungen und gutgemeinten Fortschritte sind uns nun mal etwas aus dem Ruder gelaufen und jetzt blickt halt keiner mehr durch.
Seit getröstet, wenn es denn gelingen könnte, Dich davon zu überzeugen: Fragen und Neugierde retten uns das Leben, in diesem Falle besonders Dir, aber sie sollten auch etwas hervorbringen, was mit Dir selber zu tun hat und von Dir weiter gestaltet werden kann.
So genug! Ich muss noch einen  Patienten verbrennen.  Er bekommt den letzten freien Baum. Meinen Umzug habe ich bereits vorbereitet. Ach ja, ich heiße natürlich nicht wirklich Katkowski. Es macht also keinen Sinn zur Polizei zu laufen.  Andere Städte und Menschen brauchen mich.
Nenne mich künftig, wenn Du mal an mich denken solltest, aber das wirst Du, einfach den Befreier. Erlöser wäre mir lieber gewesen, aber auf diesen Titel hat ja leider schon ein anderer sein Copyright für alle Zeiten angemeldet. Wünsche Dir gute Träume und ein sinnvolles Leben!““

Man hat ihn wirklich nie gefunden, allerdings glaube ich auch nicht, dass sie wirklich nach ihm gesucht und meine Geschichte geglaubt haben, trotz der Vorlage seiner Briefe.  Seitdem arbeite ich für eine Hilfsorganisation, die sich um am Leben verzweifelte und lebensmüde Menschen kümmert. Vielleicht kann ich so einige vor ihm und seinen Baumgräbern bewahren.
Wälder meide ich seitdem, da ich nicht durch sie gehen kann ohne nach seinen Fähnchen zu gucken, und ich weiß nicht, was ich tun würde, stieße ich tatsächlich einmal auf seine Hinterlassenschaft. Vielleicht will ich mir doch die Illusion bewahren, und eine Illusion ist es, so befürchte ich, dass er mich nur durch den "Kakao" gezogen hatte mit seiner Geschichte.
Manchmal wache ich nachts auf und bin schweißgebadet. Es ist immer durch den gleichen Alptraum: Ich sehe lauter Fähnchen unter Bäumen im Wind flattern, sehe ganz deutlich auf einem meinen Namen stehen. Und das flattert ganz besonders heftig als würde es mir zu winken.

(c) Bild und Text: Jörn Laue-Weltring 2013

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