Donnerstag, 10. April 2014

Fragment der Vergangenheit



Hätten wir wohl weniger gestritten zwischen den Generationen, nach diesem Krieg, nach diesen Teufelsjahren, hätten wir die Bilder geahnt, die Worte gefunden, wie sie so tief in uns lagen, dank ihrer unbewussten Übertragungs- und Verdrängungskünste, die uns quälten bei Nacht, uns quälten bei Tag, die qualvoll uns antrieben in der Nähe der anderen?
Hätten wir verstanden, wie Leid verbinden und Schuld teilbar sein kann oder wären wir uns erst recht an die Gurgeln gefahren, hätten wir gar zugedrückt?
Was trieb uns an und in dieser Weise?
Die Sehnsucht nach Schweigen im lauten Wortgeschacher, die Sehnsucht nach Sprache im Bunker des Schweigens?
Was trieb uns? Und was auseinander? Wie viel und was wäre uns und anderen erspart geblieben ohne diesen unbewussten Kampf?
Und was wäre auf der Strecke geblieben, könnte heute leuchten ohne diesen Widerstand, diesen Protest, diese Überschwemmung, die mehr hinweg spülte, als wir uns je hätten vorstellen oder vornehmen können?
Hätten wir einen Weg finden können, über all die Verbrechen und das Schweigen hinweg?
Und wer hätte das uns zumuten dürfen? Auf welchem Tablett wäre das gelandet, von wem serviert worden?
Wir waren wie wir geworden, gebracht worden sind, in auswegloser Lage schreiend, ohne äußeren Anlass wütend, Gefährten des Sturms, wenig zu packen mit Säuseleien und Schäfchenwolken als Erklärung für des Himmels blutrotem Schrei.

Wir, die angeblich glasklaren „68er“, als solche benennbar und einfassbare Generation, hätten wir weniger um uns geschlagen, zerbrochen, davon geblasen, hätten wir unseren Eigenanteil, das tiefe schwarze Loch in uns, das heimlich, unbewusst ererbte Loch der Vorfahren, das unserer lieben Verwandten und Bekannten, Eltern und Großeltern besser gekannt, erkannt, zerpflückt und ausgewertet?
Oder war es tatsächlich an uns, unausweichlich, ein Höllen- wie Himmelsdienst, den großen Schrei zu starten, das große Zerwürfnis, das ewige Generationsgemetzel mit Worten wie Gemeinheiten, so ungerecht wie möglich, so zynisch wie nötig, ein munteres, geistig anspruchsvolles Spiel vor der Schlacht, vor den Friedhöfen draußen, vor der Unabwendigkeit gewählter, genutzter Zeiten?
Waren wir getrieben oder trieb man uns? Welche Worte waren außen vor und warum wir? Die Erben, die Kinder, die Nutznießer, Frage: wovon?
Was für Zeiten, das steht fest mittlerweile fest, in denen Füße unter Tischen gleichbedeutend mit Gefangenschaft und Meinungsabgabe waren, mit Inzucht und Inzest, mit grabbelnden und drückenden, sich abreibenden Körperbehauptungen, mit Einvernahme und Drohungen, diesen Zeiten in denen Tische überhaupt hochgeschwungen wurden über Leben, diverse Schweinigeleien sowie Tod und Freiheit. Wie viele haben geschwiegen. Wie vielen hängt nach ihr Leid nach der Kapitulation, die auch Befreiung hätte heißen können?
Was für Zeiten? Was für Menschen? Was für eine versemmelte Kommunikation!
Und dies so viele Jahrzehnte lang!

(c) bild + text jörn laue-weltring bad wildungen 2014

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