Samstag, 30. März 2013

Gut, dass ich keine Gedichte schreibe










Gut, dass ich keine Gedichte schreibe, nur Wörter mal neben, mal untereinander.

Und die kommen gerne, vor allem im Schlaf, jedenfalls kurz vor seinem Ende, so bei dem Übergang zum Erwachen. Also meinem Tagesanfang.

Heute zum Beispiel bin ich leider nicht gleich aufgestanden. Im Kopf, noch beim Gähnen, aber schon drei wunderbare, preisverdächtige Komprimierungen des Lebens, der Liebe und der Wut, und das druckreif. Alles weg nach dem Frühstück. Ich sollte weniger essen oder auf jeden Fall später.

Würde ich Gedichte schreiben, so richtige mit Reim, Versmaß, Takt und Rhythmus, Jambus, Trochäus, Daktylus oder gar Anapäst, käme ich aus dem Feilen, Kneten, Finger ringen, Fäuste ballen, gegen die Stirn schlagen, den Bleistift weit werfen gar nicht mehr raus. Und würde vor allem von ihrem morgendlich frischen Auftauchen nichts mehr wieder finden und so auch nicht das bisschen von mir selbst, dass sie mir dabei immer mitbringen. Und das sind nette Geschenke, sage ich Ihnen, ja ja, auch mal weniger nett. Wir sind halt so.

Auch müsste ich nach dem Frühstück, noch besser nach dem Mittag, wenn keine Wörter mir in den Kopf krabbeln, sofort frisch vergnügt zusammen auf das Papier wollen, in gesitteter Sitzweise am Schreibtisch Platz nehmen und kritischen Auges meine kleinen, zugegeben bisweilen anarchisch und holprig da auf und untereinander sich vor Lachen den Bauch haltenden Gebilde, zu Leibe rücken, sie frisieren, ihnen ihre Hemden in die Hosen stopfen, die Krawatte binden und was es dergleichen noch mehr bei ihnen zu tun gäbe.

Ich müsste sie trainieren mit Messer und Gabel zu essen, den Löffel nicht am Tischtuch ab zu wischen und sich die kleinste, nicht die größte Portion auf den Teller zu füllen. Sie müssten lernen, sich vernünftig ein zu führen in der Gesellschaft, nicht gleich los zu plappern, andere zu Wort kommen lassen und nicht gleich jedem einen Witz zu erzählen.

Vor allem bei Kritik sich nicht an mir ein Beispiel zu nehmen, nicht gleich los zu heulen oder zu toben und sich in jahrelange Fehden zu begeben, die später in Büchern zusammengestellt die Germanisten in ihren Seminaren zerpflücken müssen.

Das bleibt nur dem Dichter selber vorbehalten.

Und das bin ich ja nicht.

Also bewege auch ich selber mich lieber still, abseits der Märkte und lasse meinen kleinen Freunden das Vergnügen, auf die weißen Flächen zu purzeln, sich dort zu verteilen, wie es ihnen beliebt.

Auch meine Frau ist froh, dass ich kein Dichter bin.

Sie mag gerne Brötchen am Morgen und mit denen sei es bei den meisten Dichtern ja wohl schlecht bestellt. Auch würde sie mich ganz gerne wenigstens gelegentlich etwas verstehen und keine Psychologen, Mythologen oder Grabforscher dafür bemühen müssen.

Es sei schon schön, wenn bei dem Mann, vor allem den eigenen Ehemann, ab und zu auch mal ein klar verständliches Wort heraus käme.

Ich habe den Verdacht, dass sie deshalb auch so viel Wert auf eine reichhaltige Küche legt und gesundes Gesamtgebaren von mir, damit mein Körper gar nicht erst in die Versuchung kommt, mich zum Hungerleider werden zu lassen.

Sie findet es schon schlimm genug, dass Modells und Skispringer heute so aussehen, als müssten sie jeden Tag Gedichte schreiben und zusammen stutzen.

Womit ich nichts gegen die Dichter an sich oder überhaupt gesagt haben will. Die besten meiner Freunde sind Dichter. Behaupten sie jedenfalls, wenn ich sie heimlich, weit weg von meiner Frau treffen oder im Internet kontakte.

Schließlich zähle ich mich nicht zu denen im Lande, die besonders viel von ihnen oder über sie wissen, außer über meine Freunde natürlich, deren Vorlieben für Rotwein oder Bier, chinesisches oder japanisches Essen.

Auch gebe ich gerne zu, dass ich sprachlich gesehen, vor allem sprachlich, etwas anderes ließe meine Frau gar nicht zu, Grotten faul bin, wobei ich zum Beispiel auch nicht weiß, woher dieser Ausdruck stammt, denn ich fühle mich selten wie eine Grotte.

Egal, ich bin, das haben Sie hoffentlich bemerkt, heil und froh kein Dichter zu sein, sein zu müssen oder nur im Traume einer zu sein. Ich schlafe mit zunehmendem Alter auch so schon schlecht genug.

Und, verzeihen sie meine vielleicht vulgäre Ansicht der Sache, ich genieße am Abend ungeheuer meine kleinen geilen Hervorkommer des Morgens.

Ja, so sollten sie heißen, das ist meine Form auf Papier mit der Welt zu quatschen: „Hervorkommer“. Ohne Ansehen der Form, des Inhalts oder Melodie.

Süße kleine, bisweilen bissige Hervorkommerleins!

Meine Frau ist begeistert und beruhigt, als ich ihr das berichte, hatte sie mich doch tatsächlich im Verdacht gehabt, dass ich in Wirklichkeit ihr das aber verheimlichend doch Gedichte schreibe. Nein, meine Liebste, Du kannst mir vertrauen: Ich bin wirklich und ehrlich froh kein Dichter zu sein und noch mehr, keine Gedichte zu schreiben.

Und jetzt hätte ich Appetit auf ein Brötchen mit Matjessalat.

Was für ein Gedicht, danke Schatz!

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