Meine
Frau und ich waren zeitlebens sehr vorsichtig, nicht ängstlich, aber
vorsichtig. Auch waren wir nicht geizig, wenn auch sparsam, stets auf das Wohl
unserer Familie bedacht und ihr Spielraum zu ermöglichen und zu erhalten.
Wir
haben stets gegeben, was zu geben war und uns eingebracht in der Gemeinde und
für das Land. Als es zum Beispiel hieß, unser Volk sterbe aus, haben wir uns
das dritte Kind zugelegt, so dass nun, wenn wir mal nicht mehr sein sollten, immerhin ein
Mensch mehr da ist wo wir zu zweit gewesen sind.
Unsere
Rente haben wir privat zusätzlich abgesichert, als es hieß das wir das müssten,
wollten wir im Alter nicht dem Staat zur Last fallen oder unseren drei Kindern.
Und
jetzt war es soweit, dass wir in Rente gehen konnten, mit Abzügen zwar, aber
unsere Firmen drängten schon länger auf unser Ausscheiden und schließlich
brauchen auch die Jungen vernünftige Arbeitsplätze.
Also
stimmten wir dem frühzeitigen Rentenbeginn inklusive der Abschläge auf den Rentenbetrag zu und gingen zur Bank. Der Angestellte dort hatte uns einst
beraten bei der Geldanlage und so begrüßten wir uns wie nette alte Bekannte. Er
bot uns Kaffee an. „Frisch gemahlen, wir haben jetzt auch eine Maschine für
Kaffee mit Creme.“
Er
tippte ein paar Mal auf seiner schwarzen Tastatur herum und sah etwas, was wir
nicht sehen konnten, da wir auf die Rückseite seines Bildschirms blicken mussten.
Das was er sah, schien ihm nicht zu gefallen. Er sah uns mit betrübten Augen
an.
„Wenn
sie zum jetzigen Zeitpunkt etwas für Ihre Rente dazu haben wollen, ja, dann, es
tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, sollten Sie noch einmal die gleiche
Summe investieren.“
Wir
sahen ihn etwas irritiert, aber noch nicht sehr beunruhigt an. Der Mann war schließlich
sportlich aber nicht übertrieben bänkerisch gekleidet, so in unseren Augen sehr
vertrauenswürdig, war ja außerdem im gleichen Schützen- und Sportverein wie wir
und unsere Kinder.
„Das
heißt?“
„Ja,
ich sagte schon, es tut mir wirklich leid, aber von Ihrer Einlage ist nur noch
ein Zehntel da. Sie wissen schon, der Börsencrash, die Finanzkrise, dazu die
niedrigen Zinsen zurzeit.“
„Ein
Zehntel?“
„Ja,
und da haben sie noch Glück gehabt, dass durch unsere konservative Anlageform
überhaupt noch etwas da ist.“
„Aber
sie haben uns doch gesagt, wir bekämen 15% Rendite jedes Jahr?!“
„Das
stimmt, bei Vertragsabschluss war es ja auch so. Aber die Zeiten! Wer hätte all
das vorsehen wollen?“
„Das
heißt, wir haben keinen nennenswerten Betrag, der unsere Rente ergänzt?“
„So
sieht es aus, ja. Aber wenn Sie die gleiche Summe, ich meine, wir, das heißt
die Bank, würden Ihnen auch entgegenkommen mit einem sehr zinsgünstigem Kredit.“
„Kredit?“
„Ja,
ich meine, falls Sie diese Summe nicht zur Verfügung haben sollten.“
„Damit
das Geld auch verschwindet? Halten Sie uns für verrückt?“
„Nein,
natürlich nicht, ich meine, so habe ich das nicht gemeint. Haben Sie denn noch
Reserven, die Sie uns zur Verfügung stellen könnten.“
Meine
Frau und ich sahen uns an und verstanden nur Bahnhof.
„Ja,
etwas haben wir noch, weil wir lieber zweigleisig fahren wollten. Auf unserem
Sparbuch.“
„Oh,
ja, ich sehe es. Aber das ist nicht klug gewesen von Ihnen, da hat sich Ihr
Geld ja kaum vermehrt bei dem kleinen Zinsbetrag.“
„Wie
bitte? Es ist immerhin noch da!“
„Ja,
aber bedenken sie, was sich bei den Konditionen von unseren Fonds an Gewinn
ergeben hätte.“
„Gewinn?
Verlust meinen Sie wohl.“
„Oh,
ich sehe gerade, Ihre Hypothek, die ist nicht mehr bei uns.“
Jetzt
hatte er uns. Wir begriffen gar nichts mehr.
„Unsere
Hypothek, die ist doch fast getilgt.“
„Ja,
das schon, deswegen gilt sie ja auch als gute Hypothek und ein paar davon
müssen wir mit rein geben, wenn wir unsere schlechten Kredite loswerden wollen.“
Wir
baten ihn mit leiser Stimme uns das, bitte, zu erklären, was mit unserer
Hypothek sei.
„Die
haben wir verkauft im Paket mit anderen. Da müsste eigentlich schon Post
gekommen sein. Wenn nicht, keine Sorge, die melden sich schon.“
„Warum
sollten die sich melden bei uns?“
„Na
wegen der Tilgung. Das Geld geht ja nun an die, nicht mehr an uns und, na ja,
wegen den Konditionen, die wollen natürlich einen neuen Vertrag mit Ihnen
machen, soll sich ja lohnen, der Kauf Ihrer Hypothek.“
Das
Ende vom Lied: er gab sich wirklich Mühe uns begreiflich zu machen, dass wir
die Restsumme auf einen Schlag zahlen müssten und die Zinsen höher seien und
wir im Irrtum wären hinsichtlich der Summe, schließlich hätten wir den Hypothekbetrag
nicht korrigieren lassen und so wäre der alte Betrag fällig, schließlich stände
uns das ja als Hypothek zu. Wir könnten das Geld dann ja anlegen und kräftig
Zinsen kassieren, immerhin 2%, was im Moment sehr hoch sei.
„Das
ist ja weniger als die Inflation! Da verlieren wir ja die Zinsen für die
Hypothek und mindestens 1,5% durch die Inflation, wenn sich das Geld nicht
wieder verdünnisiert wie unsere Anlage.“
Von
Inflation wollte er nichts hören. Er sei Betriebswirt und Inflation, das wäre
Volkswirtschaft.
Wir
verabschiedeten uns reichlich aufgewühlt und verwirrt von ihm, vergaßen, zugegeben,
ihm zu danken und fuhren nach Hause, um dort in Ruhe in unseren sicheren vier
Wänden uns das alles durch den Kopf gehen zu lassen.
Tatsächlich
fanden wir im Briefkasten das angekündigte Schreiben von einem
Inkassounternehmen. Uns wurde im barschen Ton mitgeteilt, dass wir den vollen
Betrag innerhalb von 14 Tagen zu zahlen hätten, ansonsten würden sie unser Haus
versteigern.
Der
Tag war noch nicht zu Ende und so kam per Fahrradkurier auch noch Post von der
Ortsverwaltung, die uns umständlich darauf hinwies, dass unsere Straße neu gebaut
und die Kanalisation erneuert werden müsse, daher ergäbe sich für uns ein
Betrag in Höhe von, der anteilig sei und zu berücksichtigen, dass die Hälfte
der Anlieger nicht herangezogen werden könnten, da diese ja städtisch seien und
so weiter.
Am
Abend dieses Tages waren wir pleite, tendenziell obdachlos und auch unsere
erste Idee mittels Selbstmord das alles zu einem guten Ende zu bringen,
zumindest für unsere Kinder, stellte sich rasch als Trugschluss heraus, da
unsere Kinder dann das Erbe ablehnen müssten, also gar nichts bekämen und davor
schreckten wir dann doch zurück. Schließlich stirbt bekanntlich die Hoffnung
zuletzt.
Ob
wir nicht sofort einen Anwalt eingeschaltet hätten? Natürlich. Für 550 Euro hat
der uns bestätigt, dass alles rechtens sei. Wir haben dann doch eine Lösung
selber gefunden. Ich habe den Bankangestellten erschossen, meine Frau hat die
Inkassofirma in die Luft gesprengt. Seitdem haben wir die wohltuende Sicherheit
von Verpflegung und Kost bis zum Ende unserer Tage. Leider wohnen wir seitdem
nicht mehr zusammen. Aber wir schreiben uns SMS und skypen jeden Tag. Unsere Rente
verrechnet die Justiz mit unserem Daueraufenthalt. Es scheint, dass sich
dadurch keine weiteren Schulden anhäufen. Unsere Kinder leben jetzt von Hartz
IV, da sich durch unsere Schulden Arbeiten für sie nicht mehr so gut rechnet, genießen
dafür das Leben in unserem Haus, vor dem schon dreimal der Gerichtsvollzieher
stand um sie zu vertreiben. Bis jetzt aber ist es nicht gelungen, weil sie
viele Kinder haben und die Kommune in Sorge ist, für die eine Unterkunft
bezahlen zu müssen. Wir sind jedenfalls sehr gespannt, wie es weiter geht.
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