Berlin, den 26.09.2013. Der Deutsche
Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat sich in seiner
Sprecherratssitzung und in seiner Mitgliederversammlung mit den Anforderungen
an die Kulturpolitik der nächsten Wahlperiode befasst. Er unterstreicht mit
dieser Resolution, dass Kunst und Kultur eine herausragende Bedeutung für die
Gesellschaft haben. In Kunst und Kultur werden Utopien entwickelt und es findet
eine ganz eigene Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
statt. Kulturelle Bildung eröffnet den Zugang zu Kunst und Kultur. Mit einem
Staatsziel Kultur im Grundgesetz würde unterstrichen werden, dass Kunst und
Kultur – ähnlich den natürlichen Lebensgrundlagen – des Schutzes und der
Förderung durch den Staat bedürfen.
Der Deutsche Kulturrat hat die
nachfolgenden zehn Forderungen an eine zukunftsgerichtete Kulturpolitik für die
nächsten vier Jahre formuliert.
1. Kulturelle Vielfalt zur Richtschnur
kulturpolitischen Handelns machen
Der Erhalt, die Stärkung und die
Weiterentwicklung der kulturellen Vielfalt muss die Richtschnur
kulturpolitischen Handelns auf nationaler, europäischer und internationaler
Ebene sein. Deutschland und Europa verfügen über eine bemerkenswerte kulturelle
Vielfalt, die über Jahrhunderte gewachsen ist, sich kontinuierlich verändert
und im zeitgenössischen künstlerischen Schaffen weiterentwickelt. Diese
kulturelle Vielfalt muss gesichert und ausgebaut werden. Das gilt insbesondere
in Krisenzeiten, wenn gravierende Einschnitte in die kulturelle Substanz
vorgenommen werden. Der Deutsche Kulturrat appelliert daher
nachdrücklich an die neue Bundesregierung, im Koalitionsvertrag festzulegen,
dass sie die „UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt
kultureller Ausdrucksformen“ als Grundlage ihrer nationalen, europäischen und
internationalen Kulturpolitik nimmt. Als Unterzeichnerstaat dieser Konvention
hat die Bundesrepublik die Aufgabe, sich insbesondere bei europäischen
Liberalisierungsbemühungen und bei internationalen Handelsabkommen an die Ziele
und Verpflichtungen dieser Konvention zu halten. Das gilt insbesondere für das
derzeit in Verhandlungen befindliche Freihandelsabkommen zwischen der EU und
den USA.
2. Kulturelle Teilhabe verbessern durch
Stärkung der kulturellen Bildung
Eine gut ausgebaute, vielfältige
kulturelle Infrastruktur ist die Voraussetzung für die Teilhabe am kulturellen
Leben. Die Zugangsmöglichkeiten zu dieser Infrastruktur dürfen weder vom
Geldbeutel noch vom Wohnort abhängig sein. Kulturelle Bildung kann Zugänge zu
Kunst und Kultur eröffnen und dadurch Teilhabe ermöglichen. Dazu muss aber auch
die autonome künstlerische wie wissenschaftliche Fachlichkeit als Grundlage von
kultureller Bildung gesichert sein. Medienbildung kann im digitalen Zeitalter
einen wesentlichen Beitrag zur kompetenten Nutzung von und der kritischen
Auseinandersetzung mit Medien, der Einordnung von Informationen sowie zum
Dialog und zur Interaktion zwischen Künstlern und Nutzern leisten. Der
Deutsche Kulturrat fordert daher, die Sicherung der kulturellen Infrastruktur
im Koalitionsvertrag zu fixieren. Die kulturelle Bildung, einschließlich der
Medienbildung, soll als eigenständiges Aufgabenfeld im Koalitionsvertrag
verankert und durch adäquate Maßnahmen – institutionell und projektbezogen –
gefördert werden.
3. Kooperativen Kultur- und
Bildungsföderalismus wieder etablieren
Bildung und Kultur sind eine
gesamtstaatliche Aufgabe. Der Zugang zu ihnen darf nicht davon abhängig sein,
in welchem Bundesland jemand lebt. Bund, Länder und Kommunen haben daneben je
eigene Aufgaben in der Kultur- und Wissenschaftspolitik, -förderung und
-finanzierung, die einander ergänzen. Ein kooperativer Kultur- und
Bildungsföderalismus schafft durch die Zusammenarbeit einen Mehrwert. Der
Deutsche Kulturrat hält es daher für erforderlich, wieder einen kooperativen
Kultur- und Bildungsföderalismus zu etablieren und ein Kooperationsgebot von
Bund und Ländern in Bildung und Kultur grundgesetzlich abzusichern. In
Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen können nachhaltige Akzente zur
Weiterentwicklung der Infrastruktur von Kunst, Kultur und kultureller Bildung
gesetzt werden.
4. Instrumentalisierung der Auswärtigen
Kultur- und Bildungspolitik beenden
Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
hat in der globalisierten Welt eine neue Dimension gewonnen. Es geht darum, die
Zusammenarbeit mit den Partnern anderer Länder zu stärken, Kultur aus
Deutschland vorzustellen und in stärkerem Maße Auswärtige Kultur- und
Bildungspolitik mit der Kultur- und Bildungspolitik im Inland zu verzahnen.
Dabei hat die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik einen Eigenwert, der sich
aus ihrem Gegenstand ableitet. Der Deutsche Kulturrat fordert die neue
Bundesregierung auf, diesen Eigenwert Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik
im Koalitionsvertrag festzuschreiben, einer Instrumentalisierung dieses
Politikfeldes entgegenzutreten und die Einbeziehung weiterer
zivilgesellschaftlicher Akteure neben den Mittlerorganisationen in dieses
Themenfeld zu vereinbaren.
5. Kulturpolitik in Europa
Der europäische Einigungsprozess ist von
herausragender wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung. Die Urheberrechts-,
Medien- und Steuerpolitik werden auf der europäischen Ebene vorgeprägt. Bei den
verschiedenen bi- und multilateralen Handelsabkommen werden die Verhandlungen
nicht mehr von der deutschen, sondern der europäischen Seite geführt. Dieses
trifft auch auf das geplante Freihandelsabkommen zwischen der USA und der EU
zu. Hier ist die Europäische Kommission der Verhandlungspartner der USA. Der
Deutsche Kulturrat hält es für erforderlich, im Koalitionsvertrag der neuen
Bundesregierung dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und die entsprechenden
finanziellen und personellen Ressourcen für eine Beteiligung der Zivilgesellschaft
bereitzustellen. Ebenso muss im Koalitionsvertrag unterstrichen werden, dass
bei den laufenden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EU-USA die
„UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller
Ausdrucksformen“ konsequente Anwendung findet.
6. Soziale Sicherung der Künstler und
Publizisten gewährleisten
Mit der Künstlersozialversicherung
verfügt Deutschland über ein europaweit einmaliges System der sozialen
Absicherung von Künstlern und Publizisten. Dieses System gilt es zu stärken.
Dazu gehört, dass durch geeignete Maßnahmen Abgabegerechtigkeit hergestellt
wird. Wenn der Gesetzgeber Unternehmen, Vereine oder andere Gruppen von der
Abgabepflicht ausnimmt, muss der Bund für die dadurch entstehenden
Finanzierungslücken bei der Künstlersozialabgabe einstehen und den
Bundeszuschuss erhöhen. Darüber hinaus müssen Modelle der sozialen
Absicherung für jene Berufsgruppen von Selbstständigen aus dem Kulturbereich
gefunden werden, die derzeit nicht in das System der verpflichtenden
Sozialversicherung einbezogen sind. Der Deutsche Kulturrat fordert die
neue Bundesregierung auf, sich im Koalitionsvertrag zur Stärkung des
Künstlersozialversicherungsgesetzes und seiner Durchsetzung zu verpflichten.
7. Urheber in Digitalisierungsdiskussion
in den Mittelpunkt rücken
Die Digitalisierung ist ein
Epochenumbruch in mannigfacher Hinsicht. Tradierte Vorstellungen über das
Verhältnis von Künstlern, von Vermittlern und von Nutzern gelten nicht mehr in
gleichem Maße wie in der analogen Welt. Umso mehr gilt es zu unterstreichen,
dass das Internet eine technische Infrastruktur mit der Möglichkeit der
Teilhabe an Kunst und Kultur sowie der Verbreitung künstlerischer Werke ist. Es
erwächst hieraus die Anforderung, den Wert kreativer Leistungen stärker zu
vermitteln und zu verdeutlichen. Dazu gehören auch, die Kenntnis und die Akzeptanz
des Urheberrechts zu verbreitern und zu vertiefen. Der Deutsche
Kulturrat fordert die neue Bundesregierung auf, im Koalitionsvertrag
klarzustellen, dass kreative Leistungen als geistiges Eigentum geachtet,
geschützt und bei Nutzung eines Werks vergütet werden müssen. Ein
durchsetzungsstarkes Urheberrecht ist in der analogen wie der digitalen Welt
unerlässlich. Es dient dem Schutz des Urhebers und seines Werks und schafft
Anreize zur Schöpfung neuer Werke. Dieser Schutz muss in der digitalen Welt, in
der territoriale Grenzen keine Rolle mehr spielen, aufrechterhalten und
verbessert werden.
8. Datenschutz und Privatsphäre
gewährleisten
Die digitalen Techniken ermöglichen die
sekundenschnelle Weitergabe von Texten, Tönen, Filmen und Bildern. Dieses ist
eine große Chance für den Kulturbereich, da dadurch die Weitergabe
künstlerischer Werke gefördert werden kann. Zugleich sieht der Deutsche
Kulturrat mit Sorge, dass die Privatsphäre verletzt wird, hemmungslos Daten
weitergegeben und ohne Anlass gespeichert werden. Damit werden Grundrechte
verletzt. Der Deutsche Kulturrat fordert die neue Bundesregierung auf,
sich im europäischen und internationalen Kontext für einen starken Datenschutz
einzusetzen. Die Akzeptanz digitaler Techniken ist eng mit der Wahrung des
Datenschutzes verbunden.
9. Öffentliche Kulturfinanzierung
sicherstellen
Öffentliche Kulturförderung erlaubt
Entwicklungsmöglichkeiten von Kunst und Kultur unabhängig vom Markt und
ermöglicht eine breite Teilhabe an Kunst und Kultur. Sie bildet damit einen
Gegenpol zur immer stärker eingeforderten Ökonomisierung der Kulturproduktion
und -vermarktung. Die Kulturfinanzierung des Bundes hat in den letzten Jahren
eine erfreuliche Steigerung erfahren. Diese ist auch ein wichtiges Signal an Länder
und Kommunen. Mit Blick auf die im Jahr 2020 in den Ländern greifende
Schuldenbremse und die finanzielle Notlage von Kommunen sieht der Deutsche
Kulturrat das Erfordernis zu einer grundlegenden Finanzreform. Diese muss
sowohl Länder als auch Kommunen in die Lage versetzen, ihren Aufgaben in der
Kulturfinanzierung nachkommen zu können, die kulturelle Infrastruktur zu
sichern und auszubauen.
10. Bundeskulturministerium einrichten
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