Montag, 13. Mai 2013

Die Perücke




















Sie tat mir leid.

Ihre schwarzen Haare wirkten tot, wie abgeschnitten und gefärbt. Ihr Gesicht darunter machte es zu einer bleichen, traurigen Maske.

Sie meldete uns den tödlichen Unfall ihrer Schwester.

Wir fanden die Tote halb im Graben, halb an der Böschung in verenkter Stellung liegend. Ihre Augen wirkten riesig, vielleicht weil ihr die Haare fehlten.

„Krebs, dritte Chemotherapie, hat alles überlebt, trotzdem seit Jahren nur noch ein Pflegefall“, so hatte die Schwester uns tränenreich erzählt. Aber immerhin konnte sie noch selber Auto fahren, sonst wäre es ja nicht zu dem schrecklichen Unfall gekommen. Dabei hätte sie sie stets gewarnt in ihrem Zustand und so.

Fast hätten wir der Frau mit den schwarzen Haaren geglaubt. 

Aber wir fanden im ganzen Haus keine Perücke. Das machte uns stutzig. Keine Frau läuft jahrelang, sei sie noch so krank, mit Glatze umher.

Als eine Kollegin die Dame bat, doch einmal für uns ihre Perücke ab zu nehmen, fing diese an zu kreischen und zu betteln. Es war tatsächlich die Perücke ihrer Schwester, schwarz gefärbt.

Und der Unfall? Eiskalter Mord! 

Wir fanden heraus: Sie hatte ihre Schwester mit starken Medikamenten hilflos gemacht und unangeschnallt auf den Beifahrersitz gesetzt. Sie selbst hatte sich dick gepolstert hinter das Steuer begeben und den Wagen gezielt gegen den Baum gefahren. Ihr Airbag hatte funktioniert, der ihrer Schwester nicht, da sie ihn vorher manipuliert hatte. Dann hatte sie die Hände der Schwester an das Lenkrad gepresst und sie seitlich aus dem Wagen gestoßen. Laut Arzt hatte die da wahrscheinlich noch gelebt. Die Frau habe der Schwester die Perücke abgenommen, sei dann in ihren eigenen Wagen gestiegen, den sie zuvor gut versteckt dort abgestellt hatte, habe dort, warum auch immer, die Perücke schwarz gefärbt und sie gleich danach aufgesetzt, sei dann in der Gegend rumgefahren, bis ihr die Zeit ausreichend erschienen sei, zur Unfallstelle zurückgefahren um dort gesehen zu werden und dann bewusst als "total von der Rolle" per Anhalter zur Polizei gelangt, um den Unfall dort bei uns zu melden.

Die Pflege der toten Schwester hatte eine Pflegekraft durchgeführt. 
 
Blieb die Perücke!

Sie tat mir nicht mehr leid oder nur noch etwas. Schließlich ist Habgier, auch wenn es sich nur um eine Perücke handelt, ein niedriges Tatmotiv, kein wirklich schönes. Da hilft auch kein Färben. Vor allem brauchte die Frau gar keine bei ihrem dichten braunroten Haar.  Sie wurde in die Psychatrie überstellt. Dort trägt sie die Perücke wahrscheinlich heute noch.

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