Eines Tages, in einem Gerichtssaal im Süden unseres Landes:
„Kommen wir zu dem eigentlichen Tathergang. Können Sie uns
schildern, wie es dazu kam, dass sie ihren besten Freund seit Kindertagen, unseren
hoch verehrten Arzt Dr. Klammpeter ermordet haben?“
„Ja, das kann ich. Es ist richtig und wahr, dass er wirklich
mein Freund war, all die Jahre, obwohl er aus einem reichen und ich aus einem
armen Elternhaus stammte. Er hat mich, auch da kann ich der Schilderung des
Gerichtes nur zu stimmen, stets unterstützt, wo er nur konnte, mir Jobs
besorgt, finanziell unter die Arme gegriffen, hat mir, auch das ist richtig,
beim Hausbau geholfen, ohne ihn wäre ich tatsächlich noch mehr auf die Hilfen
unseres Staates angewiesen gewesen.“
„Und trotzdem haben sie ihn umgebracht!“
„Ja! Es geschah einfach, war überhaupt nicht geplant, also
Totschlag, wie mein Verteidiger hier gesagt hat.
An dem bewussten Tag hatte ich mich entschlossen ihm, Dr.
Klammpeter, für mich Pauli, endlich von meinem Traum zu erzählen, der mich seit
Jahren verfolgt und mir seit langem aufs übelste die Morgende und Tage verdirbt,
so jede Kraft raubt für mein Leben. Und das bestimmt zwei bis dreimal pro
Woche.
Ich träume dann, ich könnte so schnell rennen, dass mich die
Geschwindigkeit abheben lässt von der Erde und fliegen. Der Traum ist immer
gleich. Ich verabschiede mich von jemandem, gehe auf die Straße, renne los und
fliege, fliege über sein Haus und die Stadt, sehe tief unter mir die Menschen,
manche sehen auch hoch, aber keiner bemerkt mich, keiner reagiert überrascht
auf meine Fähigkeit zu fliegen. Ich fliege über Familienfeiern, Betriebsfesten
und Parks. Immer das Gleiche: keiner bemerkt mich, niemand nimmt Notiz von
meinem Fliegen. Es ist so herrlich das Fliegen, aber was habe ich davon, wenn
es keiner sehen will? Das kränkt mich tief und tut mir bereits sehr weh beim
Träumen.
Sehr geehrter Herr Richter, das müssen sie sich vorstellen:
kein Mensch kann fliegen, nur ich und trotzdem nimmt keiner Notiz davon, zeigt
sich überrascht oder bewundert mein Können.
Das Schlimmste aber kommt noch: ich wache auf, bewege meine
Beine, die schmerzen als wäre ich tatsächlich gerannt und geflogen, stehe auf
und weiß, ich kann nicht fliegen, kann auch nicht mehr so gut rennen, und
draußen ist keine Chance für mich, Anerkennung zu finden, gelingt es mir doch
nicht einmal in meinen eigenen Träumen Aufmerksamkeit zu finden.“
„Traurig, bedauerlich, ja. Aber warum musste ihr Freund
deswegen sterben? Wollten sie so fliegen lernen?“
Im Gerichtssaal wird minutenlange Heiterkeit notiert.
„Nein, natürlich nicht. Es war nur so, dass er mir kaum zu
hörte und als er sich an meiner Haustür von mir verabschiedete, auf der Stelle losrannte
und hoch flog, über mein Haus, dort drei Runden und schließlich in Richtung des
seinen davon flog, plötzlich, er dachte wohl er sei weit genug von mir entfernt
und ich hätte seine Flugkünste nicht bemerkt, zu lachen begann, ganz laut und furchtbar
gehässig und gemein. Da habe ich das Gewehr und ihn damit vom Himmel geholt.“
„Sie haben ihn versucht zu erschießen, das ist richtig, aber
getötet haben sie ihn durch die massiven Verletzungen, die sie ihm danach
zugefügt haben.“
„Nein! Ich habe ihn erschossen, die Verletzungen kamen doch
durch den Sturz, Herr Richter. Er fiel aus größer Höhe, Herr Richter, auf
harten Boden.“
Wochen später, nach Abschluss des Prozesses, trafen sich Verteidiger
und Richter dieses Prozesses zufällig auf dem Flur des Gerichtes wieder. Der
Verteidiger fragte: „Eins würde mich noch interessieren, warum haben sie in
ihrem Urteil ausdrücklich bestimmt, dass mein Mandant in die Psychiatriestation
XY überwiesen wird?“
„Wissen sie das nicht? Die liegt genau gegenüber der neuen Flugschule
für Kinder im Vorschulalter. Da kann er jetzt jeden Tag von seinem Fenster aus
den Kleinsten beim Fliegen zu sehen.“
Laut lachend und sich auf ihre Schultern
klopfend verabschiedeten sich daraufhin die beiden Herren voneinander.
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