Freitag, 9. August 2013

Marie, was für eine Welt



Wenn Du in Deinem Raum Dich selber müde antriffst
Dabei vor den Türen die Büsche ihre Zweige schlagen
Im Wind der Dich verfolgt seit diesen vielen Tagestagen
Du leise weinst im frisch gewaschenen Hemd allein
Um die Tage unter Apfelbäumen, gebettet in den Gräsern
ihren weißen, gelben Blütenträumen, lautlosem Schmetterlingsflug
Einer anderen, besser bestellten Welt im August

Marie, was für eine Welt, Marie
Marie, für Dich hier zählt, Marie

Schweigst Du Dich aus im Regen Deiner Tränen
Wer will nicht was von Deinem Leib, Deiner Trauer
Sie in Liebe überführen und damit auf die Berge
Und in die Täler, über die Meere mit Dir ziehen
In das was bleibt und was wild und laut und leise
Als Liebe uns zusammen schweißt, Häuser bauen
Beziehen und einrichten lässt, bunte Gärten anlegen

Marie, Abwasch am Morgen, Marie
Marie, nichts von den Sorgen, Marie

Stehst Du in Deinem Raum allein, verzweifelt allein
Siehst ihre Hände an Deiner Haut, kannst sie zählen
Ihre Augen an Deinem Gesicht, zwischen den Beinen
Fragst Dich nichts mehr, willst nirgendwo mehr hin
Kennst die Namen bis zum erbrechen, Laute und Gesten
Nichts davon, was dir gefällt und doch in Dir sein Heim nahm

Marie, was für eine Welt, Marie
Marie, für Dich hier zählt, Marie

Stehst Du im Sturm Deiner Gefühle, geschlagen ohne Schläge,
keine Wunden für Ärzte und Apparate, nichts für Statistiken
stehst Du für Dich allein, geboren, vertrauend gespielt, gewachsen
im Sommer eine Königin, die Prinzessin die alles erhält
nun nicht mal mehr die Bettlerin von König Drosselbart
einfach nur ein Geschenk für fremde Träume, ein Ball
der sich selber nicht hält, aus dem Brunnen hüpft, dies  ohne
es zu wollen, vor allem ohne küssenden, befreienden Prinz

Marie, Abwasch am Morgen, Marie
Marie, nichts von den Sorgen, Marie

stehst Du vor deinem großen Spiegel, tastest ab was da fühlt
fragst Dich nach vorne, siehst das dahinten, verweigerst dem Jetzt
Dein Leben, Deine Schritte, Dein Lachen, setzt die Hoffnung
Auf den Moment, hier, starrst Dich an, als könnte Dein Gesicht
Dir mehr verraten als die Vergangenheit, hoffst auf ein Lächeln
Dass Dich wieder in das Leben geleiten könnte, hoffst auf das Gesicht
Dass Dir gehört und doch schweigt, bedrückt, starr, stumm, Maske
All dessen was Dir bis hierher geschah, hereinbrach und entglitt

Marie, was für eine Welt, Marie
Marie, für Dich hier zählt, Marie

Stehst Du hier, wiegst Dich leise summend im Kreis und schließt
Die Augen, lässt Spiegel Spiegel sein, kein Gott für ein Gebet
Keine Maria für die Du Kerzen zündest, wiegst Du Dich und wiegst
Dich wie am Kreuz der Nazarener, betest nicht, summst nur Laute
Klänge, das was aus Dir steigt, was noch da ist, was noch singt
Ohne Worte, keine Sätze die sich wie Schlangen aus Dir entfernen
Gleitest wie ein Segelboot über den See, wie ein Kutter auf dem Meer

Marie, Abwasch am Morgen, Marie
Marie, nichts von den Sorgen, Marie

Hisst keine Fahnen, stürzt nicht an das Steuer, lässt Dich einfach treiben
Hörst nicht mehr das Klappern der Fenster, die Schritte der Nachbarn
Nicht die Lkws unter Deinem Fenster, nicht das Geschrei der Nachbarin
Stehst nur, summst und wiegst Dich selbst wie Dein eigenes Kind
Auf der Suche nach dem, was noch von Dir erhalten blieb und ohne Frage
Was trägt, schmerzt, Dich lachen lässt am Morgen, Dich kitzelt und fies sticht
Wenn alles zu viel ist, beginnt das Suchen und wenn Du die Badezimmertür
Wieder öffnest wirst Du die Welt neu betreten, diesen Moment als Waffe im Gepäck

Marie, was für eine Welt, Marie
Marie, für Dich hier zählt, Marie

Wirst Du einfach gehen, Schritt für Schritt, werden sie Dich ansehen und fragen
Woher kommt dies Dezembergesicht her mitten in unserem strahlenden August
Dies Sommerzerschmettergesicht, diese Gestalt auf schwachen nackten Füßen
Mit den Augen der Erinnerung und dem Leuchten ferner Taten am Firmament
zwischen die Mauern der Städte Kieselsteine schlagend hüpft Dein Körper
Atmet Deine Haut das was aus den Seitengassen flüchtige Winde Dir einreiben

Marie, es ist ihr giftiges Dickicht, Marie
Marie, noch haben sie Dich nicht, Marie

Marie, noch haben sie Dich nicht, Marie
Marie, es ist ihr giftiges Dickicht, Marie

Marie, es ist auch Deine Welt, Marie

Marie, die für Dich hier zählt, Marie

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