Der junge
Mann konnte kaum schlafen. Die ganze Nacht rang er mit sich und dem Wort. Er
hatte es in der Zeitung gelesen und auch im Fernsehen hörte er es. Es steckte
in ihm und fraß ihn auf, verdeckte seine Gedanken und Gefühle wie eine klebrige,
zu dick geratene Soße und schmecken tat es auch nicht.
Er kannte wie
alle das Wort sein Kindertagen, ein Unwort, eines, das man nicht am Kragen
haben sollte und nicht auf der Stirn oder in den Augen. Aussätzig war es
schlimmer als die Aussätzigen. Verpönt war es, schlimmer als Pfurzen und
Rülpsen am Tische. Und jetzt hielt man es ihm und seinesgleichen vor, bewarf
sie geradezu damit.
„Neid, nur
purer Neid!“ So schrieben sie, so redeten sie. Und er sah seinesgleichen dazu
im Hintergrund, als Bild daneben oder im Text unüberlesbar genannt.
Und doch, es
musste sich etwas ändern, war das alles ungerecht, musste etwas geschehen!
Und er wollte
für sich jetzt damit anfangen, aussteigen aus dem Schweigen, dem Abnicken, dem
Hinnehmen.
Trotzdem
hatte er einen schweren Stand gegen das Wort und so dauerte es bis zum frühen
Morgen, bis er sich zu einer Entscheidung und einer darauf aufbauenden Handlung
durchringen konnte.
Er hatte zum
Schluss für sich klar, dass sie das Wort als Waffe gegen ihn und die anderen einsetzten,
damit ablenken wollten von dem Skandal und sie am Widerstand hindern, vor allem
sollte es helfen, die, die noch nicht aufstanden, davon abzuhalten sich dem
Widerstand an zu schließen.
Nach dem
Aufstehen und einem schnellen Frühstück verkleidete er sich als Batmann und
fuhr so mit dem Fahrrad zu seiner Arbeitsstelle. Dort lehnte er das Fahrrad an
den Werkzaun und schlich geduckt zum Firmenparkplatz. Bei dem Porsche seines
Chefs angekommen, holte er die Sprayerfarbe raus und sprühte auf den silbrig
glänzenden Lack:
„Es ist kein
Neid, wenn ich hier ihren Porsche bemale! Es ist Not! Sie können sich viele
Autos wie diesen leisten und wir müssen noch zum Amt, um dort Geld zu erbitten,
weil ihr Lohn für unser Leben nicht reicht. Sie beschimpfen uns täglich als zu
faul und zu habgierig, machen auf unsere
Kosten den dicken Matze! Weil sie uns nicht den Lohn zahlen, der uns zusteht,
sind sie ein echter Sozialschmarotzer, der auf Kosten von uns Steuerzahlern im
Luxus lebt. Und darum ist das hier kein Neid, das was ich geschrieben habe.“
Als er fertig
war, fotografierte er das Auto mit dem Text, schlich zurück zu seinem Rad und
fuhr nach Hause. Dort stellte er das Bild sofort in das Internet und wartete.
Schon bald gab es viele Klicks, Likes und Kommentare. Fast alle positiv.
Es
war sein freier Tag und er hatte zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl,
dass er wirklich frei war an diesem Tag.(c) Bild und Text: Jörn Laue-Weltring, Lingen 2013
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