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Mittwoch, 9. Oktober 2013

Aus meiner Wirtschaftswunderherrlichkeit


im Aufwachen
dieser Kaffeeduft
verbotene Träume auf dem Kissen
durch die Dachluke die Autovergaser starten
was früher hier war
fand ich auf dem Dachboden
ohne Angst vor Spinnen
auf Mäusejagd

unten finde ich sie am Herd
aber sie will nichts sagen
doch ich habe sie gehört
manchmal höre ich auch die anderen Männer schlagen
aber nur auf dem Dachboden
zwischen den Stofffetzen mit Hakenkreuzen
Onkels Wehrmachtsausweis und Ahnenpass
durch den kann ich jetzt
meine ganze Familie
zurückverfolgen

aber ich sage auch nichts davon
niemand hat hier uns das Schweigen befohlen
aber es ist besser jetzt
wo sich alles geändert hat

Dienstag, 14. Mai 2013

Ohn Macht



sprachmächtige
Sprachgewalt
ohnmächtig

im Machtbereich
realer Gewalt
Mächtiger

nicht aber
im Zustand
von Ohnmacht

nur ohne
Macht
und ohne
Gewalt

nie chancenlos
ihr Widerstand
sprachmächtig

als kraftvolle
Sprache
gewaltig

statt
gewalttätig

Dienstag, 12. März 2013

Ungeduld

















Als während der deutschen Besetzung Tirols im Zweiten Weltkrieg die Wehrmachtssoldaten in einem kleinen Bergdorf einen 99jährigen Mönch erschossen, wurden sie von einem jungen Partisanen dabei beobachtet.  Entsetzt nahm er das Fernglas von den Augen und knurrte leise:
„Sie sind böse und so ungeduldig. Der Alte hätte doch sowieso nicht mehr lange gelebt“. Dabei schüttelte er traurig und wütend seinen Kopf, dass die Tarnbedeckung leicht ins Rutschen kam.
Eine Frau, die hinter ihm im Wald auf Lauer lag, hörte es und flüsterte ihm zu: „Deswegen. „
Verwundert sah er sich zu ihr um.
„Deswegen sind sie böse. Weil sie zu ungeduldig sind. Sie können nie warten und greifen darum lieber schnell zur Gewalt“.
Erschüttert sah der Trupp noch einen Moment zu dem Dorf hin. Einige bekreuzigten sich, alle nahmen die Kopfbedeckungen ab. Dann zogen sie sich vorsichtshalber weiter in die Berge zurück.


 













© Jörn Laue-Weltring 2013

Mittwoch, 6. März 2013

Reise mit Karnickel















Und es trug mich ein Karnickel einst
quer über das Feld der Kindheit
in ein Karussell mit Handys Laptops
Skype Facebook und Xing

trug mich in die verlassenen Werkshallen
erkalteter Hochöfen verschlackter
Bergwerke Kokereien Transportbänder
bis in verlassene staubige Bürotrackte



















zeigte mir den Alptraum Zukunft als
Gegenwart des Labyrinths unseres Wahnsinns  
Hühner-KZ’s vermaiste Wiesen Weiden
kein Loch tat sich uns auf als Versteck

über die Ozeane fuhren wir eingepfercht
unter Massen an Fleisch Blumen T-Shirts
quer durch alle Tsunamis hin und her
duckten uns unter radioaktiven Wolken















hindurch bis wir in den Bergen die Flucht
fanden Menschen mit Sicheln Schwielenhänden
Tieren im Stall auf den Weiden an Tränken
aßen ihren Käse tranken ihre Milch mit Kräutern beschenkt

bis ich aufwachte ohne Karnickel allein
den Tag beginnen musste mit meinen Bildern
im Fernseher der gleiche Scheiss Hektik
Stress Existenzkampf als festgezurrte Lebensschiene


















wagte ich den Stopp auch nicht mehr mich
aus zu ruhen schnürte die Stiefel packte die
Wanderstöcke Wegzehrung ein den Rucksack
Irgendwo müssen diese Berge ja sein














irgendwo jene Reste auf uns warten
die Vernunft der Humanisten die uns einst 
Kathedralen bauen die Sixtinische Kapelle Guernica
die Mona Lisa schaffen ließ, irgendwo

nicht aus den Leibern von Schwarzen Asiaten
Latinos KZ-Viechern Menschen leben
irgendwo Menschlichkeit sich bewahrt haben
ohne selbstzerstörerischen Bock auf Hass Terror Waffen 


 












einfach lebend mit der Natur den Speisen
aus dem eigenen Land in guter Nachbarschaft
mit allem und der Freude über jeden
Sonnenaufgang und ich mit dem Kuss von Dir





















(c) Bilder und Text Jörn Laue-Weltring, Lingen 2013 (Schwarzweiß: Manila, Sturz von Marcos, Bunt: Mallorca kurz nach Francos Tod)

Samstag, 23. Februar 2013

Kannibalen

















Wir gehen und bleiben und beten
Aber wir haben nie die Chance
Zu fliegen und die Welt zu sehen
Wie ein Märchen für alle Menschen

Wir trafen sie nie
In unserer Welt
Nur die Statistiken
Über sie
Ihre billigen Produkte
Für unsere Märkte
Und die schönen Bilder
ihrer Gesichter
In den Magazinen

Also gehen wir, kaufen und bezahlen
Das Geld geben wir weg
Ohne jede Chance
Ihr Leben zu verändern
Den Hunger in ihrem Leben zu stoppen
Ihre Kämpfe zu beenden
Manchmal fühle ich mich
Durch all dies

Wie ein böser Kannibale