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Donnerstag, 3. April 2014

Gefährliche Diät























Die Welt hat
abgespeckt

Vernunft
steht selten noch
auf dem Speiseplan

die Liebe
findet
in Ersatzstoffen statt

der Frieden
hat sein Übergewicht
abgegeben an den Krieg

nur Du und ich
legen Fettvorräte an
mageren Zeiten zum Trotz

(c) bild + text jörn laue-weltring bad wildungen 2014

Montag, 28. Oktober 2013

Besuch bei Rubens in Siegen



auf acht Hügeln
die verschwundene Stadt
geborsten, zerbrochen, verbrannt
hastig versorgt mit schmalen
Behausungen ohne den Schmuck
ihrer stolzen Vergangenheit
lag die alte Bergwerksstadt Siegen
um uns herum ihr Name wie Hohn
nach unserem letzten
großen Krieg

wie wir da die Gassen
hochstiegen zu ihrem Stolz dem Sohn
dem Weltsuperstar aus den blutigen Zeiten
eines dreißigjährigen Krieges
dann angekommen wir beim Meister des Lichtes der Farben
der mit den „starken“ Frauen in finsterster Zeit Rubens
staunend überwältigt vor seinem Großbild
Löwenjagd Mensch und Tier wie Dürers
Ritter Tod und Teufel im Gefecht, verbissen verloren
ein Gemetzel ohne Aussicht auf einen Sieg der sich
für Tier oder Mensch noch lohnen könnte

das Licht bewundernd wie es
trotz Tot Elends Not und Leid hervor strahlt
schließlich Caritas Romana
uns wärmt für viel schönere Augenblicke und Gefühle
uns erahnen lässt als in der Szene uns entgegen blickt
in uns einbringt die Gewissheit dass hinter diesen Gesichtern
auch Liebe möglich ist und Freude Frieden Schaffenskraft
für ein anderes besseres Morgen die größte
Hoffnung seiner Zeit angesichts
jahrelangen Mordens

fahren wir betroffen zurück über die acht Hügel
In unseren eigenen immer hastiger gemästeten
künstlich aufgepeppten mit anderswo
durchgeführten Kriegen bezahlten Frieden
unsicherer mehr als je zuvor
ob es wirklich nur das sein kann oder soll
was sich besser zu leben lohnt
dass nur das der Weg sein soll den Meister Rubens
uns mit seinem Licht
zeigen wollte

(c) bild "Caritas Romana": museum siegen oberes schloss " + text jörn laue-weltring lingen 2013

in der Nähe Alarm



Im Siegener Museum vor Rubens Gemälden. Aus seinen dunklen Farben strahlt uns das Licht des Meisters an, zeigen sich uns faszinierende Allegorien gleich den prall mit Leben gefüllten Novellen in späteren Kunstepochen, noch immer lebendig, noch immer auch aus unserer Zeit.
Peter Paul Rubens, Malersuperstar seiner Zeit und Diplomat, gestorben 8 Jahre vor dem Ende des dreißigjährigen Krieges, zeigt uns in seinen opulenten Bildern die Kraft der Liebe, die Vergeblichkeit jedes kriegerischen Kampfes und verweist auf mögliche Wege zum Frieden.
Vor Begeisterung und Neugier zucken unsere Finger, zeigen wir uns dies und das, die Geschichten gemeinsam zu entschlüsseln. Aber in jedem Raum erklimmen sofort die Stimmen der Wächterinnen die Höhen spitzester Töne, scharfkantig und unmissverständlich.
„Sie sind zu nahe dran! Sie lösen Alarm aus.“
Bei jedem Bild der gleiche scharfe Ruf und wir fragen uns auf dem Heimweg durch die. im Krieg völlig zerstörte und danach viel zu hastig, zu billig und nur dem Zweck dienend aufgebaute Stadt, Siegen nach der Ursache der Schärfe im Ton und der Bedeutung der Worte:
„Zu nahe dran“ und „Alarm“.  Welche Gefahr geht von diesem Rubens heute noch aus? Was sollen wir nicht erkennen, wenn es nach dem Willen dieser Harpyien geht? Zu nahe woran und Alarm wofür und vor was? 

(c) bild "Löwenjagd": siegener museum oberes schloss  + text jörn laue-weltring lingen 2013

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Parodie unser


Kopfsteine
unter den Füßen
die Augen fest
gerichtet auf die Dächer
zu den Türmen
Kommandos
huschen herum
in den Köpfen
wo die Eiszeit
immer beginnt
Gewehre
Schultern finden
dies Leben mit
Kopfsteinen
unter den Füßen
zwischen den Mauern
mittelalterlicher
Ewigkeit
diese lausige Parodie
unserer Bequemlichkeit
gespickt mit Selbstmitleid
wenn es mal wieder
schief ging


Montag, 23. September 2013

Krieg und Frieden der Worte



was habe ich mich bei Worten gequält
viel zu selten den Krieg
zu oft den Frieden angezählt
das war nie mein Sieg

hätte lieber mehr geschrieben
warum wir den Frieden lieben
unsere Freiheit, doch kaum mal gelingt
dass der richtige Funke überspringt

zu leicht mit Worten entflammt
der Krieg, der Frieden so verdammt
leicht weggeschrieben
von uns ausgetrieben

werde ich mich darum weiter quälen
Frieden, Freiheit statt der Kriege wählen
und der Liebe Kraft hilft mir dabei vielleicht
habe bei ihr meine Worte jetzt eingereicht

(c) Bild und Text: Jörn Laue-Weltring, Lingen 2013

Samstag, 7. September 2013

Einfache Kriegserklärung



wenn wir mit dem Rad fahren
beschimpfen wir die Autofahrer
wenn wir aber mit dem Auto fahren
beschimpfen wir die Radfahrer

als Fußgänger beschimpfen wir beide
und im an Bett gefesselt die, die sich
draußen um uns rum bewegen
so (be)stimmt das Sein unsere Töne


(c) Bild und Text: Jörn Laue-Weltring, Lingen 2013

Mittwoch, 4. September 2013

Von Zäunen, Mauern und Fahnen



auf manch spitzem Gitterstab
verbracht die Stunden
haben wir uns

auf beiden Seiten
ihrer Zäune
stets gern gefunden

zwischen uns die
bleierne Dämmerung
ausgefeilter Pläne

ferner Waffennarren
Kontobesitzer, Bunker-
und Kanonenbauer

auf ihren Mauern
langgestreckt
fällen wir ab heute

ihre Fahnenstangen
schon zu lange
flatternd über uns

in den Stürmen wild
mit von uns stets frisch
getränkten Leichentüchern

blutrot
eitergelb
totschwarztot

Dienstag, 3. September 2013

Genannt Frieden



gelangt häufig zu uns
ein Hämmern und Schlagen
Rufen und Kreischen
so ruft uns nur der Frieden
mit seinen Alltagsplagen

schütteln wir unser Fell
noch frei von Rüstungskunst
unverletzt zwischen Menschen
mit größter Überlebenskunst
so leben wir den Frieden

wird es aber plötzlich still
schweigen die Lauten, wimmern
die Leisen, flüchten die Kinder
in die Häuser, starren wir zum Horizont
als Soldaten, die der Krieg einholt

haben wir uns und den Frieden
verraten, verschenkt, getreten
was Leben uns gab und Liebe
Hoffnung auf eine gute Erinnerung
an ein gesegnetes fröhliches Morgen

(c) Bild und Text: Jörn Laue-Weltring, Lingen 2013

Montag, 2. September 2013

Ausflug zwischen die Hügel



während wir wandern
über Stock und Stein
grüßen uns Wiederkäuer
von fetten Weiden

rasten gut gekühlt wir
auf altem Kirchengestühl
romanisch abgeschirmt
von des Tages Hitze

lassen tanzen wir
unsere gierigen Augen
von Bildern zum Kreuz
orientalischer Gedanken

ruht sich aus der Krieg
weiter in den Gemälden
gehen küssend wir fort
uns zu lieben, diese Tage

Mittwoch, 28. August 2013

Syrien: ein bisschen Krieg?

Peter Silie
grummelt:
nur drei Tage
nur ein paar Raketen
und dann

ein bisschen Krieg
wie ein
bisschen Frieden

gibt es
das
denn?

Freitag, 14. Juni 2013

Gestern im fast schon 60jährigen Frieden



als ich gestern
im warmen
Frühsommerabend
die kleine Blaumeise
zart die Fußgängerzone
entlang trippeln sah
geriet mein Blick
hinauf zur Krone
der alten Linde
über ihr

die hat dem Krieg hier
inmitten des Infernos
standgehalten
seitdem sich
weit gen Himmel
emporgearbeitet
eine große
Schattenspenderin
für allerlei Geschäfte
im Wandel ihrer Zeiten

sah ich von
der Einen
zur Anderen
wieder zur Einen
meine Fäuste
in den Taschen
langsam entspannt
kein Grund erkennbar
für Vorsicht

die Finger locker
das Gedröhn
der Düsenjäger
über uns
mit dem Ziel
Bombenabwurfplatz
nur eine Übung
für was und wann
auch immer

noch reicht es hier
für volle Tageskassen
arglos sanfte Gespräche
im Nachbarschaftston

Mittwoch, 1. Mai 2013

Friedliche Beerdigung



als man endlich
den Krieg zu Grabe trug
forderten die Generäle
barsch seine Autopsie

die Waffenfabrikanten
riefen nach den Ärzten
nach zu sehen ob er
nicht nur scheintot sei

und die Politiker
flochten ihm Kränze
gaben Ehrungen heraus
nur das arme Volk tanzte

hoffnungsvoll um
seinen Stein in den
der Steinmetz hieb
mit blanker Faust und Keil

„Ruhe in Frieden
bis in alle Ewigkeit“

Mittwoch, 24. April 2013

Im letzten Jahrhundert war es wohl

als das große Feuer
ihren mächtigen Sturm
einfach verschluckte

warfen sie wütend
ihm ihre gesalzenen Tränen
auf sein kleines Grab

kehrten enttäuscht ihm
zu ihre Narben
auf den Rücken

den Krieg endgültig
zu überwinden fiel
ihnen sehr schwer

nahmen sich lieber
mit mehr Erfolg
den Frieden vor

ungeachtet der
glimmenden Funken
über ihren Dächern

Mittwoch, 10. April 2013

"Am Ende stehen wir da, wo wir angefangen haben." Fortsetzung 7


Wahrscheinlich musste man dem Herrn, denn das war er offensichtlich, irgendetwas anbieten. Und das tat ich. Wein fand er gut, ich auch und so saßen wir bald darauf uns gegenüber, stießen die Gläser an und schlürften genüsslich roten Wein. Anderen hatte ich nicht im Hause, den Weißen trank sie am liebsten aber ich auch und so harte stets nur der Rotwein seiner Zeiten bei uns.

„Sie haben ihr nicht geglaubt“, begann er den Anlass seines Besucher mir vor zu stellen. Fuhr fort, „was ja verständlich ist. Ich habe ihr gesagt, dass sie etwas zu schnell damit raus gekommen ist. Ich hatte ihr vorher geraten, behutsam vor zu gehen, aber auf jeden Fall es zu versuchen.“
„Was zu versuchen?“
„Sie endlich in Kenntnis zu setzen und unser Interesse an Ihnen, oder darf ich Du sagen, schließlich sind wir verwandt?!“

Das mit dem Du regelten wir wie unter Verwandten üblich mit Glas an Glas aber ohne Bruderkuss. Das wäre mir in der Situation wirklich zu viel gewesen.

„Sie, Entschuldigung, Du hast wahrscheinlich inzwischen recherchiert und nichts gefunden über die Gemeinschaft der Hobbels. Brauchst nur zu nicken. Schließlich haben wir nicht wenig Energie darauf verwendet, das es so ist und hoffentlich auch so bleibt.“

„Großonkel, ich nenne Sie, Du mal so: so etwas behaupten andere, die einem Mist verkaufen wollen auch gerne! Ist geradezu ihre Masche, auf die ich, entschuldige, wirklich keinen Bock habe! Es gibt keine Geheimorganisation Hobbels, schon gar nicht mit Vertretern meiner Familie, erst recht nicht mit den mir genannten Verwandten, Schluss, Punkt, Aus!“

Er sah mich ruhig an, nippte genüsslich am Wein, was mich ebenfalls nippen ließ, streckte sich auf dem Sessel in die Höhe beim Sitzen, sah mir direkt in die Augen und sagte, wie nicht anders zu erwarten: „Doch, es gibt sie, es gibt uns und ich bin hier um Dir mehr darüber zu erzählen, vielleicht verschwindet ja dann Deine, wie ich leider zu geben muss, berechtigte Skepsis.“

Er hatte mich, einfach so durch seine sanfte beharrliche, nette Art, hatte mich und ich fragte mich, ob ich denn wenigstens die Chance hatte, ihm zu sagen, dass ich auf einem anderen Suchweg war, ein wichtiger Weg, jedenfalls für mich, auch wenn ich noch immer nicht formulieren konnte, warum eigentlich und mit welchem konkreten Ziel, was sie beim letzten Gespräch regelrecht an die sprichwörtliche Decke gebracht hatte, mich aber nicht beirren konnte oder abbringen, konnte ich ihm das entgegenbringen und so von seinen Hobbels verschont bleiben?

Wahrscheinlich nicht. Er saß da, ruhig, lächelnd, bestimmend entsprechend seines Alters und unserer Schwäche dem gegenüber, saß da also und ich, ich schwieg von meinen Gedanken, Zielen, Fragen, hörte mir stattdessen an, was er meinte, mir erzählen zu müssen, auch um seine, meine liebe Roswitha zu entlasten, ihr und mir unser nächstes Gespräch zu erleichtern.

„Roswitha war vor allem verwundert, warum Du so intensiv nach ihrem jahrelangem Freund und Besucher Karl gefragt hast, der dich mehr zu interessieren schien als unsere Geschichte, die der Hobbels.

Warte, ich habe bereits mit ihr darüber gesprochen und ihr versucht zu erklären, was ich meine verstanden zu haben an deinem Interesse.  Aber Du wirst mit Deinen Fragen nicht wirklich weiter kommen, wenn Du Dich gegen diese also uns Hobbels sperrst.

Ich kann ja verstehen, dass es unglaubwürdig, mehr noch total überraschend und völlig anders klingt, als das, was Du eigentlich gesucht und vermutet hast. Ginge mir wahrscheinlich genau so und auch Karl hat damals zuerst so reagiert wie Du.“

Jetzt hatte er mich, mit Karl, mit der Möglichkeit, dass in Karl mehr steckte als alle in ihm gesehen hatten. Und das war es, was ich bis jetzt schon für mich vermutet hatte und warum mich der Kerl überhaupt so sehr interessierte. Also entspannte ich mich und hörte zu, nur unterbrochen von dem Nachfüllen in unsere Weingläser. Später, im Laufe des Abends brachte ich auch noch kleine Häppchen auf den Tisch und am Ende stießen wir mit Grappa an.

Er überzeugte mich und am nächsten Morgen sah ich mir die Bilder in meiner Wohnung frisch und mit neuen Augen an. Das Gefühl von irgendetwas ausgesperrt gewesen zu sein, verstärkte sich und hatte plötzlich eine Erklärung. Trotzdem blieb in mir ein Unbehagen und das Gefühl, dass auch diese immer noch für mich jedenfalls abstruse Story mehr steckte in ihrem Verhalten und den Folgen auf mich, die damit noch nicht wirklich erklärt waren.

Eines war mir aber klar, ihr würde ich davon nichts erzählen, brächte nur meine eigenen Zweifel nach oben und noch mehr Verwirrung.

Wenn ich ihn richtig verstanden hatte, so waren diese Hobbels ungeachtet ihrer Gemeinschaft in allen möglichen Parteien und Organisationen aktiv. Karl brachte er bei, dass er sich nicht schämen müsse, da er offensichtlich eher pazifistisch eingestellt und dies wunderbar sei. Sein ganzes Verhalten, auch und gerade in seiner Familie, zeige das doch sehr offensichtlich. Karls Träume, auch gerade die mit Hans Albers, zeigten doch einen Menschen der mit dem ganzen Nazi-Scheiß nichts am Hute hätte. Er hätte Anerkennung gesucht, wie die meisten Menschen, auch Liebe, hätte sie nie aber mit Gewalt sich geholt. Was ihm vor allem gefehlt hätte wäre doch das was er in der Nazi-Partei vergeblich gesucht hätte, Orientierung, Hilfe für den Weg durch das Leben ohne Gewalt, ohne auf andere zu schießen oder sie zu vernichten, was ja das Gleiche wäre.

Er hätte Karl in den Gesprächen nie kritisiert für seinen Eintritt bei den Nazis und so hätten sie schnell eine gute Basis gefunden und am Ende wäre Karl überzeugt davon gewesen, das er immer schon ohne es zu wissen oder zu ahnen ein Hobbel gewesen sei,. Und er wäre auch sofort bereit gewesen den Weg mit seiner Frau in der Politik weiter zu gehen, jetzt aber vor allem um ihnen zu berichten und in ihrem Sinne vorsichtig gegen zu lenken.

Erst danach ließ er mich einiges über meine Familien erfahren. Und zum Schluss, es war nicht anders zu erwarten gewesen, fragte er mich direkt, ob ich es mir anbetracht dieser Vorgeschichte, nicht vorstellen könne, ein Mitglied der Hobbels zu werden. Er präsentierte mir auch gleich ein paar, zugegeben teils verlockende Angebote, dazu.

Dabei wurde er mir immer unheimlicher. Sein Lächeln, seine Augen, die nichts verrieten, nur Neugierde und Freundlichkeit, aber ich spürte dahinter etwas anderes, etwas, das er mir nicht verraten würde und dies mit gutem Grund: seine wirklichen Gedanken.

Ein Profi saß da vor mir, ein Menschenfänger, so in etwa stelle ich mir jedenfalls diese Gurus im Erstkontakt vor.

Und so war ich froh, als mich endlich verließ, freundlich, unverbindlich ein mögliches künftiges Wiedertreffen in meinen Räumen da lassend. Und eine merkwürdige Spannung, die sich auch durch mein sofortiges Lüften nicht verzog. Ich fühlte mich bedrückt, leicht verunsichert und zugleich wütend.

Überhaupt keine Lust verspürte ich, mich auf seine Bilder und Ideen weiter ein zu lassen. Fast hatte ich das Gefühl, sie sabotierten meinen Versuch mir Klarheit zu verschaffen über unsere Familien und mich und woher meine Gefühle und Schmerzen kamen. Was sollte ich nicht entdecken? Gab es ein Geheimnis, ein wirkliches, echtes neben diesem Hirngespinst der Hobbelei von Männern, die sich einerseits angeblich zu nichts zugehörig fühlten, nicht zu irgendwelchen Religionen noch zu irgendwelchen Ideologien und sich darin gefunden haben sollen, nur auf welcher Basis?

Alles sehr nebulös und wenn es ein tiefes schwarzes Loch verbarg in das ich nicht hinabsteigen sollte? Wovor könnten sie Angst haben, meine „leicht vertüdelte“ Stiefmutter, wie Hermiene immer sagte, und dieser freundliche alte Herr, ein bisschen zu freundlich, zu alt?

Was soll das helfen da draußen, wo nur die Zahnräder auf uns warten und wehe wir bewegen uns falsch zwischen ihnen, platsch, schon ist es aus und dieses Räderwerk verstehen, wie es dazu gekommen ist, bin ich nicht dafür ausgestiegen und losgezogen, zu erfahren wie es kommen konnte und kam, wie wir wurden was wir sind? Was braucht es da solche hohlen Geschichten über Leute die nichts sein wollten, nichts gut fanden im Angebot und doch bei allem mitmachten als angeblichem Sand im Getriebe. Wo hat es denn mal geknirscht, ist dadurch etwas stehen geblieben. Das hätte die Geschichte doch bestimmt nicht totgeschwiegen.

Ist es nicht wichtiger für mich zu erfahren, was mich an Karl, seiner Geschichte berührt, was mich zu ihm hinzieht, eventuell durch das, was er von mir enthält, wo wir uns berühren in unseren Ängsten und Sehnsüchten? Zum Beispiel wo ist Karl hängen geblieben, wo ich, wie können wir uns befreien?

Oder die Tatsache, die so spät auf meinen Tisch kam, nie Thema war und doch wahr und auf bösartige Weise schrecklich, weil auch ich bis dahin schon öfter diesem Volk gegenüber als Verräter und Verächter aufgetreten war, dass wir Polen sind, meine ganze Familie, zweite und dritte Generation, so wie die zweite und dritte Generation die wir immer noch als Türken, Araber, Afrikaner oder sonst was identifizieren, denunzieren, bloßstellen und ausgrenzen in meinem Land, in Häusern verbrennen lassen, an Haltstellen zu Tode prügeln?! Muss ich da jetzt nicht die Straßenseite wechseln, gehöre ich doch auf ihre Seite, unter die Schläge, in die brennenden Häuser? Warum haben wir nie darüber geredet, stattdessen Geschichten so wie die von Karl erzählt?

Wenn sie jetzt da wäre, könnte ich versuchen mit ihr darüber zu reden. Aber sie muss im Süden der Republik einen Job erledigen. Hätte es überhaupt Sinn? Wahrscheinlich nicht, sie fährt wohl mal mit, sieht sich mit um, sucht auch und hilft mir mit der einen oder anderen Idee, nur hören, hören will sie von all diesen Gedanken nichts, das sei meine Sache, wohl meine Art etwas auf zu arbeiten, aber nicht die ihre, früher hätten sie gesagt „Spökenkiekerei“. Hauptsache ich verlöre mich nicht ganz darin und die Realität völlig aus den Augen. Dabei ist es ja gerade sie, die ich suche, die Realität in und hinter uns, die, die wirklich uns antreibt oder runter zieht. Für sie eher eine Sache der Soziologen und Psychologen, vielleicht noch der Politologen obwohl sie die für „Vielquatscher und Wichtigtuer ohne echten wissenschaftlichen Hintergrund“ hält. Bei den Politologen ist sie konservativ, zumindest was den Begriff der Wissenschaft angeht. Gut, ihr Problem.

Ist es nicht merkwürdig, kaum bringen einem Leute fremde Ideen, schon hapert es mit den eigenen. Liegt das nun an mir oder diesen Leuten, vor allem diesen Hobbels? Kann mich kaum konzentrieren, möchte am liebsten raus laufen, wenn nicht der blöde Ostwind dort auf mich lauern würde, bereit in meine Hosenbeine zu kriechen und meinen Körper ein zu frieren. Da bleibe ich lieber hier, wüsste auch nicht, was mir jetzt das Laufen helfen könnte, ich würde doch nur meine Gedanken im Kreise drehen. Nein, muss mich auf Karl konzentrieren, ihm folgen, nicht dem feinen, alten Doktor mit seinen Hobbelspielchen. Unsere Geschichte ist mir sowieso schon lange mit zu viel konstruierten Geschichten angeblich erzählt, in Wirklichkeit vernebelt, verzuckert und zugeschmissen.

„Karl musste auf der Werft mit aufräumen, wie alle anderen Steine klopfen, Metall aufsuchen, säubern und biegen.

Der Besitzer und einst so stolze Chef kam erst nach einem Jahr etwas kleinlauter wieder in einem billigen grauen Trenchcoat wie eben Knastbrüder so wirken nach einem Jahr Zelle.

Da war Karl bereits Leiter des Büros geworden. Weil er nur einfaches Parteimitglied war, nie Soldat, nie groß in Erscheinung getreten, galt er von Anfang an als "Antifaschist" und einer der nie wirklich etwas mit „Denen“ zu tun gehabt hätte. Bestätigten ihm gerne alle Kollegen, vor allem die, die das Gegenteil getan und sich nun von ihm Vorteile versprachen.

Karl wehrte sich nicht dagegen.

Als der Chef den alten Horstmann mitbrachte und als Bürochef einsetzte, bedankte sich Karl für die Ehre, weiter sein Mitarbeiter sein zu dürfen, er wisse schon, mit diesem Arm, eigentlich sei er auch nicht der schnellste, und verzog sich froh zurück an seinen alten Arbeitsplatz.  Auch dass Horstmann aktiver Nazi, ein Goldfasan gewesen war, störte ihn nicht wirklich. Längst hatte er sich bezüglich deren Bestrafung einiges abgeschminkt, hörte er doch von allen Seiten dasselbe. Angeblich seien die „unverzichtbar“ beim Wiederaufbau und um den gehe es ja schließlich, wo so viele hungerten und der Winter fast den Rest der Bevölkerung hingerafft hätte wegen dem Mangel an Kohlen und Öfen Die Arbeiter buhten ihn dafür aus und streikten bis Horstmann freiwillig dem Chef seinen Ausstieg aus Firma anbot.  Karl wurde trotzdem nicht wieder ihr Leiter.