Als
wir das erste Mal die Straße hinuntergingen hatte sie noch kein Licht, das
heißt keine Straßenlaternen und nur wenig Glühbirnen beleuchteten innen den
Abendbrottisch.
Auch
waren ihre Reihen noch nicht geschlossen, wie das Gebiss eines Kindes, das die
zweiten Zähne bekommt.
Und
wie bei dem Kind fiel es uns kaum auf, wie die Lücken geschlossen wurden. Dann
kam der Krieg und es wurde wieder dunkel, verdunkelt. Obwohl im Hafenbereich,
fielen nur wenige Bomben hier auf die Häuser. Dafür umso mehr Brandbomben auf
dem Kopfsteinpflaster und darin verbrannten Menschen, Nachbarn, Kollegen und Freunde.
Wir trauerten zusammen, halfen uns, wo es ging, auch mit Licht.
Als
wir endlich Frieden hatten und die Werften wieder aufbauen konnten, kam auch wieder
Licht in die Straße. Nicht nur die Laternen brannten bis in die Nacht.
Alles
wurde freundlicher, heller und neue Farben kamen an. Durch die Vorgärten,
Zäune, Gardinen, Jalousien und Häuserwände, vor allem aber durch die Autos, die
bald schon vor jedem Gartenzaun standen.
Über
den Eingangstüren brannten Lichter und später, besonders im Advent, jede Menge Weihnachtsbeleuchtung.
Hier wurde geliebt, gelebt, geboren und was unsere Generation anging, auch
gestorben.
Als
wir jetzt das letztemal die Straße hinuntergingen, da brannte kaum noch ein
Licht und manche Häuser sahen aus, als wollten sie sich mit der Dunkelheit
verkriechen. Wir waren die letzten der Alten, wie wir schon länger nur noch
genannt wurden. Die Alten!
Und
jetzt war auch das vorbei, die Jungen, wie wir sie nannten, waren längst in die
Vororte und Dörfer der Umgebung geflüchtet. Die Werften, Lagerhäuser und
Kaianlagen waren beschäftigungslos, wurden in phantasievollen
Hochglanzbroschüren als Investitionsobjekte angeboten.
Dort
wie hier waren die Lichter lange schon ausgegangen. Unsere Trauer sah und interessierte
niemand mehr. Auch nicht das Schicksal von unseren Straßen, dies langgestreckte
Stück Heimat mit ihrer intensiv gepflegten Nachbarschaft. Jetzt hieß das „Parkbuchten“,
„Zufahrt“, „Nebenstraße“ und die in den einzeln stehenden Häusern der von hier
Geflüchteten kannten sich so wenig wie ihre Vorgänger in den Hochhäusern der
Neuen Heimat an der Autobahn.
Jetzt
erinnerte die Straße uns an unser eigenes altes Gebiss. Zu oft repariert und
gefüllt, der Beseitigung näher als einer neuen Füllung. Und so ließen wir
unsere Straße hinter uns, Schritt für Schritt mehr in der Dunkelheit des Vergessens
zurück.
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