Donnerstag, 16. Mai 2013

Städtereisende bei der Wiederkehr



Er erkannte die Stadt nicht wieder, wie die meisten, in denen er sich zuletzt aufgehalten hatte, nie länger als er unbedingt musste. Und doch erkannte er in dieser Stadt jetzt alle anderen, die wie sie das Innerste nach außen gekehrt hatten. Es war ihm, als hätte eine Epidemie wie vor Jahrhunderten die alte Dame Pest wieder die Städte überfallen und mittels ihrer Spuren gleich geschoren.

Sie erkannte dagegen etwas wieder. Das hatte sie immer getan an allen ihren Aufenthaltsorten. Er nickte ihr beruhigend zu. Ja, da hatte sich auch etwas nicht zerstören lassen.

Sein Alter hatte ihm zugefügt den Schmerz, dass kein Besuch mehr ohne Abschied für immer von statten ging und die Gewissheit, dass dies Aussehen heute schneller sich verkriechen würde hinter neuen baulichen Orgien als das was vorher so lange ausgeharrt hatte mit den Bewohnern.

Ihr waren solche Gedanken fremd, weil zu düster. Lieber zog sie ihn in die Auslagen hinter den unzähligen Glastüren über denen die Namen drohten, die sich im ganzen Land festgefressen hatten und während sie sich freundlich bedienen ließ, betrachtete er die Gesichter der Verkäuferinnen, die nichts davon verrieten, wie es sich lebt mit dem Verdienst von ein paar hundert Euro und der langen Fahrt zur Arbeit hin, abends zurück, weil man sich die Stadt selber nicht mehr leisten konnte, abgedrängt, ausgegrenzt, einfach so durch zu hohe Mieten und Niedrigstlöhne.

Das Land vor der Stadt war wieder Rettung geworden, nur ohne Landwirtschaft und Hamstertausch. Es war der billige Quadratmeter, den sie hier für ihre Zuversicht erwarben, bebauten und bedienten, im Frühjahr mit Blumen und Unkrautvertilgungsmittel, den Rasen mit Dünger und im Winter mit immer mehr ausufernder Weihnachtsbeleuchtung.

Sie ließ sich nicht beirren, kannte ihn gut und lange genug, zog ihn zu den Kirchen und andere alte Gebäude. Zufrieden wies sie auf die, ihm damit zeigend, es gäbe sie ja noch die Geschenke der reichen Epochen, der Gotik, der Renaissance, hier und da sogar etwas Romanik, viel auch vor allem innen vom Barock, nicht zuletzt die ein gesprenkelten klassizistischen Wohn- und Bürohäuser. Aber er hatte kein Vertrauen mehr zu ihnen, durch ihre Umgebung und die Art, wie sie frisch geputzt und renoviert ihn anstrahlten, verloren sie für ihn zugleich den Beweis ihrer Herkunft, schließlich hatten ihre Pfleger alles dafür getan, dass man ihnen die Jahre ihres Ausharrens nicht mehr ansah.

Die hier lebten, brauchten keine Kriege mehr für die Zerstörung. Ihre Bomben hatten die Namen großer Verkaufsketten und Konzerne. Diese warfen mit viel Glas und Aluminium, bunten Plakaten und Preisangeboten.

Auch verwunderte ihn immer wieder, wie viele Menschen gleich ihnen tagsüber Zeit fanden hier ihr Geld weg zu geben, für Dinge, die sie mülltrennend als Probleme empfanden beim Entsorgen. Da keiner mehr Dienstboten hatte, kamen die hier so hastig gekauften Kleidungsuntensilien zu Afrikanern oder Asiaten, die ja tatsächlich für sie schufteten, schlimmer als die Dienstboten früherer Zeit, die dort ihre Klamotten auftrugen zulasten eigener Textilfabrikation.

Findest Du es nicht schön hier? Ja, schön ist es geworden. Aber was noch?

Hier scheint ihnen die Heimat geschrumpft auf die kleine Terrassenfläche unter der mit Fernbedienung beweglichen Markise hinter dem Haus im Angesicht des zusammengekauften Gartens und der jeweils tagesaktuellsten Grillstation.

Eigentlich brauchten die die Stadt nicht mehr, nur für Besorgungen und gegen die Langeweile.

Hast Du gar keine Hoffnung mehr? Doch, immer! Vielleicht in der nächsten Stadt.
Aufgeben, nein, das kam für sie beide nicht in Frage. Es gab ja noch genügend Städte, die sie nicht überprüft hatten.

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