Er
erkannte die Stadt nicht wieder, wie die meisten, in denen er sich zuletzt
aufgehalten hatte, nie länger als er unbedingt musste. Und doch erkannte er in
dieser Stadt jetzt alle anderen, die wie sie das Innerste nach außen gekehrt
hatten. Es war ihm, als hätte eine Epidemie wie vor Jahrhunderten die alte Dame
Pest wieder die Städte überfallen und mittels ihrer Spuren gleich geschoren.
Sie
erkannte dagegen etwas wieder. Das hatte sie immer getan an allen ihren
Aufenthaltsorten. Er nickte ihr beruhigend zu. Ja, da hatte sich auch etwas
nicht zerstören lassen.
Sein
Alter hatte ihm zugefügt den Schmerz, dass kein Besuch mehr ohne Abschied für
immer von statten ging und die Gewissheit, dass dies Aussehen heute schneller
sich verkriechen würde hinter neuen baulichen Orgien als das was vorher so
lange ausgeharrt hatte mit den Bewohnern.
Ihr
waren solche Gedanken fremd, weil zu düster. Lieber zog sie ihn in die Auslagen
hinter den unzähligen Glastüren über denen die Namen drohten, die sich im ganzen
Land festgefressen hatten und während sie sich freundlich bedienen ließ,
betrachtete er die Gesichter der Verkäuferinnen, die nichts davon verrieten,
wie es sich lebt mit dem Verdienst von ein paar hundert Euro und der langen
Fahrt zur Arbeit hin, abends zurück, weil man sich die Stadt selber nicht mehr
leisten konnte, abgedrängt, ausgegrenzt, einfach so durch zu hohe Mieten und
Niedrigstlöhne.
Das
Land vor der Stadt war wieder Rettung geworden, nur ohne Landwirtschaft und Hamstertausch.
Es war der billige Quadratmeter, den sie hier für ihre Zuversicht erwarben,
bebauten und bedienten, im Frühjahr mit Blumen und Unkrautvertilgungsmittel,
den Rasen mit Dünger und im Winter mit immer mehr ausufernder Weihnachtsbeleuchtung.
Sie
ließ sich nicht beirren, kannte ihn gut und lange genug, zog ihn zu den Kirchen
und andere alte Gebäude. Zufrieden wies sie auf die, ihm damit zeigend, es
gäbe sie ja noch die Geschenke der reichen Epochen, der Gotik, der Renaissance,
hier und da sogar etwas Romanik, viel auch vor allem innen vom Barock, nicht zuletzt
die ein gesprenkelten klassizistischen Wohn- und Bürohäuser. Aber er hatte kein
Vertrauen mehr zu ihnen, durch ihre Umgebung und die Art, wie sie frisch
geputzt und renoviert ihn anstrahlten, verloren sie für ihn zugleich den Beweis
ihrer Herkunft, schließlich hatten ihre Pfleger alles dafür getan, dass man
ihnen die Jahre ihres Ausharrens nicht mehr ansah.
Die
hier lebten, brauchten keine Kriege mehr für die Zerstörung. Ihre Bomben hatten
die Namen großer Verkaufsketten und Konzerne. Diese warfen mit viel Glas und
Aluminium, bunten Plakaten und Preisangeboten.
Auch
verwunderte ihn immer wieder, wie viele Menschen gleich ihnen tagsüber Zeit fanden
hier ihr Geld weg zu geben, für Dinge, die sie mülltrennend als Probleme empfanden
beim Entsorgen. Da keiner mehr Dienstboten hatte, kamen die hier so hastig
gekauften Kleidungsuntensilien zu Afrikanern oder Asiaten, die ja tatsächlich
für sie schufteten, schlimmer als die Dienstboten früherer Zeit, die dort ihre
Klamotten auftrugen zulasten eigener Textilfabrikation.
Findest
Du es nicht schön hier? Ja, schön ist es geworden. Aber was noch?
Hier
scheint ihnen die Heimat geschrumpft auf die kleine Terrassenfläche unter der mit
Fernbedienung beweglichen Markise hinter dem Haus im Angesicht des
zusammengekauften Gartens und der jeweils tagesaktuellsten Grillstation.
Eigentlich
brauchten die die Stadt nicht mehr, nur für Besorgungen und gegen die
Langeweile.
Hast
Du gar keine Hoffnung mehr? Doch, immer! Vielleicht in der nächsten Stadt.
Aufgeben,
nein, das kam für sie beide nicht in Frage. Es gab ja noch genügend Städte, die
sie nicht überprüft hatten.
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