Er
saß ruhig und verschlossen auf der Anklagebank. Ließ alles seine Verteidigerin
machen.
Seine
Frau trat als Nebenklägerin gegen ihn auf. Auch sie überließ alles ihrem
Anwalt.
Eine
alltägliche Geschichte. Gewalt in der Ehe. Seit einigen Jahren aber unter
Strafe gestellt.
Der
Mann soll seine Frau jahrelang geschlagen, vergewaltigt, gedemütigt haben.
Die
Verteidigerin stellte die Beweislage in Frage.
Die
Polizei legte Aufnahmen vor von ihren Verletzungen, der Kellertreppe mit Spuren
ihres Sturzes, der alten Matratze dort unten mit Spermaspuren von ihm.
Nein,
unmittelbar keine Zeugen.
Familiensituation?
Keine Kinder. Er wollte nicht. Sie wollte nicht. Ließ sich nicht klären, war
auch unerheblich für das Gerichtsverfahren.
Großes
Haus, zwei gute Mittelklassewagen. Abonnements für Theater, Kunsthalle und
Oper. Keine Vereine. Nur Geschäftsfreunde des Mannes. Kaum Familienangehörige,
alle weit entfernt wohnend, in Kanada, der Schweiz und Argentinien. Also sehr
weit entfernte Verwandte.
Beide
Mitte vierzig, beide in zweiter Ehe verheiratet seit nunmehr 11 Jahren.
Die
Verteidigung bot als Erstes Nachbarn als Zeugen auf.
„Ruhige
Leute, beide, sie etwas hochnäsig, gelegentlich Krach unbestimmbarer Herkunft,
vielleicht Schreie, vielleicht Schläge, aber nicht mit Sicherheit.“
Aber
der Mann da sei oft mit dem Hund draußen gewesen und für ein Schwätzchen auch
mal stehen geblieben. Wo war der Hund jetzt, es war keiner im Haus gewesen?
Vergiftet.
„Durch ihn“, „durch sie“. Ließ sich nicht weiter klären. Vielleicht später.
Die
Frau sei als verlogen bekannt in dem Viertel und als faul. Das sagten alle
übereinstimmend aus.
Schlecht
für die Anklägerin. Brach in Tränen aus.
Wie
und woher die Zeugen das wüssten? Der arme Mann habe oft geklagt, erst
schüchtern, dann aber immer öfter. Worüber, na, die Frau sei wohl verlogen und
würde ihn dauernd hintergehen und er sei nur zum Schuften und Geld anbringen
da.
Der
Mann? Ja, der Mann. Bei allen hatte er sich beklagt.
Triumph
der Anklage, Verdüsterung im Gesicht des Angeklagten.
Eine
perfide Inszenierung gegen die Frau, damit sie keine Chance bekam draußen etwas
zu erzählen oder Gehör zu bekommen.
Das
interessierte die Presse, sogar zwei Illustrierte und das Fernsehen begannen zu
berichten. Beide, Angeklagter und Klägerin strahlten in die Kameras, ließen
ihre Verteidiger, ihre Sicht der Dinge schildern.
Eine
Cousine war bereit aus zu sagen, bestellt von der Verteidigung. Kaum noch
Kontakt, vor allem weil ihre Cousine hier sei sehr verlogen, selbstsüchtig und
nur auf Geld und Ansehen aus. Der Mann da, ja, der Angeklagte, hätte ihr von
Anfang an leid getan.
„Verlogen?“
„Ja,
verlogen, wohl schon aus der Gewohnheit heraus.“
Die
Presse war begeistert. Jetzt sah der Angeklagte wieder fröhlicher aus und die
Klägerin weinte. Das konnte sie gut, wurde aber unter gut gespielt abgehakt.
Die
Gutachter konnten sich nicht einigen. Ja, schlimme Verletzungen, Spuren
jahrelangen Missbrauchs.
Ja,
auch selbst zu fügbar. Oder durch Liebesspiele.
Liebesspiele?
Sado-Maso! Aha!
Die
Presse überschlug sich förmlich mit Schlagzeilen. Das Flaggschiff des
Boulevards berichtete jetzt jeden Tag auf der ersten Seite.
Beide,
Angeklagter wie Angeklagte, hatten bereits Exklusivverträge mit Illustrierten
unterschrieben, für viel Geld, wie im Gerichtssaal gemunkelt wurde.
Der
Mann gab solche Spiele zu, benannte Clubs, wo sie hingegangen wären und
Geschäfte.
Seine
Verteidigung ließ etliche Zeugen antreten. Die Öffentlichkeit wurde
ausgeschlossen.
Seine
Frau begann ihr Gesicht vor den Kameras zu verbergen.
Ihr
Anwalt rief sie in den Zeugenstand. Ja, das mit dem Sado-Maso hätte es gegeben.
Aber er hätte sie gezwungen und zu Hause seinen Hass auf Frauen noch härter
ausgelebt. Aber die Zeugen hätten doch gesagt, sie hätte die Herrin gegeben und
er den Sklaven.
Ja,
aber unfreiwillig, da er ihr zu Hause alles doppelt und dreifach zurückgezahlt habe.
Ihn habe das nur angestachelt, darum hätte er darauf bestanden, dass sie die
Herrin.
Die
Presse und demzufolge die Leser blieben skeptisch und auf der Seite des
Angeklagten.
Die
Anklage schaffte eine Tante des Angeklagten herbei, die aus Kanada.
Sie
schilderte ihn als hinterhältig, brutal, Charmeur, arbeitsscheu, „konnte nie
mit Geld umgehen“.
Dann
kam seine Ex-Frau in den Zeugenstand. Gleiches Bild. Auch mit ihr Sado-Maso
aber nur kurz, hätte sie angeekelt. Kinder hätte er auch nicht gewollt, warum
dann noch diese Ehe. Heute hätte sie drei nette Kinder und denke nur noch mit Schrecken
an ihn.
Seine
Aktien schmolzen dahin. Die öffentliche Meinung schlug um.
Ich
hatte die Nase voll von dem Verfahren, ließ von der Staatsanwaltschaft die
finanziellen Verhältnisse des Ehepaares darstellen. Hätten wir eher tun sollen.
Nein,
nur nach außen noch topp, in Wirklichkeit pleite. Das Einkommen des Mannes nach
wie vor hoch, aber noch höhere Ausgaben. Ja, im Marketing ließe sich
offensichtlich gut Geld verdienen, aber so viel, wie die beiden bräuchten,
offensichtlich auch nicht.
Da
kam mir der Verdacht. Ich setzte eine Verhandlungspause an und lud die
Staatsanwaltschaft und die Anwälte in mein Büro.
Alles
fingiert? Nur vorgetäuscht? Wegen der Aussicht auf die Einnahmen aus den
Verträgen? Mit dem Risiko von Gefängnis und öffentlicher Brandmarkung? Sie
waren skeptisch. Die Anwälte versprachen trotzdem, vorsichtig auf den Busch zu
klopfen, obwohl sie natürlich nur im Interesse ihrer Mandanten und so weiter. Die
Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen wieder auf.
Nachdem
die Anwälte beim nächsten Treffen verlegen schwiegen und sich auf ihre
Pflichten beriefen, wurde es klar.
Es
gelang die beiden zu überführen. Sie hatten beide auch noch einen Buchvertrag
abgeschlossen und etliche Talkshows hatten sie gebucht.
Die
Verteidigung legte ihr Mandat nieder, da das Gerücht aufkam, sie hätte die
beiden bei der ganzen Geschichte juristisch vorab beraten um das Risiko zu
minimieren. Empört legte daraufhin auch die Kanzlei der Klägerin ihr Mandat
nieder, und ließ öffentlich erklären, das Vertrauensverhältnis sei massiv durch
das Verhalten der Mandantin zerstört worden.
Der
Mann erklärte sich als erstes, schob alles auf die Frau und das, was er den
Nachbarn erzählt hätte, sei wahr gewesen und hätte nichts mit dem Plan zu tun
gehabt.
Die
Frau beschuldigte daraufhin ihn, dass er sie unter Druck gesetzt habe mit der
drohenden Pleite.
Wir
ließen die Anklage fallen, dafür bekamen beide saftige Strafen für die
Vortäuschung einer Straftrat, Missachtung des Gerichts in einem besonders
schweren Fall, Behinderung der Polizei bei ihren Ermittlungen und was wir sonst
noch so finden konnten. Dafür wurden wir
als „rachsüchtige Justiz“ an den Pranger gestellt.
In
den Medien ein letztes großes Berichtsgewitter, tatsächlich tauchten die beiden
nun als „besonders dreistes Gaunerpaar“ redegewandt und fröhlich auf.
Sie
schrieben nur ein Buch, dies zusammen, was sich aber schon nicht mehr so gut
verkaufen ließ. Sie sollen sich wenig später getrennt haben, als das Interesse
an ihnen erloschen war.
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