jetzt - nur noch Sonne, Strand, Meer, die
Leinwand, die Gitarre
ruht im Schrank, neben dem
Füllfederhalter, dem schweren Begleiter
so vieler Seminare - längst eingetrocknet,
die Tinte
die Lust auf Menschen, auf Nähe, gewichen
der Lust auf Stillleben, auf Panoramen
die Protokolle verplanter Stunden: vom
Enkel lächelnd zerfetzt
noch immer auf Reisen: meine Geliebte, ihr
grau gewordener Rotschopf
demnächst noch einmal in unserem Galiläa
dort leben wir uns wieder, oben in den
Bergen Mallorcas
bei Wein und selbstgebrannten Schnaps,
über dem Tal auf der Mauer
hocken wir dann wieder vor der Kapelle
unseres hierhin strafversetzten schwulen
Priesters
wir Alten, trauern mild um die Fahrräder,
unsere aufgegebenen Touren
über Pässe und Schluchten, unser Leben im Zelt
auf der Suche nach Erholung
jetzt
nach so viel Reden, Diskutieren, Analysieren,
- schulterklopfendes Schweigen
in uns diese stille Kraft
der Melancholie, die Welt nicht gerettet
zu haben
nur zwei kleine Leben auf diesem so
großartigen Planeten Azur
der Katakomben, rasch anwachsenden Wüsten
trotz Wiederkehr
des großen Regens, digitalisiert für den
schnellen Verschleiß
jetzt
kein Amt mehr, keine Würde, keine
Verantwortung, kein Ziel, nur noch
die gleichen alten Latschen an den aufquellenden
Füßen
gardinenbehängt die verblassenden Augen,
ohne Blick
zurück im Zorn, schließlich doch prima gelebt
auf diesem Jahrmarkt
dabei gewesen, mitgeflogen, jeden
Höhenrausch
entlang gekämpft, geliebt, getobt,
erzittert, gesoffen
wie das Meer die Wolkenbrüche, das Meer,
das nun lautlos
seine vergifteten Blasen schlägt
jetzt
wie Chingachkog, der letzte Mohikaner, in
den Armen
eines liebenden Menschen sacht über den
Jordan gleiten
ohne Angst, ohne Schmerzen, der Zeit endlich
gelassene Weggefährten werden
dabei vielleicht ein letztes Mal die
vergilbten Ohren verschmelzen
den Blick, die Anker versenken
mit Smetanas 'Moldau' und zusehen, wie Du
tanzt
Dein immer noch irgendwie roter Schopf,
diese Farbe prall gefüllten Erlebens
Der Liebe, des Todes
jetzt
nicht mehr Milliarden Fragen an Millionen
Menschen
keine tausend Bücher mehr vor uns, jetzt
nur noch unsere eigenen Köpfe
dieses eng begrenzte All aus Fragen und
Antworten, Blech & Schrott
ohne Anfang, ohne Ende, ohne Gott
jetzt
den Rest an Farben auf die verschmutzte
Leinwand tragen, vor allem
Dein leuchtendes Rot
Jede Menge Kreise, Wirbelstürme, darunter
diese Zahl eintragen
dieses Jahraus-, Jahreinjubiläum eitler
Zählerei, dann, ja dann 80 Jahre
lang auf dem fliegenden Holländer
Hanswurst gewesen
für die toten Seelen ein Narr, der aus der
Wüste lebt, ohne Ring
den Fluch zu bannen, ein Flaschengeist, in
den Nächten
Wünsche zu erfüllen, ein Klabautermann
und doch nie bereit dies sinkende Schiff
zu verlassen
jetzt
wo hier nur noch die Toten leben und
Achtung und Liebe erfahren
jetzt
gilt aber immer noch: wir wissen und wir
haben gewusst
nichts ist vergessen und niemand
jetzt
nur noch Schweigen, nur noch vollgepisster
Sand im Getriebe
jetzt
nur noch ein Leben wie sanftes Rauschen im
Blättergedicht
jetzt
ohne Zähneknirschen die Füße auf dem
Kanapee begraben, Zähne einziehen
morgen
werden wir wieder singen, planen wir den
nächsten Tod
heute
sollen uns die Morde entlassen, die Messer
lasst ruhen
wo nur noch Schweigen bleibt, gießt uns
kein Regen
zum Himmel empor, kein Sonnenstrahl wird
uns verletzen
jetzt
wir können wieder selig in unseren Gräbern
ruhen, wir Vampire der Zeit
wir brauchen kein Blut mehr, es schwellt
nicht mehr der geile Leib
von den Qualen der Uhr, der ewig
durchrauschten Jahre
kein Knüppel in Sicht, der sich uns stumpf
ins Herz bohren könnte
wir sind frei, in Staub zerfallende Hüllen
die so viel Blut und Tränen gekostet
haben, so viel Leben
bald nur noch Staub
nein: zwei kleine Haufen Restasche
von Mutter Wind verweht
jetzt
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