Zwei
Kommilitonen hatten fast die ganze Zeit ihres Studiums freundschaftlich eine
Wohngemeinschaft gebildet und sich stets gut vertragen. Nun, da es in Richtung
Abschluss und Arbeitsfindung ging, bemühten sich beide Einladungen für wichtige
Events und Vorstellungsgespräche zu erhalten, um sich dort Firmen zu empfehlen
oder zumindest mit ihnen in Kontakt zu kommen.
Sie
einigten sich darauf, nie die gleiche Veranstaltung oder Firma zu besuchen, um
sich dort keine Konkurrenz zu machen.
Nach
einigen Wochen aber hatte der eine von ihnen plötzlich keine Einladungen mehr
und sah verwundert, wie häufig der andere zu Events und Gesprächen verschwand
und fröhlich zurückkam und von seinen neuen Kontakten prahlte.
Bei
einer Firma rief er schließlich an, da sein Vater ihm fest zugesichert hatte,
dass er von dort ganz sicher eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch
erhalten würde. Er wurde auch sofort zu dem Bekannten seines Vaters
durchgestellt. Der ließ ihn gar nicht erst groß zu Wort kommen, beschimpfte
ihn, weil er sich unmöglich hier aufgeführt habe und er froh sein solle, wenn
er dem Vater, seinem alten Freund, noch nicht davon berichtet habe.
Verzweifelt
versuchte der arme Student klar zu stellen, dass er doch gar nicht dagewesen
wäre, ja, nicht einmal eine Einladung erhalten hätte.
Schließlich
einigten sie sich darauf, sich zu treffen in der Mittagspause und zur großen
Überraschung des Mannes war ihm der Sohn seines Freundes völlig unbekannt und
offensichtlich musste jemand anders unter dessen Namen bei ihm erschienen sein.
Der
Student sprach noch lange mit dem Mann und erhielt die Zusage, als Praktikant
sich zeigen zu dürfen, um bei Bewährung eine Beschäftigung zu erhalten.
Fröhlich
einerseits, zornig andererseits ging der Student zurück in seine Wohnung, wo
sein Kommilitone wenig später ebenfalls eintraf.
Es
kam, wie leicht vorstellbar, zu einem großen und mehr als heftigem Streit,
wobei der Kommilitone nichts abstritt, sogar die Einladungen vorzeigte, die er
dem Freund unterschlagen hatte und berichtete dazu noch, was er sich alles
hatte einfallen lassen um den anderen dort für immer unmöglich zu machen.
Auf
die Frage nach dem „Warum?“ hatte der nur die Schultern gezuckt und gemeint,
dessen Naivität wäre ihm schon immer auf den Keks gegangen und da draußen sei
eben kein Platz für Fairness und Freundschaft.
Der
Streit wurde durch den fröhlichen Abgang des Kommilitonen beendet, der seinen
Mitbewohner zornbebend und hilflos vor Wut zurückließ.
Der
Student nahm die Einladungen, setzte sich an den Computer und schrieb alle
Einlader an, schilderte das Vergehen seines Mitbewohners und entschuldigte sich
für die Geschichte, für die er ja nicht wirklich etwas konnte.
Die
Tage vergingen, die beiden mieden jeden Kontakt und schließlich gelang es ihnen
Nachmieter und neue Zimmer zu finden.
Unser
Student erhielt kurz darauf eine Absage von dem Freund seines Vaters mit der
Begründung, die Firma habe zurzeit doch keinen Arbeitsplatz für ihn frei.
Verwundert
rief er den Mann sofort an. Der bat ihn um ein Treffen, wieder zur Mittagszeit.
Dort
erklärte er dem Studenten, dass er leider zur Lachnummer verkommen, ja, überall
Gesprächsthema Nummer eins wäre, sein Mitbewohner in eine große Firma
eingestiegen sei und darauf bestände, dass er, der Sohn seines Freundes, ja,
das müsse er ihm hier sagen, ein großer Trottel wäre, und selber schuld. Auch
hätten dessen Briefe nur Gelächter ausgelöst und diese Einschätzung bestätigt.
Schließlich fragte der Mann, warum er denn diese blöden Briefe überhaupt
losgeschickt habe, statt die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ob er ein
Gerechtigkeitsfanatiker sei, die, das müsse er ihm deutlich sagen, könne man
nirgendwo gebrauchen, würden nur schlechtes Klima produzieren und die
Mannschaften beschädigen, damit auch deren Output. Was er denn, um Himmels
willen, sich dabei nur gedacht habe.
Geschockt
blieb der Student noch lange in dem Café, in dem sie sich getroffen hatten,
sitzen und trank einen Kakao nach dem anderen, als könnte er so den Kakao
vernichten, durch den man ihn gezogen hatte.
Es
war für niemanden seines Studienganges verwunderlich, dass er seinen Abschluss
nicht machte, stattdessen sich bei der Bundesbahn bewarb, die gerade Lokführer
suchten. Er durfte nach der Ausbildung bleiben, da als stets ruhig galt und nie
widersprach, allen Anordnung folgte, jeden Einsatz akzeptierte, ja allen bald
als der Idiot galt, der alles mit sich machen ließe.
Seitdem
hoffte er, dass ihm sein einstiger Mitbewohner doch mal auf die Schienen fallen
möge. Aber natürlich tat der ihm nie den Gefallen und so schien auch sein
weiteres Leben leer aus zu gehen.
Bis
er in der Zeitung lesen konnte, dass dieser ehemalige Mitbewohner zwar
erfolgreich die Karriereleiter nach oben gekommen war, aber zu wenig seine
Finger von den Frauen anderer Männer hatte lassen können, woraufhin ihn einer
dieser Männer mittels Porsche und Höchstgeschwindigkeit aus dem Leben befördert
hatte.
Da
sprach er das erste Mal das lange gemiedene Wort wieder aus: „Es gibt doch noch
Gerechtigkeit!“
Zugleich
war er froh, dass ein anderer getan hatte, was ihm nun selber völlig straffrei
tiefe Befriedigung verschaffte.
War
auch die Welt geblieben, wie sie war, seine eigene hatte sich wieder in Ordnung
gerüttelt. In der Folgezeit verliebte er sich, heiratete und lebte zufrieden
mit sich und seiner Welt in die Tage hinein.
Ach
ja, Kakao hat er seit damals nach dem Gespräch im Café nie mehr angerührt.
Und
wenn er nicht doch noch verunglückt ist mit seiner Lok fährt er auch heute noch
hin und her, her und hin.
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