Dienstag, 24. September 2013

Alles in GFD



Sie wollen wissen, wovon ich meinen nicht gerade bescheidenen Lebensaufwand bestreite? Nun, gerne erzähle ich es ja nicht, nein, nichts was verboten wäre, aber es ist, nun ja, etwas geschmäcklerisch.
Am besten ich fange ganz von vorne an, damit sie mich besser verstehen.
Es war Anno 2014, ja genau, damals als wir ein halbes Jahrhundert zu spät Orwells “1984” endlich umgesetzt hatten, aber noch dabei waren Huxleys “Schöne neue Welt” zu verwirklichen, da war ich auf der Suche nach einer festen Existenzgrundlage.
Unser zweites Kind war unterwegs und wir hatten gefallen daran gefunden, an Kindern meine ich, und wenn wir mehr Kinder wollten und für die ein schönes großes Haus zum Spielen, dann mußte ich mir schon etwas sehr gescheites einfallen lassen.
Die Idee kam mir nach dem Besuch der neuesten Disney-3D-HD-Produktion im Kino. Von dem Film selber weiß ich nicht mehr viel, allerlei Geräusche, fliegende, rasende Objekte halt. Die Handlungen, nun, die waren schon länger verpönt. Viel zu streßig denen zu folgen. Aber in dem Film spielte ein großer Brand eine Rolle, die ganze Stadt brannte, war damals so üblich. Und ich hatte ein Gefühl in meiner Nase, als wenn ich den Rauch mit allen seinen chemikalischen Zutaten und Vorgängen riechen könnte. Und das war es.
Ich war mir hundertprozentig sicher, dass GFD kommen würde und die Filme wie die Kinos, nicht zu vergessen das Fernsehen, revolutionieren würde. Und ich würde in dieser Revolution meinen Platz finden. Blieb nur die Frage wie.
Irgendwelche sonderlich ausgeprägten Fähigkeiten, geschweige Qualifikationen für die dafür kommende Branche besaß ich eigentlich nicht und es fiel mir auch rein gar nichts ein, was ich dort gewinnträchtig einbringen könnte. Aber mein Urgroßvater fiel mir ein, der in der Mitte des letzten Jahrhunderts nach dem großen Krieg sein Geld mit Schrott gemacht hatte. Und sein Sohn, mein Großvater, der das wieder aufnahm, nur anders, als das Recycling und die Mülltrennung Furore machten. Und ich, wer war ich?
Deren Enkel, beziehungsweise Urenkel! Also!
Ich machte mich sofort an die Arbeit, suchte mir über das Internet ein paar schlaue aber finanziell und rechtlich unbedarfte Jungs, versprach ihnen das Blaue vom Himmel und da ich ihm den Namen “das neue Silicon Valley” gab, folgten sie mir brav. Was taten wir?
Nun, wenn sie heute in ihr Kino gehen und aufgrund der starken Gerüche durch das Super-GFD plötzlich kotzen müssen, ihnen das aber eher gefällt, weil es dazu gehört, dann verdanken sie das mir und meinen damaligen Jungs. Die habe ich natürlich längst gefeuert. Wollen alle immer nur “Beteiligung”, weiß gar nicht was das sein soll und warum.
Und wenn sie auch zu Hause im Kreise ihrer Lieben ihre Lieblingsfilme in GFD genießen trotz Kotze und Spucken, dann profitiere ich und längst schon unsere 12 Kinder. Leider nicht meine Frau, die ist zusammen mit dem 13ten bei der Geburt auf der Strecke geblieben. Vielleicht hatten wir uns da doch zu viel vorgenommen.
GFD? Geruchs-Fernsehen-Deutschland! Toll, nicht? Wer hätte das nach 3-D und HD noch für möglich gehalten damals. Ja GFD. Diesmal fand das “Silicon Valley” in Deutschland statt, denn mit Gerüchen kennen wir uns hier spätestens seit dem Mittelalter bestens aus. Denken Sie nur an die Hexenverbrennungen, die Pest, der Kot in den Straßen, die Pisspötte unter den Betten, den Rauch über dem Ruhrgebiet oder die lange verseuchten Flüsse.
Wir hatten den Big-Point gefunden und nicht mehr aus der Hand gegeben. Und ich war mitten drin.
Was soll ich Ihnen sagen: sobald es richtig losging, hatte ich den ersten “Kotz-Dir-die-Seele-aus-dem-Leib-Filter” mit automatischer, geruchsloser Entsorgung serienreif auf den Markt gebracht. Unschlagbar. Vor allem, da ich bereits mitbekommen hatte, dass die Leute nach dem Genuss dieser Filme von allen Gerüchen die Nase voll hatten, was, wie Sie sicherlich noch wissen, zum völligen Kollaps der Parfüm- und Aromaindustrie geführt hat. Und meine Geräte vertrieben den Geruch seitdem erfolgreich aus den Häusern, den Autos, den Straßen, ja sogar den Schulen und Fabriken. Sie eleminierten sie sofort bei ihrem Entstehen, wirklich alle Gerüche in der Umgebung. Aber natürlich nicht die im Kino. Dann wäre der Spaß am GFD ja vorbei gewesen. Da sorge ich nur dafür, dass Sie nach dem Verlassen des Kinos keinen Geruch davon an sich wahrnehmen können.
Was mit den Gerüchen geschieht? Psst, aber nur wenn Sie es niemanden verraten: Die sammele ich alle ein, denn irgendwann wird niemand mehr wissen wie etwas wirklich gerochen hat und dann verkaufe ich sie, in kleinen Portionen. Ein Riesengeschäft wird das, glauben sie mir. Aber psst: Noch gibt es in dieser Welt zu viele Gerüche, die mir entkommen sind und zu viele Quertreiber, ja die zum Beispiel von der Bewegung “Wir riechen selbst!”. Aber um dieses nächste Geschäft wird sich einer meiner Enkel kümmern dürfen. So, jetzt wissen sie es.
Wie man die Branche nennt? “Entsorger”, ja, so wie bei meinem Urgroßvater und meinem Großvater. Leider ist unsere Branche immer noch nicht gut angesehen. Deswegen weiß auch niemand außerhalb meiner Familie und der Firma, wer und was ich bin. Sie verstehen schon, wegen den Gerüchen und auch ich habe doch wohl das Recht, mit Respekt behandelt und gemocht zu werden.

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