Dienstag, 24. September 2013

Dessen Griesgrämigkeit























Da war ein Nachbar, der hatte jedes Jahr das aktuellste Modell der in dem Jahr am höchsten gelobten Automarke vor seinem Carport stehen.
Zu dem kam eines Tages im Frühling eine sehr hübsche und sehr junge Frau. Die hat ihm den Garten neu bepflanzt, die Büsche geschnitten, frischen Rasen gesät, das Herz rasiert und die Betten frisch bezogen.
Sie blieb auch bei ihm im Sommer, den Rasen zu mähen, die Blumen zu pflücken, die Gardinen frisch gewaschen auf zu hängen, ihm das Herz sorgfältig zu zerschneiden und die Betten frisch zu beziehen.
Im Herbst blieb sie ebenfalls, die Äpfel zu ernten, die Pflaumen, die Beeren, ihm die Stücke vom Herzen einzeln zu zertrampeln und, wir ahnen es schon, die Betten frisch zu beziehen.
Bevor sie nach dem folgenden Winter ihn verließ lackierte sie noch einen Rodelschlitten neu, schmückte den Tannenbaum, fror  Obst und Gemüse aus dem Herbst und seine Herzstücke ein und, nein nicht was wir denken, überließ die Betten Frau Holle.
Seitdem kam zu ihm eine Putzfrau, für den Garten ein „alles-ums-Haus-Dienst“, sein Herz reparierte ein Facharzt und in die Betten nahm er nun jahraus jahrein eine Frau mit, nicht so hübsch, nicht so jung aber stets im gebührendem Abstand zu seinem Herzen.
„Er wechselte weiter seine Autos wie wir unsere Hemden“, sagte Mutter. Und wunderte sich laut über dessen Griesgrämigkeit. „Wenn es uns so gut ginge wie dem, sähen wir aber anders aus“, meinte sie und wir nickten brav, aßen ihr Essen.

Und da er noch nicht gestorben ist, trotz geflicktem Herzen, wechselt er immer noch jedes Jahr sein Auto aus und schaut griesgrämig über den Gartenzaun oder in den Himmel nach den Sternen oder den Wolken. Bei Sonnenschein aber kommt er seit der jungen Frau nicht mehr aus seinem Haus.

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