Manila.
In einer kleinen Bar aus Abfallbrettern mit einem lang schon modernden dunklem
Bambusdach trafen sich Tod und
Krankheit. Sie sahen eine kurze Weile zusammen zu, wie junge Männer ihre Pfeile
auf eine Dartscheibe warfen. Ein junges Mädchen sang zur Musik der
Karaokeanlage, während ihre Freundinnen sich dazu im Rhythmus bewegten.
„Er
ist noch nicht da“, sagte der Tod.
„Nein,
aber ich glaube, ich sehe ihn“, sagte die Krankheit
Tatsächlich
kam auf der vom Regen durchwühlten Straße ein junger Mann hoch und zu ihnen in
die Bar. Er begrüßte kurz die Dartspieler und sah dabei zu dem Mädchen hin.
„Willst
Du gleich? Wir haben wenig Zeit in dieser Stadt“, sagte der Tod.
Die
Krankheit sah zu dem wie ihm schien bildhübschen jungen Mann, dessen Augen
ehrlich und freundlich in die Barwelt sahen.
„Er
freut sich so. Ein netter Kerl. Warum soll ich ihn mit mir schlagen? Kannst Du
ihn nicht einfach zeichnen und patsch ist es vorbei. Ich sehe ihn ungerne
leiden. Es wird hier doch schon genug gelitten, meinst Du nicht?“
„Vielleicht“,
sagte der Tod.
„Du
bist ihnen eine Erlösung, ich bin ihnen nur ein böses Übel, oder“, sagte die
Krankheit.
„Ist
wohl so. Jeder hat halt seinen Job“, sagte der Tod und nickte verständnisvoll
und sah zu dem Jungen hin. Das Mädchen hatte mit dem Singen aufgehört und sah
ebenfalls zu dem Jungen. Sie ging auf ihn zu, strahlte ihn an und umarmte ihn.
„Oh weia, auch noch frisch verliebt“, sagte
die Krankheit.
„Es
wird ihr nicht gefallen, wenn er ihr jetzt gleich leblos in den Armen liegt“,
knurrte der Tod.
„Nein“,
sagte die Krankheit leise.
„Wir
kommen immer ungelegen und die hier werden dann alle diesen schrecklichen
Moment mit in ihr Leben nehmen müssen“, fuhr der Tod fort.
„Die
kennen Dich hier doch, mehr als es ihnen lieb sein kann. Das weißt Du, warst schon
kräftig tätig bei allen Familien, bist ja fast wie ein Rasenmäher hier. Ich
glaube, sie werden es verkraften. Aber der Junge, der sollte nicht leiden.
Wenigstens er nicht.“
„Wir
haben nicht mehr viel Zeit“, sagte der Tod.
„Nein,
in Manila haben wir nie viel Zeit. Viel Arbeit bei den Soldaten, bei den
Rebellen und in den Slums“, stöhnte die Krankheit.
„Ja“,
sagte der Tod.
Das
Paar drehte sich um und ging zu den Dartspielern. Der Junge zog kleine
Briefumschläge aus der Hosentasche und gab jedem eine, den Rest gab er dem
Mädchen, die diesen an ihre Freundinnen verteilte.
„Ihr
kommt doch zu unserer Hochzeit“, fragten sie die Empfänger und alle nickten,
einige umarmten die beiden.
„So
eine Scheiße! Die wollen heiraten,“ sagte die Krankheit.
Der
Tod sagte nichts, sah nur nachdenklich zu den jungen Leuten hin. Schließlich
sah er die Krankheit traurig an.
„Also,
was machen wir? Erst Du, dann ich oder nur ich?“
„Wie
viel Zeit gibst Du mir?“
„Ein
paar Monate. Es wird nicht leicht für ihn, bis ich ihn erlöse.“
„Und
für sie?“
„Für
sie auch nicht. Sie wird ihn pflegen müssen.“
„Aber
er könnte heiraten und sogar Vater werden?“
„Werden
ja, lange erleben nein.“
„Und
sie?“
„Steht
ganz weit unten auf der Liste.“
„Das
Kind würde also keine Waise werden?“
„Nein,
jedenfalls soweit ich die Liste überblicken kann!“
Die
Krankheit nickte, ging zu dem Jungen, schlug ihn und dann trat der Tod von
hinten heran und zeichnete ihn. Der Junge spürte kaum etwas davon, lächelte seine
Braut verliebt an und freute sich seines Lebens.
Tod
und Krankheit aber sahen zu, dass sie zu ihren nächsten Kunden kamen. Richtig wohl
fühlten sie sich nicht mit ihrer Entscheidung. Aber letztlich hatten sie ja wie
meist nur gemäß ihrem Auftrag gehandelt. Ihr Spielraum ist eben nur klein.
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