Das Haus war
festlich erleuchtet und die ausgelassene Stimmung bis zu dem großen Garten,
eher ein Park, hin zu spüren. Über allem waren bereits in die hoch kriechende
Schwärze Sterne aufgezogen und ein schmaler Sichelmond,
als der alte
Mönch am Ende des mit Essensresten, Weinflaschen und Gläsern überfüllten
Tisches sich erhob und auf seine leise Weise begann sich zu verabschieden von
der munter plaudernden und dem Alkohol nicht wenig zusprechende Runde.
Da unterbrach
ihn die Gastgeberin, stand auf wie er, schaute sich beim Sprechen mit
glänzenden Augen unter mächtig onduliertem Haar zu ihren Gästen um. Sie verwies
auf das ja erst halbleere Glas des Mönches und dass der gute Wein darin doch
eine Verschwendung wäre, die dieser und sein Winzer nicht verdient hätten. Er
solle es daher doch als guter Christ und Freund der Weinberge des Herrn in Ruhe
zur Gänze leeren und genießen.
Da schüttelte
der so Ausgebremste seinen Kopf, sah die Rednerin dabei voll der Milde an und
sagte:
„Entschuldigen
Sie mich, bitte! Verehrte Gastgeberin, bitte und wirklich ganz herzlichen Dank
für Ihre Bewirtung. Aber dieser Wein dort in meinem Glas, der würde tatsächlich
ein Opfer der Verschwendung und Missachtung, tränke ich ihn jetzt aus und
schüttete ihn zu den anderen Tropfen, die ich bereits, und das sehr, liebe
Gastgeberin, dank Ihnen hier genießen durfte.
Möge er
besser in ihrer Runde noch ein wenig ruhen und sich setzen und dann ohne Umweg
über meine eifrig arbeitende Magensäure seine letzte Reise antreten zurück in das
Wasser, aus dem wir alle laut den Wissenschaftlern ja dereinst an Land
gekrochen, nicht wir, doch aber das, was sich genetisch auffinden lässt. Denn
wie sprach doch der Herr, Wasser werde zu Wein und Wein zu Wasser und meinem
letzten Schluck hier gönne ich gerne dieses Werden von Einem zum Anderen.
So sollten
wir es immer und alle halten, dem letzten Schluck gönnen, was ihm gebührt, wie
viel mehr an Genuss bliebe uns in Erinnerung, an wie viel mehr von der
Köstlichkeit seiner Aromen und Würze könnte uns den Tag versüßen und den Geist
stärken in wohliger Zufriedenheit.
Trinken wir
aber alles stets aus bis zum letzten Tropfen, erweckt uns am Morgen nur die
Sehnsucht nach weniger Schmerzen, Durst und Nebel im Geist, wünschen wir uns
nur noch, nicht erinnert und schnell wieder klar zu werden.
Ich für
meinen Teil danke Ihnen sehr für die guten Tropfen und wünsche auch Ihnen den
rechten Genuss derselben.“
Sprach es und
ging.
Verdutzt und
schweigend sahen alle hinter ihm her, manch einer zaghaft den Kopf schüttelnd,
saßen so eine Weile, ohne dass einer zum Glas griff, weder zum Wein noch zum
Wasser.
Schließlich erhob die Gastgeberin wieder das Wort, diesmal aber
sitzend.
„Was meinen
Sie, liebe Freunde und Verwandte, war unserem Mönch nun sein Glas halbvoll oder
halbleer?“
Niemand
antwortete, einige zuckten mit den Schultern, die meisten machten eher ein
ratloses Gesicht.
Die
Gastgeberin gab sich mit dieser Art Antwort zufrieden und begann mit ihren Tischnachbarn
das Gespräch fortzusetzen, das sie wegen des Aufbruchs des Mönches unterbrochen
hatte. Auch die anderen gaben sich den bei solchen Festlichkeiten üblichen
Beschäftigungen hin und bald schon musste neuer Wein herbeigeschafft werden.
Erst der
Verlauf des nächsten Morgens und die Art der Begegnung mit dem neuen Tag rief
den meisten der Festteilnehmer die Worte des alten Mönches in Erinnerung und
einige beneideten ihn jetzt ob seiner Entscheidung es gut sein zu lassen mit
dem Wein und dem letzten Schluck.
(c) bild + text jörn laue-weltring bad wildungen 2014
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