Donnerstag, 27. Juni 2013

Strandumtriebe



Sie gehen zu zweit. Kein Mensch außer ihnen da am Strand. Nur jede Menge Fußabdrücke. Sie gehen langsam, fast behutsam, als könne der Sand unter ihnen Schaden nehmen von ihren Schritten. Ein Mann. Eine Frau. Nur das Meer vor ihnen kann ihre Augen sehen. Ein großes Meer, der Ozean.
Sie bleiben vor der Gischt der Wellen stehen. Er legt seinen Arm um ihre Schulter, sie ihren Arm um seine Hüfte. Ihre Köpfe ruhen an ihren Schultern.
Je länger sie so dastehen, umso mehr schwanken sie hin und her, als treibe der Wind mit ihnen sein Spiel.
Ihre Köpfe schauen dabei unbewegt auf das Meer in Richtung Horizont, wo nur der Mond noch auf dem Wasser sein silbernes Lächeln verstreicht.
Dann beginnen sie sich zu drehen, heben mehr und schneller die Beine, tanzen in die Gischt hinein, in das Wasser, tanzen bis nur noch ihre Oberschenkel frei vom Wasser sind.
Schließlich drehen sie sich mit einem heftigen Ruck um, rennen zum Strand, die Dünen hinauf, verschwinden im fahlen Dämmerschein beginnender Nacht.
Unten kommen die Wellen näher und näher, erste schlagen an den Dünen an. Der Wind wird stärker und stärker. Es ist, als wolle das Meer zu dem Paar, wolle nicht ohne sie sein.
Hinter einer Düne packt ein Mann im dunklen Mantel sein Fernrohr ein.
Er geht mit gesenkten Schultern zu einem hinter Bäumen verborgenen Wagen, steigt ein.
Da erheben sich weit von ihm entfernt lautlos zwei Schatten und folgen ihm mit einigem Abstand, stark nach vorne gebeugt, noch in den Knien geduckte Schatten, verharren dann bis er wegfährt, sein Wagen leicht hustend hinter einer Kurve verschwindet,
in gekrümmter Haltung, richten sich langsam auf, der Rechte führt einen Arm zu seinem auftauchenden Kopf, eine Hand bildet sich, ein rechteckiger kleiner Schatten verschwindet mit der Hand hinter dem Kopf, eine Stimme flattert bruchstückhaft Vokale über die Dünen. Dann geschieht nichts mehr.
Die Schatten wirken aufgerichtet wie zwei Schießbudenständer, bewegungslos. Plötzlich ertönen in der Ferne Geräusche wie quietschende Reifen und das Knallen von heftig zugeschlagenen Autotüren. Danach ist es wieder still. Die Schatten bewegen sich in entgegengesetzter Richtung bis auch sie eins werden mit der Dunkelheit.
Dem Mond bleibt nur, den Rest zu beleuchten, wie das Wasser langsam ermattet, für Momente zu ruhen scheint auf dem Strand und dann allmählich in kleinen Prielen sich zum Ozean zurück begibt.
Kurz darauf, als hätte das Wasser sie angezogen und zurückgeholt, taucht erst der Mann, dann die Frau wieder zwischen den Dünen auf. Nicht mehr Hand in Hand oder Kopf an Kopf, jetzt weit voneinander entfernt, gehen sie rasch zu der Stelle, wo der Mann mit dem Fernglas gelegen hatte. Die Frau bückt sich, geht in die Hocke, zeigt auf etwas. Der Mann scheint mit ihr zu reden, jedenfalls kommen Sätze über die Dünen.
„Auf dieser Welt ist man wohl nirgendwo mehr wirklich allein. Was ist noch das, was es scheint und wer weiß noch wirklich was geschieht?“
„Mit uns?“
„Mit uns allen!“


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