Dienstag, 8. Oktober 2013

E.D.


E. D. hockte leicht nach vorn gekrümmt im Nichtraucherabteil des Triebwagens Nummer 8524 derweil sein geerbter Federkeil kratzend das von Trockenheit gewellte Papier eines marmorierten in Fadenheftung gehaltenen Notizbuches aus Taiwan dergestalt füllte, dass seine Schrift es mit kantig gestochenen Linien verzierte, als ihn eine dem optischen Anschein und seiner Meinung nach junge Frau, ihrer Kleidung nach vielleicht eine Auszubildende in einer Bank oder eine im Vorfeld schon angepasste, zielgerichtet gekleidete Schülerin eines Gymnasiums, vielleicht sogar einer Privatschule, was E.D. hinterher nicht aus zu schließen sich traute, ihn mit dem Knöchel ihres rechten Daumens anstieß:
„Wolfenbüttel!“ sagte, wahrscheinlich, nein eher offensichtlich zu ihm, der so ganz in seinen Taten auf den Flächen seines Buches vertieft war, in sein von diesem Ausbruch an Sprache zutiefst erschrockenes Gesicht. Und es kam bei ihm an, wie damals vor den wissenschaftlich gezählten 200 Jahren seit der Veröffentlichung von Goethes Werther oder dem ältlichen Dichterfürst selbst zu seiner Zeit das Wort „Klopstock“, dessen literarische Werke im Gefühlshaushalt seines dem E.D. sehr bekannten Jahrhunderts, weil von ihm geliebten, äußerst wortreich zu wühlen verstand, weit entfernt von der Qualität in der Charlotte hingehaucht hatte, was des armen Werthers Liebe Ursache wurde und seinem darauf fast zwingend erscheindem Selbstmord, was auch viele junge Zeitgenossen nach dessen Lektüre so in sich verspürten und nach Drucklegung und Auslieferung des Werther rasch gezielte Taten folgen ließ, derart dass sie sich vornehmlich gemäß der im Werther beschriebenen Vorgehensweise ums Leben brachten. Dessen ungeachtet E.D. sich zusammenriss, nicht seinen Körper mitsamt von seiner Mutter so mit Mühe gepflegten Bekleidung aus den Zug in nicht genau zu erahnende Unbilden warf, statt dessen nach kurzem Zögern, was mit dem Schließen des fadengehefteten Notizbuches verbunden war, für ihn sicheren Boden versuchte zu entern mittels dessen was ihm als Sprache zur Verfügung stand: „ Wolfenbüttel?“
Leider verspürte er bei dem Vorgang des Aussprechens des Namens des Ortes auf dessen Bahnsteigen seines von ihm, E.D. stark erhofften ordentlich vorhandenen Bahnhofes er seine Reise zu beenden plante und zu vorübergehendem Aufenthalt bereit in einem Hotel, wie der Veranstalter der Lesung es ihm angeboten hatte in kargen Veranstalterworten, von jeder Poetik weit entfernt und den Sehnsüchten eines Lebens wie es auch E.D. gerne für sich gelebt und genossen hätte., einen Frosch wie es seine Zeitgenossen und die vor ihnen zu benennen pflegten in seinem Hals wo er oder sie, da wäre mal ein Nachdenken angebracht, eine längere Disputation und Recherche im Sprachenland der Befindlichkeiten, kratzte und dazwischen quakte obwohl mehr wie ein Pfeifen es ihm schien, so dass er, E.D., seine Frage meinte wiederholen zu müssen: „Wolfenbüttel?“
Das Wesen ihm gegenüber, Auszubildende oder Schülerin oder was auch immer, das zu entscheiden ihm nicht der rechte Ort und Zeitpunkt erschien, nickte und die von ihm so ankommunizierte frauliche Gestalt wusste ihrerseits nicht, was sie von dem nach ihrer mehr spontanen, dem Alter geschuldeten Meinung nach ca. 30jährigen Goldbrillenträger mit knallrotem Rucksack im Gepäckhalter über ihm und seiner eher konservativ grün-grau gehaltenen Bekleidung  halten sollte.
„Ich begleite Sie lieber“, bot sie ihm trotz ihrer Ungewissheit bezüglich seiner Person und seiner Ehrhaftigkeit vielleicht auch Verschrobenheit an, was er seinerseits völlig überrascht und doch sofort dankbar und in kleiner, sanft aufkeimender Weise seiner Gefühle für sie und ihr Angebot dankbar annahm, diese Dankbarkeit ihr auch mit seinem verlegen auszusehendem Lächeln anbot, wesentlich gefasster bereits als nach ihrem Hinweis in seine stringend erarbeiteten Gedanken: „Wolfenbüttel!“
Er verlief sich äußerst ungern in ihm fremden Städten und Straßen. Umso sicherer fühlte er sich, als sie sich bei ihm einhakte und mit sich zog, was allerdings nicht bei dem ihm anvisierten Hotel sein gutes Ende nahm, im Gegenteil in einem Wohnhaus, aus dem ihm die Flucht vor Jahren gelungen war, aber trotzdem gut, weil weich und warm und körperlich und seelisch äußerst nah, dazu noch sein körperliches Wohlbefinden nach allerlei Bewegungen, die ihm lange nicht mehr so vergönnt gewesen waren. Er schloss sein fadengeheftetes Büchlein mit den Worten: „Und es geschah und ich wundere mich noch heute, dass es mir so wunderbar geschehen konnte, kannte ich sie doch so wenig wie sie mich und es geschah in der Stadt Wolfenbüttel, dem literarisch verewigten „Krähenwinkel“ des Autors Keller und keine Krähe störte uns oder hielt uns ab von unserem so plötzlich aufflammendem Verlangen. Unser wahrscheinlich, nein eher offensichtlich daraus entstanden Kind, gaben wir den Namen D.B., angemessener, so wie wir jeder für sich und wir zusammen in Gänze nicht hätten können unserer Liebe so sichtbar freudig krähender Geburt Neues aus uns gemeinsam in körperlicher und seelischer Vollendung weil Vereinigung erliebten Gestrampelts und Gerampelts und somit auch seines kaum Tribut zollen und Achtung und Ehre seinem so von uns erzeugt getauften Leibes darzubringen vermögen hätten können.“
Was sich nicht sucht findet sich trotz alledem wie es scheint allwerwegen hätte er noch in seiner ihm gemäßen Schreibweise schlüsslich anfügen können wenn er denn vielleicht nicht doch lieber wild und unreif entschlossen ohne Fass und Boden zu sehen zu den Taten gewechselt wäre oder gewechselt sein könnte und alle Konjunktive für dem hinter sich und sie lassend so sich und sie ab sofort für alle unverschränkten Taten bereit sein sich ein zu bringen ohne der Schlangenlinien Verzagtheit formidablen altertümlichen Gestalt ohne Gehalt.

Keine Kommentare: