Mittwoch, 5. Februar 2014

Die Konferenz


Für die Korrespondenten ergab sich das für sie gewohnte Bild einer Konferenz in Afrika. Angeleiert von der UNO mit Vertretern der Weltwirtschaft, der Regierungen und Hilfsorganisationen, die einzeln mit dicken, schwarzen Limousinen vorfuhren, mal mit, mal ohne Frau, in die Kameras lächelten und rasch von den nachrückenden Fahrzeugen aus dem Bild gedrängt wurden.
Das Thema war das Thema wie seit Urzeiten aller Korrespondententätigkeiten über solche Konferenzen. Arm und Reich, Abgeben und Nehmen. Schwarz und Weiß. Inzwischen Weiß mit Gelb gemischt, da sich die Asiaten zu den reichen Weißen gesellt hatten.
„Hauptsache gutes Essen und Trinken,“ meinten die Korrespondenten.
Zwei Tage, das würde leicht zu überstehen sein.
Der Saal war zu ihrer Überraschung leer. Kein Tisch. Kein Stuhl. Und so standen alle mehr oder minder Würdenträger ratlos herum und erwarteten ein Signal, sich in einen anderen, vorbereiteten Raum zu begeben. Das geschah nicht.
Stattdessen kamen kaum bekleidete Afrikaner herein, abgemagert und mit Hungerbäuchen. Sie trugen alte Benzinfässer und große Tierknochen herein. Erschrocken wich man vor ihnen aus und sah fassungslos zu, wie diese ihre Mitbringe im Kreis aufstellten als Tisch- und Sitzgelegenheiten.
Als die ersten Gäste laut wurden und ihre Chargen zu sich riefen, den Sachverhalt auf zu klären, kamen weitere Leute, darunter diesmal auch Kinder in ähnlich erbärmlicher Verfassung mit offensichtlichen Speiseresten aus Hühnern, Schweinen und undefinierbaren anderen Ursprüngen.
Noch immer traute sich niemand, sich an dieser Art gedeckte „Tafel“ zu setzen.
Inzwischen raunte es unter ihnen, dass es sich wohl um ein Theaterstück handeln müsse, bestimmt wie meist aus ihren Spenden und Zuschüssen finanziert, weil der Kontinent ja neben Food auch Kultur dringend nötig hätte.
Schließlich kamen die vermeintlichen Schauspieler wieder, dieses Mal mit stark vom Tragen gezeichneter Kleidung, legten diese einzeln sorgfältig zusammen und verschnürten das Ergebnis mit Geschenkbändern. Auch Schuhe waren darunter, Mützen und Schals. An jedem Platz lag so am Ende ein Geschenk.
Während der ganzen Aktion gab es nur das noch das Raunen, verschämtes Flüstern. Die Afrikaner selber sagten kein Wort. Als sie sich endgültig entfernt hatten, herrschte eine Weile Schweigen. Alle waren gespannt, was nun folgen mochte.
Erst jetzt fiel ihnen auf, dass der offizielle Gastgeber, ein hochrangiger und allseits hoch gepriesener Staatschef eines der kleinen Länder hier noch nicht erschienen war. Er sollte den Vorsitz übernehmen auf der Konferenz im Auftrag der UNO.
Er betrat den Raum, als die Spannung kaum noch aus zu halten war und leichte Verärgerung spürbar wurde.
Er begrüßte alle Anwesenden in üblicher Manier und lud an die Tische, damit sie die Konferenz beginnen könnten.
„Ich denke, wir konnten Sie erfreuen und positiv überraschen. Wir haben uns erlaubt Sie mit dem willkommen zu heißen, was wir Ihnen wert sind und was Sie bereit waren bisher an uns ab zu geben aus Ihrem Reichtum. Und da es Ihnen das Beste scheint für uns, dachten wir, wäre es jetzt an uns, es ihnen mit gleichem Respekt wieder zu schenken. Ich hoffe, Sie sehen es als Zeichen unserer Dankbarkeit.“ Und dann setzte er sich.
Die Korrespondenten mussten stehen bleiben und sich nach der Eröffnung entfernen, worüber sie mehr als froh waren. Keiner kam auf die Idee, diesen ungewöhnlichen Beginn in die Heimat zu berichten. Stattdessen schrieben sie: „Ein weiteres Treffen, dessen Ausgang vorhersehbar war. Die Afrikaner fordern, die reiche Welt mauert. Im Ergebnis überflüssig.“


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