Gut,
dass ich keine Gedichte schreibe, nur Wörter mal neben, mal untereinander.
Und
die kommen gerne, vor allem im Schlaf, jedenfalls kurz vor seinem Ende, so bei
dem Übergang zum Erwachen. Also meinem Tagesanfang.
Heute
zum Beispiel bin ich leider nicht gleich aufgestanden. Im Kopf, noch beim
Gähnen, aber schon drei wunderbare, preisverdächtige Komprimierungen des
Lebens, der Liebe und der Wut, und das druckreif. Alles weg nach dem Frühstück. Ich sollte
weniger essen oder auf jeden Fall später.
Würde
ich Gedichte schreiben, so richtige mit Reim, Versmaß, Takt und Rhythmus,
Jambus, Trochäus, Daktylus oder gar Anapäst, käme ich aus dem Feilen, Kneten,
Finger ringen, Fäuste ballen, gegen die Stirn schlagen, den Bleistift weit
werfen gar nicht mehr raus. Und würde vor allem von ihrem morgendlich frischen
Auftauchen nichts mehr wieder finden und so auch nicht das bisschen von mir
selbst, dass sie mir dabei immer mitbringen. Und das sind nette Geschenke, sage
ich Ihnen, ja ja, auch mal weniger nett. Wir sind halt so.
Auch
müsste ich nach dem Frühstück, noch besser nach dem Mittag, wenn keine Wörter
mir in den Kopf krabbeln, sofort frisch vergnügt zusammen auf das Papier
wollen, in gesitteter Sitzweise am Schreibtisch Platz nehmen und kritischen
Auges meine kleinen, zugegeben bisweilen anarchisch und holprig da auf und
untereinander sich vor Lachen den Bauch haltenden Gebilde, zu Leibe rücken, sie
frisieren, ihnen ihre Hemden in die Hosen stopfen, die Krawatte binden und was
es dergleichen noch mehr bei ihnen zu tun gäbe.
Ich
müsste sie trainieren mit Messer und Gabel zu essen, den Löffel nicht am
Tischtuch ab zu wischen und sich die kleinste, nicht die größte Portion auf den
Teller zu füllen. Sie müssten lernen, sich vernünftig ein zu führen in der
Gesellschaft, nicht gleich los zu plappern, andere zu Wort kommen lassen und
nicht gleich jedem einen Witz zu erzählen.
Vor
allem bei Kritik sich nicht an mir ein Beispiel zu nehmen, nicht gleich los zu
heulen oder zu toben und sich in jahrelange Fehden zu begeben, die später in
Büchern zusammengestellt die Germanisten in ihren Seminaren zerpflücken müssen.
Das
bleibt nur dem Dichter selber vorbehalten.
Und
das bin ich ja nicht.
Also
bewege auch ich selber mich lieber still, abseits der Märkte und lasse meinen
kleinen Freunden das Vergnügen, auf die weißen Flächen zu purzeln, sich dort zu
verteilen, wie es ihnen beliebt.
Auch
meine Frau ist froh, dass ich kein Dichter bin.
Sie
mag gerne Brötchen am Morgen und mit denen sei es bei den meisten Dichtern ja
wohl schlecht bestellt. Auch würde sie mich ganz gerne wenigstens gelegentlich
etwas verstehen und keine Psychologen, Mythologen oder Grabforscher dafür
bemühen müssen.
Es
sei schon schön, wenn bei dem Mann, vor allem den eigenen Ehemann, ab und zu
auch mal ein klar verständliches Wort heraus käme.
Ich
habe den Verdacht, dass sie deshalb auch so viel Wert auf eine reichhaltige
Küche legt und gesundes Gesamtgebaren von mir, damit mein Körper gar nicht erst
in die Versuchung kommt, mich zum Hungerleider werden zu lassen.
Sie
findet es schon schlimm genug, dass Modells und Skispringer heute so aussehen,
als müssten sie jeden Tag Gedichte schreiben und zusammen stutzen.
Womit
ich nichts gegen die Dichter an sich oder überhaupt gesagt haben will. Die
besten meiner Freunde sind Dichter. Behaupten sie jedenfalls, wenn ich sie
heimlich, weit weg von meiner Frau treffen oder im Internet kontakte.
Schließlich
zähle ich mich nicht zu denen im Lande, die besonders viel von ihnen oder über
sie wissen, außer über meine Freunde natürlich, deren Vorlieben für Rotwein
oder Bier, chinesisches oder japanisches Essen.
Auch
gebe ich gerne zu, dass ich sprachlich gesehen, vor allem sprachlich, etwas
anderes ließe meine Frau gar nicht zu, Grotten faul bin, wobei ich zum Beispiel
auch nicht weiß, woher dieser Ausdruck stammt, denn ich fühle mich selten wie
eine Grotte.
Egal,
ich bin, das haben Sie hoffentlich bemerkt, heil und froh kein Dichter zu sein,
sein zu müssen oder nur im Traume einer zu sein. Ich schlafe mit zunehmendem
Alter auch so schon schlecht genug.
Und,
verzeihen sie meine vielleicht vulgäre Ansicht der Sache, ich genieße am Abend
ungeheuer meine kleinen geilen Hervorkommer des Morgens.
Ja,
so sollten sie heißen, das ist meine Form auf Papier mit der Welt zu quatschen:
„Hervorkommer“. Ohne Ansehen der Form, des Inhalts oder Melodie.
Süße
kleine, bisweilen bissige Hervorkommerleins!
Meine
Frau ist begeistert und beruhigt, als ich ihr das berichte, hatte sie mich doch
tatsächlich im Verdacht gehabt, dass ich in Wirklichkeit ihr das aber
verheimlichend doch Gedichte schreibe. Nein, meine Liebste, Du kannst mir
vertrauen: Ich bin wirklich und ehrlich froh kein Dichter zu sein und noch
mehr, keine Gedichte zu schreiben.
Und
jetzt hätte ich Appetit auf ein Brötchen mit Matjessalat.
Was
für ein Gedicht, danke Schatz!
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