Mittwoch, 8. Mai 2013

Folgenreiche Lektüre



Als ich das Buch öffnete
sprang mir entgegen Günter Eich
hinter ihm die Heringe
dann die Matrosen, niedrige
höhere Ränge, Steuerleute, Kapitäne
immer noch um Feuer verlegen
für ihren schlechten Tabak
während die Heringe den Saft
ihres Kautabaks überall hin spuckten

versuchte sofort das Buch zu schließen
zu spät, nur Günter Eich schlüpfte
lachend hinein, mir zum Abschied zuwinkend
rief „viel Vergnügen mit denen, mir
haben sie lange genug das Wohnen vergällt“

in diesen Zeiten muss man
mit Vielem leben, nicht mit Allem
so fing ich die Heringe wie Schmetterlinge
setzte sie draußen auf die blühenden Apfel-
und Kirschbäume, zwei auf den Pflaumenbaum
führte die Seeleute zur Bar, reichte ihnen
Mentholzigaretten meinen stärksten Schnaps

als sie alle schliefen, schaffte ich sie
mit der Schubkarre drei Straßen weiter
dem Ortsvorsteher in den Garten, wo sie
auf dem Rasen ihren Rausch zum Besten gaben
verzog mich in ein Bistro, rief den Studentenservice
der reinigte meine Wohnung binnen 5 Stunden

nie wieder Günter Eich, ab jetzt
Vorsicht beim Öffnen aller Bücher und
für den Notfall habe ich mir große Fangnetze
montieren lassen, die auf Fußdruck
emporschießen ungebetene Gäste
gleich einfangen, eingewickelt zum Abtransport

seitdem wundert sich der Ortsvorsteher
über die vielen illustren Besucher in seinem Garten
aber der hatte von Literatur ja auch noch nie
was gehalten konnte jetzt viel nachholen
während ich es mir auf dem Sofa bequem mache
gespannt bei jedem Buch, was ich ihm diesmal
in den Garten werfen könnte, nur die
drei wunderschönen Feen habe ich behalten

ihre drei Wünsche in den Kühlschrank gelegt
da halten sie sich länger, während ihre Überbringerinnen
begeistert meinen Fernseher goutierten
mir dafür die Wohnung aufräumten und putzten
bis ich eines Tages ein Buch aufgeschlagen
auf dem Tisch liegen gelassen, da sind sie
hinein geflüchtet auf Nimmer Wiedersehen
seitdem lese ich auch wieder Günter Eich

*
Spielt auf das Gedicht „Wo ich wohne“ von Günter Eich an

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