Er ist mein nicht zu verdrängender, von mir aus gesehen,
unfreiwilliger Favorit, mein Kandidat wie eine Pille vom Arzt verordnet. Ich
kann nichts dafür. Er schon.
Meine Partei hat ihn dafür gewählt und in das Rennen
geschickt. Und so rennt er nun, mal so, mal
anders, wird hier fotografiert, dort gefilmt, mal darf er einfach so
redend erscheinen vor uns, mal soll er dem Reporter antworten, dann darf er mal
die Hände schütteln, die Menschen anlachen, auf Podien mit Mikrophon auf seine
Einsätze warten und was halt so getrieben wird in einem Wahlkampf in dem es um
alles geht, wie es ja jedes Mal um alles geht, das Land, die Welt, die
Wirtschaft, das Wetter.
Er tut mir leid, vor allem hätte ich ihn nicht ausgewählt.
Das taten andere, Medienmenschen, wie auf Knopfdruck präsentierten sie ihn, der
eigentlich schon weg vom Fenster war, jedenfalls von erstrebenswerten Ämtern,
der rumreisen durfte und in Hotels übernachten auf Kosten anderer, Reden halten
vor Gutbetuchten, die ihn nicht nur gut bezahlten sondern auch herzlich
applaudierten zu seinen Worten und an den von ihm so erhofften, richtigen
Stellen auch lachten.
Mächtige Männer und ein paar wenige mächtige Frauen, Banker,
Industriekapitäne (mit und ohne Patent für die hohe See). Und er glaubte ihnen
ihre Sympathie und Achtung für ihn, glaubte den Geldflüssen auf seinem Konto,
fühlte sich als ehemaliger Minister des reichen, kleinen Landes ihnen fast
ebenbürtig, aufgenommen im Kreis der klug und richtig Handelnden, der
Erfolgreichen und Schönen. Glaubte er.
So ließen es die Medienmenschen die Menschen des Landes ebenso
glauben und so stieg er auf einer Sympathiewelle plötzlich höher und höher, bis
seine, also auch meine Partei, nicht mehr anders konnte, als ihn zu ihrem,
meinem Kandidaten zu küren.
Er hat das Pech gehabt, dass irgendwann in grauer Vorzeit
ihm mal Menschen zugehört haben und gelacht und dafür Stimmen gegeben haben.
Seitdem redet er so, dass er immer auf Punkte kommt, egal bei welchem Thema.
Lachen muss bei seinen Vorträgen sein. Er ist dabei nie wirklich witzig, eher
hämisch, sarkastisch, versucht den Lacher dort zu setzen, wo sich alle in
einem, seinem Boot fühlen, schlauer, gewitzter und mehr auf dem Punkt als die
anderen Redner, Politiker, dekorierten oder selbst ernannten Schlauköpfe im Lande.
Neben dem Gelächter überbrachten ihm die Köpfe der Zuhörer daher jedes Mal auch
ein kräftiges Nicken der Köpfe ein. Und so zieht er nun durch die Lande und versucht
zu punkten, zielt auf Gelächter und Kopfnicken und plötzlich, nun wo er der
Kandidat ist, der laut Medienmenschen der einzige, beste und denkbare Kandidat
sei für die große alte Partei, erntet er selber Häme und statt Kopfnicken
Kopfschütteln, wird wie ein Runnig Gag durch die Medien gescheucht, karikiert,
verlacht, nach unten getreten.
Vielleicht hatte er vergessen die schönen Geschichten und Märchen
seiner Kinderzeit, oder sie sind ihm nie vorgelesen worden, er wirkt auch nicht wie einer, der Märchen mag. gibt sich anti märchenhaft, obwohl er dabei doch nur wie ein Märchenonkel alter Schule rüber kommt. Ja, die Märchen in denen die Mächtigen, die Könige sich Hofnarren hielten, ahnungslos wohl war er selber einer geworden, von Einladung zu Einladung mehr, war
begeisterter Besserwisser geworden mit originellen Ausdrücken und
Satzwendungen, hatte sich an den Höfen gesonnt und wäre besser dabei geblieben,
als sich als Narr auf den Weg zu machen Kalif zu werden anstelle der Kalifin.
Bei alledem ist er nicht dumm und hat durchaus Substanz in
seinem Denken und Handeln. Aber es nützt ihm nichts, da er es nicht dabei
belässt, Sache und Inhalte wirken zu lassen. Er wirkt getrieben, zu sehr nach
den Big Points schielend, als dass man ihm seine Kompetenz und Fähigkeit zum
Kalifen noch abnehmen mag oder kann.
Vor allem da die Medienmenschen nur auf Ausrutscher, Gags
und Zoten bei ihm warten und alles andere von ihm mit Missachtung und Schweigen
strafen. Sie geben ihm keine Chance, da der Unterhaltungswert seiner
Show-Einlagen angeblich die Leser mehr interessiert, andere meinen zu
interessieren hat, als seine ernsthaften Bemühungen, seine Sicht auf unser
Land, die Erde, die Wirtschaft und das Wetter, seine Pläne damit, seine
Lösungen.
Und so zieht der Wahlkampf über das Land wie ein Gewitter
mit Wetterleuchten in der Ferne, gelegentlichen Wolkenbrüchen, aber ohne Blitz
und Donner wie es sich für ein richtiges Sommergewitter gehört und im Herbst
soll gewählt werden, wenn die Blätter fallen und die Gewitter seltener sind.
Und die, die vorher schrieben, sprachen, kommentierten „nur
der kann es!“, die werden schreiben, sprechen, kommentieren: „Der konnte es
nicht, war der falsche Mann“. Und er wird wieder zu Hause sein, sich die Wunden
lecken und auf die Einladungen warten. Vielleicht geht er noch selber als
Gewitter in die Medien, beschimpft diese und seine Partei, klagt über
Dolchstöße, Unfairness gegen und Hängenlassen des Kandidaten. Vielleicht werden
sie es noch schreiben, in Filmchen zeigen, kommentieren, vielleicht mit ein
wenig schlechtem Gewissen aber dann steht schon wieder Weihnachten vor der Tür
und es warten andere Geschenke auf sie.
Nein, mein Kandidat ist mein Kandidat nicht, weil ich genau
das vorher gesehen habe, mir gar nichts anderes vorstellen konnte, wenn ich ihm
auch gewünscht hätte, und mir und meiner Partei, er möge es schaffen, sich anders
zeigen, umkrempeln sich selber, bevor er es mit dem Land versucht, ja gehofft
hatte ich. Blieb mir ja auch nichts anderes übrig.
Ich bin jetzt auch nicht enttäuscht von ihm. Er
kann ja nicht wirklich was dafür. Er ist wie er ist, mein Kandidat und die
Medienmenschen sind wie sie sind und die Mächtigen, die das Schauspiel mit
bezahlen und arrangieren und vielleicht auch mal dirigieren sind auch wie sie
sind und nichts ist überraschend oder sonderlich ausgefallen. Eben nur dumm
gelaufen und der Zufall lacht sich kaputt über unsere Naivität an ihn zu
glauben.
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